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Neuer Masterplan1. FC Köln verzichtet vorerst auf umstrittene Gleueler Wiese

Lesezeit 7 Minuten
Das Geißbockheim von oben aufgenommen. Neben dem Franz-Kremer-Stadion (Hintergrund) soll das neue Leistungszentrum entstehen.

Das Geißbockheim von oben aufgenommen. Rechts neben dem Franz-Kremer-Stadion (Hintergrund) soll das neue Leistungszentrum entstehen.

Ein Stück vor, ein Stück zurück: Seit Jahren kommt der Geißbockheim-Ausbau nicht voran. Jetzt deutet sich ein Kompromiss vorsichtig an.

Seit rund einem Jahrzehnt plant der Fußball-Klub 1. FC Köln den Ausbau am Geißbockheim, doch trotz aller Verhandlungen und Prozesse ist das Ergebnis bislang: Der Traditionsverein, seit 1953 im Äußeren Grüngürtel zu Hause, hat bislang weder ein neues Nachwuchs-Leistungszentrum gebaut noch drei zusätzliche neue Fußballplätze. Aus politischen Gründen. Und aus juristischen Gründen (siehe Info-Text am Ende des Artikels). FC-Geschäftsführer Philipp Türoff hatte im Vorjahr von einer „Sackgasse“ gesprochen.

Doch jetzt bewegt sich etwas in der Sache, mal wieder. Hinter vorgehaltener Hand ist von einer „gesichtswahrenden Lösung“ die Rede. Nach vielen Wochen des Verhandelns deutet sich nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ zumindest in den Grundzügen ein Kompromiss zum umstrittenen Geißbockheim-Ausbau an – ob er tatsächlich aber schnell etwas am Ist-Zustand ändert, ist offen.

Grüne lehnen Ausbau-Pläne seit Jahren ab – Kompromiss denkbar

Dem Vernehmen nach will die Grünen-Ratsfraktion diese Woche über ihre Position beraten und möglicherweise abstimmen. Üblicherweise tagt die 26-köpfige Fraktion mittwochs.

Alles zum Thema Henriette Reker

Die FC-Ausbaupläne.

Die FC-Ausbaupläne.

Seit Jahren lehnen die Grünen die Ausbau-Plänen ab, könnten sich jetzt aber bewegen. Wie zu hören ist, ist ein Kompromiss denkbar – wenn auch noch einiges zu klären ist. Das Wort „Realpolitik“ ist in dem Zusammenhang zu hören, manche sind offenbar müde, wollen einen Schritt auf den Klub zu machen, auch, um die Gleueler Wiese langfristig zu sichern.

In den vergangenen Wochen waren die Vereinsverantwortlichen durch große Teile des Rates getourt, stellten einen neuen Masterplan vor. Der Deal könnte so aussehen: Eine Mehrheit des Stadtrats erlaubt dem Zweitligisten den Bau des Leistungszentrums auf einem bisherigen Kunstrasenplatz auf dem Gelände des Geißbockheims. Das war ohnehin der eine Teil der Pläne des Klubs, die er seit 2014 verfolgt. Rund 50 Millionen Euro taxiert der FC momentan dafür und mindestens zwei Jahre Bauzeit.

Blick auf die Gleueler Wiese.

Blick auf die Gleueler Wiese.

Im Gegenzug soll der Klub seine Pläne für die drei Fußballplätze auf der bislang unbebauten Gleueler Wiese ruhen lassen, die Grünen wollen das wohl planungsrechtlich absichern lassen, also eine Art Garantie. Ob das realistisch ist, bleibt abzuwarten.

FC wirft nun Blick auf „Satellitenplätze“

FC-Geschäftsführer Philipp Türoff sagte: „Die Beteiligten arbeiten aktuell an einer Kompromisslösung, mit der endlich erste Fortschritte für den FC auf den Weg gebracht werden können.“

Die Bebauung der Gleueler Wiese war der andere Teil der Klub-Pläne und deutlich umkämpfter. Die Wiese liegt etwas nordwestlich des Geißbockheims, sie ist Landschaftsschutzgebiet, der Klub hatte sie zuletzt immer noch als 1A-Lösung bezeichnet.

Der Aschenplatz der Bezirkssportanlage Eichenkreuzanlage.

Der Aschenplatz der Bezirkssportanlage Eichenkreuzanlage.

Stattdessen sucht der FC nun andere Flächen für die neuen Plätze, im Masterplan vom 26. Juni ist die Rede von drei sogenannten „Satellitenplätzen“.

Nummer eins ist die Sportanlage des BC Hürth-Efferen, rund einen Kilometer entfernt vom Geißbockheim will der Klub einen Ascheplatz zum Kunstrasenplatz für die Jugend umwandeln. Der Rat in Hürth stimmte dem Vorhaben schon zu.

Nummer zwei ist der alte Ascheplatz der sogenannten Eichenkreuzanlage im Äußeren Grüngürtel, er schließt direkt nördlich an die Gleueler Wiese an. Und Nummer drei ist eine alte Rasen-Kampfbahn, die ebenfalls etwas weiter nördlich liegt. Beide Plätze müsste der Klub modernisieren.

Der Rasenplatz im Äußeren Grüngürtel.

Der Rasenplatz im Äußeren Grüngürtel.

Doch es bleiben Fragen offen, die wichtigste vorweg: Was halten die Bürgerinitiative „Grüngürtel für alle“ (BI) und der NRW-Ableger des Naturschutzbundes Deutschland davon? Sie hatten gegen den Bebauungsplan für den ursprünglichen Ausbau geklagt und zunächst im November 2022 vor dem Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) Recht bekommen, bevor das Bundesverwaltungsgericht das Urteil im April kippte und zurück nach Münster verwies, wo es erneut verhandelt wird.

Erklärt es nun – anders als 2022 – den Plan für wirksam, „hat der FC einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf die Baugenehmigung, wenn die Bauanträge den Vorgaben des Bebauungsplans entsprechen“. So teilte es die Stadt mit.

Noch kein Termin für Verhandlung

Damals hatte das OVG den gesamten Plan wegen Formfehlern bei den bei den vier geplanten Kleinspielfeldern für die Öffentlichkeit nördlich der drei Plätze der Gleueler Wiese für unwirksam erklärt. Dagegen wehrte sich der Klub und bekam im April Recht. Das Leistungszentrum ist Bestandteil der Ausbaupläne, die die Gerichte verhandeln. Laut einer OVG-Sprecherin ist noch keine erneute Verhandlung terminiert.

Friedmund Skorzenski präsentiert 2020 die Klageschrift gegen den geplanten Ausbau des 1. FC Köln.

Friedmund Skorzenski präsentiert 2020 die Klageschrift gegen den geplanten Ausbau des 1. FC Köln.

Im April hatte Friedmund Skorzenski, Sprecher der Bürgerinitiative, eine erneute Klage ins Gespräch gebracht, wenn der FC nur das Leistungszentrum bauen will. Damals sagte er: „Hochbauten im Grüngürtel sind aus der Zeit gefallen.“ Am Montag bestätigte Skorzenski diese Haltung: „Wir werden mit allen rechtlichen und politischen Mitteln versuchen, das zu verhindern.“

Er erinnerte an die Vergangenheit, als der Verein ein neues Bürogebäude am Geißbockheim baute, das laut der Architekten 2009 eröffnet wurde. Die damaligen Geschäftsführer Michael Meier und Claus Horstmann schrieben in einem Brief an die Ratsmitglieder: „Der 1. FC Köln beabsichtigt auch in Zukunft nicht, Flächen zu überbauen, die nicht bereits jetzt mit Hochbauten überbaut sind.“

Skorzenski misstraut dem Verein

Skorzenski vertraut dem Verein unter anderem deshalb nicht, er befürchtet deshalb nur einen „Aufschub“, also dass der Klub irgendwann doch die Gleueler Wiese bebauen will.

Die Gegenwehr der BI könnte die Kompromisslösung zumindest verzögern. Doch darauf lassen es die Beteiligten wohl ankommen. Teile des Rates, weil sie ein Signal senden wollen, das sich etwas tut. Und der FC, weil er unbedingt am Geißbockheim bleiben will. Jeder Schritt für einen Verbleib im Äußeren Grüngürtel ist dafür zunächst hilfreich, zumal die Fan-Szene zuletzt mehr Druck gemacht hat bei dem Thema und den Verbleib am Geißbockheim auch im Stadion gefordert hat.

Offene Fragen bleiben

Doch es bleiben weitere Fragen. Der Klub hat die Flächen des Geißbockheims im Grüngürtel seit Jahrzehnten von der Stadt gepachtet. Will er dort auf einen Fußballplatz nun ein zweistöckiges Nachwuchs-Leistungszentrum bauen und das Gelände nicht mehr für einen Fußballplatz nutzen, braucht er auch dafür das Okay der Kölner Politik. Die Verwaltung sagt: „Zivilrechtlich bedarf es auf Grundlage der Miet- und Pachtverträge der Zustimmung der Stadt und somit auch der Zustimmung der politischen Gremien.“

Dann müsste sich zeigen, ob eine mögliche Zustimmung in einer internen Fraktionssitzung der Grünen am Mittwoch auch in einer öffentlichen Abstimmung der Politik standhält oder ob es Abweichler gibt. Das Mehrheitsbündnis aus Grünen, CDU und Volt hat 50 von 90 Stimmen im Rat, allerdings hat die 19-köpfige SPD immer ihre Unterstützung für den FC signalisiert, es gibt also einen gewissen Puffer bei einer Abstimmung.


Die Ausgangssituation

Seit 1953 ist der 1. FC Köln am Geißbockheim im Äußeren Grüngürtel zu Hause, die Flächen hat er von der Stadt Köln gepachtet. Und seit 2014 plant der Verein einen Ausbau. Es geht um zwei Teile: Erstens soll neben dem Franz-Kremer-Stadion ein zweigeschossiges Nachwuchs-Leistungszentrum entstehen, es ersetzt einen bestehenden Fußballplatz. Und zweitens sollen auf der benachbarten, nordwestlich gelegenen Gleueler Wiese drei neue Plätze entstehen.

Um einen Mehrwert zu schaffen, hat die Stadt noch vier Kleinspielfelder für die Öffentlichkeit eingeplant. Den Bebauungsplan für den Ausbau hat der Rat im Juni 2020 mit Stimmen der CDU, SPD und FDP beschlossen, die Grünen sind dagegen. Auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) lehnt die Pläne ab, im Wahlkampf 2015 hatte sie sie noch unterstützt.

Problem eins: Die Gleueler Wiese ist eine städtische Fläche, der FC braucht einen politischen Beschluss für den Pachtvertrag – egal, ob der Bebauungsplan gültig ist oder nicht. Und für diesen Pachtvertrag gibt es keine umsetzbare Mehrheit, weil die Grünen aus der Kommunalwahl 2020 als stärkste Kraft hervorgingen und ein Moratorium zur Gleueler Wiese mit der CDU und Volt abschlossen.

Problem zwei: Gegen den Bebauungsplan haben der NRW-Ableger des Naturschutzbundes Deutschland und die Bürgerinitiative „Grüngürtel für Alle“ geklagt. Es ist das Verfahren, in dem ein gültiges Urteil aussteht.

Problem drei: Die von Politik und Verwaltung angedachte Lösung, den FC auf eine städtische Fläche an der A1 in Marsdorf zu verlagern, hat der Klub Anfang April abgelehnt. Er forderte von der Stadt mehr Geld, damit sie ihm die Gebäude und die Plätze am Geißbockheim abkauft, um damit zum Teil den neuen Campus in Marsdorf zu finanzieren. Er ging von Kosten von mindestens 120 Millionen Euro aus, wollte von der Stadt rund 60 Millionen Euro, sie lehnte aber mit Verweis auf das Beihilferecht ab. (mhe)