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Bei „Lindentalk“ zu GastKölner Professorin warnt vor übermäßiger Regulierung

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Die Kölner Juristin Frauke Rostalski

Die Kölner Juristin Frauke Rostalski

Mit ihrem neuen Buch beleuchtet die Juristin Frauke Rostalski das Konzept der „vulnerablen Gesellschaft“.

Die Kölner Professorin für Strafrecht und Rechtsphilosophie Frauke Rostalski hat ein Buch geschrieben, indem sie sich mit der „vulnerablen Gesellschaft“, ihren Herausforderungen und Gefahren beschäftigt. Am 21. November ist sie im „Lindentalk“ in der Buchhandlung Kaiser an der Dürener Straße zu Gast. Wir haben mit ihr über die „verletzliche Gesellschaft“ gesprochen.

Was bedeutet für Sie „vulnerable Gesellschaft“?

Frauke Rostalski: Darunter verstehe ich eine Gesellschaft, die in besonderer Weise avers ist gegenüber Risiken, sich selbst als besonders verletzlich begreift. Der Zusammenhang zwischen Verletzlichkeit und Aversion gegenüber Risiken ist noch nichts Besonderes. Das Besondere an der vulnerablen Gesellschaft ist, dass der Staat diese Verletzlichkeit ausgleichen soll. Und das führt zu immer mehr Regulierung, also insbesondere zu neuen Gesetzen zum Schutz von vulnerablen Personen, nicht nur solcher Gruppen, die wir schon immer als verletzlich wahrgenommen haben. Wir sind vielmehr auch geneigt, Dinge, die wir bislang nicht als Risiko begriffen haben, jetzt als ein solches einzustufen oder das Risiko höher zu gewichten als früher.

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Haben Sie ein Beispiel?

Das Risiko der „Masernerkrankung“ kennen wir schon sehr lange. Es ist auch überschaubar in seiner Reichweite und doch sagt die Gesellschaft mittlerweile, dass wir nicht mehr bereit sind, es ohne staatliche Regulierung zu akzeptieren. Das Bundesverfassungsgericht hat die Impflicht vor kurzem als verfassungsgemäß bestätigt. Es geht nicht mehr nur darum, dass marginalisierte Gruppen stärker geschützt werden, sondern eben auch, dass alle Bürger vor bestimmten Risiken stärker beschützt werden als früher.

Woran liegt denn diese Entwicklung? Wurden die Menschen durch die Corona-Pandemie sensibilisiert?

Es gibt viele Gründe. Wir leben spätestens seit den 80er-Jahren in der Risiko-Gesellschaft. Wir haben es seitdem mit vielen neuartigen Risiken zu tun, Atomkraft, Pandemien, Klimawandel und Künstliche Intelligenz. Gleichzeitig erleben wir auch, dass Gruppen, die früher zu Unrecht diskriminiert wurden, in ihren Rechten erstarken und auch auf ihr Recht pochen. Die Pandemie war noch ein Brandbeschleuniger für diese Entwicklung. Wir haben erlebt, wie der Staat plötzlich ganz viel Freiheit eingeschränkt und die Situation für uns als Bürger geregelt hat. Und man hat sich ganz schnell daran gewöhnt. Das hat noch mehr Sensibilität gefördert. Daraus ist eine gewissen Anspruchshaltung entstanden.

Die Coronabeschränkungen haben aber auch andere vulnerable Gruppen geschädigt wie beispielsweise Kinder und Jugendliche….

Ja. Die politischen Entscheidungsträger waren regelrecht blind dafür, was für Folgen bei dieser Personengruppe eintreten, obwohl uns ja Kinderärzte und -psychologen gewarnt haben, nicht zu leise. Und trotzdem wurde gesagt, vulnerabel sind allein diejenige, die durch das Coronavirus in besonderer Weise in Gesundheit und Leben gefährdet sind und alle anderen waren es erst einmal nicht. Aus juristischer Perspektive muss man aber, wenn man einen Begriff schon einführt, ihn wenigstens gleich anwenden. Deswegen warne ich davor, sich auf die Vulnerabilität zu verlassen. Wir sollten, wie bisher auch immer, die Verhältnismäßigkeit prüfen, und Freiheiten gegeneinander abwägen.

Gibt es ihrer Ansicht nach auch Fälle, in denen man sich zu Recht für einen gesetzlichen Schutz entscheidet?

Ich persönlich empfinde zum Beispiel, dass fast alles, was im Bereich sexuelle Selbstbestimmung in den vergangenen Jahren geregelt worden ist, also beispielsweise Strafbarkeit von sexueller Belästigung und ähnliches, die „Nein-heißt-Nein-Regel“, als einen großen Fortschritt. Das sind gute Gesetze. Man sollte aber bei der Debatte über Gesetze grundsätzlich beachten, dass wir einen Trend haben, in Richtung Verletzlichkeit.

Sie verstehen ihr Buch also eher als Mahnung, vorsichtig zu sein?

Genau. Man sollte vorsichtig sein, beim Verschenken der Freiheit, so, dass man sich manchmal eben doch für die Freiheit entscheidet und nicht immer für die Sicherheit.


Frauke Rostalski ist am Donnerstag, 21. November, um 19.30 Uhr im „Lindentalk“ in der Buchhandlung Kaiser, Dürener Straße 202, zu Gast.

Der Eintritt kostet 10 Euro. Um Reservierung unter info@buchhandlung-kaiser.de wird gebeten.


Frauke Rostalski, geboren 1985 in Bad Nauenheim, ist Inhaberin des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsphilosophie und Rechtsvergleichung an der Universität zu Köln und Mitglied im Deutschen Ethikrat. Sie lebt in Köln, ist verheiratet und hat zwei Kinder.