Köln-Marienburg – Die rote Fahne flattert im Fahrtwind: Hans Günter Bell, Parteichef der Kölner Linken, hat zur „kritischen Stadtexkursion vom Kölnberg nach Marienburg“ eingeladen, um die „Extreme dieser Stadt“ zu zeigen. Für den Wahlkampf wird mitgefilmt, als die kleine Gruppe Radfahrer mit wehenden Fahnen in den Villenvorort der Stadt einfährt. Den Kölnberg hat ihnen ein Sozialarbeiter gezeigt, über Marienburg referiert der gelernte Stadtplaner Bell selbst. Er fordert „gleichwertige Lebensverhältnisse“. Den Leuten am Kölnberg solle es nicht schlechter gehen als denen in Marienburg.
Das klingt nach einer deutlichen Kampfansage an die wohlhabenden Bürger der Stadt. Auf Nachfrage wird Bell ein bisschen versöhnlicher: Es gehe nicht darum, dass demnächst alle in großen Häusern wohnen dürfen. Aber die öffentliche Infrastruktur müsse doch so gestaltet sein, dass ärmere Menschen bessere Chancen und Lebensbedingungen bekommen. Die Wohnungssituation vieler Menschen müsse dringend verbessert werden. Die politische Aufmerksamkeit in der Stadt sei ungleich verteilt, findet der Parteichef. Die Sorgen in ärmeren Vierteln würden nicht ausreichend berücksichtigt. In ihrem Wahlprogramm kritisiert die Linke, dass die Stadt zu viel Geld für „das etablierte Kölner Bürgertum“ ausgeben werde. Die Lebensverhältnisse ließen sich nur dann stärker angleichen, „wenn man Ungleiches ungleich fördert“.
Aktive Parteimitglieder fehlen in Köln-Marienburg
Ungleich verteilt sind auch die Ressourcen der Kölner Linken. Ob es in Marienburg überhaupt Parteimitglieder gibt, weiß Bell nicht, „in jedem Fall keine aktiven“. Und da in allen Kölner Wahlbezirken Direktkandidaten aufgestellt werden müssen, hat der Parteichef das schwierige Terrain selbst übernommen, in dem er eigentlich keinen Blumentopf gewinnen kann. „Das hat mich trotzdem gereizt.“
Ein Linker im Wahlkampf in Marienburg – das ist und bleibt ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen. Deshalb haben die Linken den Aufwand vor Ort gering gehalten. Hauswurfsendungen und Wahlkampfstände gibt es keine. Die Linke konzentriere sich auf die Stadtteile, wo sie beim letzten Mal stark war. Und so ist Bell auch eher in Kalk anzutreffen als im eigenen Wahlkreis, zu dem neben Marienburg auch Rodenkirchen gehört.
Der 55-Jährige war lange Jahre in der SPD aktiv, zeitweise als Kölner Juso-Chef. 2008 trat er der Linken bei. Seit 2013 ist er der Behindertenbeauftragte der Stadt Köln. Erreicht die Linke ihr Wahlziel – sie will ein zweistelliges Ergebnis – ist er dank eines aussichtsreichen Platzes auf der Reserveliste der Partei im nächsten Stadtrat dabei. Dann müsste er seinen Job bei der Stadtverwaltung aufgeben.
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Bei der Kommunalwahl 2015 wählten in Marienburg fast 44 Prozent die CDU, 14,5 Prozent gaben der die FDP die Stimme. Für die Linke stimmten 89 Marienburger, das entsprach 3,3 Prozent der Wähler. Bell vermutet, dass dies vor allem „rebellische Söhne und Töchter oder Gärtner“ waren. Vielleicht sei aber auch der ein oder andere vermögende Kölner dabei gewesen. Beim Bildungsbürgertum würden die Berührungsängste gegenüber den Linken schwinden, glaubt er. Mit den Themen „Energiewende“ und „Ökologie“ könne man auch hier punkten.
Im Kommunalwahlkampf attackiert die Linke vor allem die Kölner Grünen. Mit einer Kampagne unter dem Titel „Warum haben die Grünen in Köln so wenig erreicht?“ – verziert mit einem Bild der Oberbürgermeisterin vor einer verwelkten Sonnenblume – versuchen die Wahlkämpfer um Bell und ihren eigenen OB-Kandidaten Jörg Detjen grüne Sympathisanten zu gewinnen, die das Bündnis der Grünen mit der CDU und mit Henriette Reker kritisch sehen.
Ein weiteres Thema ist der Ausbau des Gesamtschulangebots in Köln. Bell glaubt, dass man auch mit dieser Forderung „kluge Menschen in Marienburg“ erreichen kann. „Nur weil einer reich ist, muss er ja nicht unsozial sein.“ Und so stehen die linken Wahlkämpfer auch im Viertel der Vermögenden zur Vermögensabgabe. Da wolle er sich nicht verbiegen, nur um die ein oder andere Stimme mehr zu bekommen. Er sei durchaus ein „Freund des Klassenkampfes“. In einem Stadtteil wie Marienburg hätten FDP und CDU ihre Basis, „die den gesellschaftlichen Fortschritt blockieren“. Da ringe die Linke gegen die dort „dominante politische Überzeugung“. Das, was in Marienburg mehrheitsfähig sei, sollte nicht die Prinzipien der Stadt bestimmen, findet er.