Köln – Als erste katholische Organisation im Erzbistum Köln hat der Jugendverband BDKJ scharf gegen die Entscheidung von Kardinal Rainer Woelki protestiert, ein Gutachten zum Umgang der Bistumsleitung mit Missbrauchsfällen einzukassieren. Die BDKJ-Diözesanvorsitzenden Annika Jülich und Volker Andres nannten Woelkis Vorgehen „beschämend, rücksichtslos und unbarmherzig“. Durch ihr Handeln hätten der Erzbischof und sein Generalvikar Markus Hofmann „das Vertrauen vieler Betroffener von sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche erneut zerstört“.
„Vetrauen vieler erschüttert“
Indirekt fordert die Verbandsspitze Woelkis und Hofmanns Rücktritt. „Als Vertreterinnen und Vertreter von Kindern und Jugendlichen wollen wir niemanden in einer verantwortungsvollen Position in der katholischen Kirche sehen, der das Vertrauen so vieler erschüttert hat und nur zum Schutze der Institution Kirche die Opfer sexualisierter Gewalt allein gelassen hat.“ Auf Nachfragte bestätigte Andres dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass der Kardinal und sein Generalvikar – neben anderen Verantwortungsträgern – gemeint seien, auch wenn sie nicht namentlich erwähnt sind. Eine Amtsenthebung so hochrangiger Würdenträger sei in der katholischen Kirche „bekanntlich nicht so einfach“, fügte Andres hinzu.
Im Kölner BDKJ sind elf Jugendverbände mit insgesamt 50.000 Mitgliedern zusammengeschlossen. Dem Vernehmen nach plant derzeit auch der Diözesanrat der Katholiken, die Dachorganisation der Laien im Erzbistum, eine Stellungnahme zu den jüngsten Kontroversen um das Missbrauchsgutachten.
Die Bistumsleitung begründet ihr Aus für das Gutachten der Münchner Rechtsanwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl mit angeblichen methodischen Mängeln und ungenügender Rechtssicherheit im Fall einer Veröffentlichung. Demgegenüber hält der BDKJ es für „viel entscheidender, dass endlich die Fakten öffentlich gemacht werden, welche Fehler sowohl im Umgang mit den Opfern von sexualisierter Gewalt als auch mit den Tätern gemacht wurden und wer dafür Verantwortung getragen hat.“ Genau dies hatte Woelki schon bei der Beauftragung des Gutachtens 2018 und auch danach immer wieder versprochen. Der Erzbischof beteuert, dass auch ein neues Gutachten, mit dessen Erstellung der Kölner Strafrechtler Björn Gercke betraut ist, denselben Zweck habe.
Besonders deutliche Kritik übt der BDKJ am Umgang der Bistumsleitung mit dem Betroffenenbeirat. Dieser hatte in einer kurzfristig anberaumten Krisensitzung am 29. Oktober zur Kontroverse um das Münchner Gutachten dem Vorgehen des Bistums zunächst zugestimmt. Einzelne Mitglieder bekundeten später, sie hätten sich überrumpelt und über den Tisch gezogen gefühlt. Ein Betroffener hat das Gremium inzwischen aus Protest verlassen, der Vorsitzende Patrick Bauer erklärte seinen Rücktritt von diesem Posten. Der Beirat, so der BDKJ, sei von Woelki und Hofmann „zeitlich und persönlich massiv unter Druck gesetzt“ worden. Dies bedeute für die Betroffenen, dass durch Vertreter der Kirche „erneut und immer wieder schwer verletzt“ würden.
Juristen beantworten Fragen
Die Konsequenzen, die ursprünglich aus den Erkenntnissen der in Auftrag gegebenen Missbrauchsstudie gezogen werden sollten, müssten jetzt endlich umgesetzt werden, forderte die Spitze des Jugendverbands. „Hierarchische Machtstrukturen müssen abgebaut und eine wirksame Machtkontrolle auf allen Ebenen eingesetzt werden, so dass ein strukturelles Versagen zukünftig von vornherein ausgeschlossen werden kann.“
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Am Montag und Dienstag stellen sich die vom Erzbistum beauftragten Juristen Matthias Jahn (Frankfurt) und Björn Gercke (Köln) in Videokonferenzen den Fragen von Seelsorgerinnen und Seelsorgern des Bistums. Der Erzbischof und sein Generalvikar nehmen daran nach derzeitigem Stand nicht teil.