Wirklich beliebt ist der Wiener Platz in Köln-Mülheim nicht. Wie es dazu kam und woher der Platz seinen Namen hat.
Köln früher und heute„Nie ein Platz der Glückseligkeit“ – So entstand der Wiener Platz
Die einen finden ihn zum Gruseln. Die anderen meinen: Es hätte schlimmer kommen können. Doch so ganz einverstanden sind wohl wenige mit dem Wiener Platz. Viel fußgängerunfreundliches Pflaster, wenig Grün, dazu eine hohe Kriminalitätsrate. „Die Atmosphäre ist ganz furchtbar“, sagt Stadtführerin Yvonne Plum: „Das ist nichts, wo man sich gerne aufhält.“
Als in den 1990er Jahren mehrere Straßenbahn-Linien in den Untergrund verlegt wurden, bekam auch das Mülheimer Zentrum ein neues Gesicht. Jahrzehntelang verteilte sich hier der Verkehr von und zur Mülheimer Brücke in alle Himmelsrichtungen. Mit der Neugestaltung mussten Autofahrer einen kleinen Umweg über den Norden nehmen, der Platz bleibt seitdem autofrei.
Trotzdem wurde bald Kritik laut an vielen kleinen Unstimmigkeiten. Den Clevischen Ring zwischen Wiener Platz und Brücke oberirdisch mit dem Fahrrad zu überqueren sei „der Horror“, sagt Helmut Goldau von der Mülheimer Geschichtswerkstatt.
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Viel zu schmal seien die Flächen für wartende Fußgänger und Radfahrer. Die Lichtschächte der U-Bahn-Station unterhalb des Platzes seien gar überflüssig: Unten brächten sie keine bessere Lichtqualität, oben müssten sie durch Poller gesichert werden, da sie den Lkw der Marktbeschicker oder Schausteller nicht standhielten. Bäume gibt es nur am Rande der weitläufigen und abschüssigen Fläche, und wer die schiefe Ebene Richtung Rhein durchschritten hat, landet in dunklen U-Bahn-Zugängen und Fußgängerunterführungen, in denen sich zwar Geschäfte befinden, sich aber auch gern die Trinkerszene aufhält.
Bis in die 1990er Jahre dominierte das Auto den Wiener Platz
Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs kennt den Wiener Platz seit etwa 65 Jahren. Deshalb weiß er: „Ein Platz der Glückseligkeit war er nie.“ Seine Entstehung hatte er dem Bau der Mülheimer Brücke Ende der 1920er Jahre zu verdanken. Um Raum für den Verkehr zu schaffen, wurde im Bereich der Anfahrten die Bebauung südöstlich der Buchheimer Straße abgebrochen. Ein Verkehrsknotenpunkt entstand, der mit der Fertigstellung der heutigen Autobahn 3 im Jahre 1936 noch belebter wurde. Bis 1974 sei der Wiener Platz ein riesiger Kreisverkehr mit Parkflächen in der Mitte gewesen, berichtet Helmut Goldau. Erst dann wurde der nördliche Teil für Autos gesperrt. Doch das Auto dominierte die Szene bis in die 1990er Jahre hinein.
Im Zuge der Neugestaltung entstanden auch ein neues Bezirksrathaus im Süden und die Galerie Wiener Platz im Norden. Eine zentrale Idee des Architekten Stefan Schmitz war es, den Platz auch in Richtung Brücke baulich einzufassen. Zwei Türme sollten zu beiden Seiten des Treppenbrunnens emporragen und sich am oberen Ende mit einer Querverbindung zu einem Torhaus zusammenfügen, das die Brücke quasi einrahmt. Doch dazu kam es nicht, nur die Fundamente sind entstanden und bis heute geblieben. Helmut Goldau schlägt vor, sie für Fahrradparkhäuser zu nutzen. Denn die jetzigen Fahrradstellplätze nähmen zu viel Platz in Anspruch.
Derzeit arbeitet eine Arbeitsgruppe Wiener Platz aus Polizei, städtischen Akteuren und Vereinen an Verbesserungsvorschlägen. Auch Norbert Fuchs spricht sich für eine attraktivere Gestaltung aus. Doch die Möglichkeiten seien begrenzt. Wegen der U-Bahn-Station seien Baumpflanzungen zum Beispiel nicht möglich. Mehr Veranstaltungen könnte der Platz aber gut gebrauchen: „Er müsste stärker belebt werden.“ Eine ständige Polizeipräsenz, wie es sie früher gegeben habe, könnte ebenfalls nicht schaden – besetzt mit Bezirksbeamten, „die ihre Pappenheimer kennen“. Die Polizei verweist auf die Videobeobachtung, durch die eine ständige Präsenz gegeben sei. Bei Auffälligkeiten entsende die Videoleitstelle sofort Polizeikräfte.
Wiener Platz bekam seinen Namen von den Nazis
Seinen heutigen Namen bescherten dem eher ungeliebten Mülheimer Zentrum übrigens die Nazis. Wurde es anfangs Oskarplatz genannt, stand ab 1938 die Österreichische Hauptstadt Patin. Anlass war der „Anschluss“ Österreichs an Deutschland. „Dem wollten die nationalsozialistischen Machthaber mit dem Namen offensichtlich ein Denkmal setzen und der Anschluss wurde mit Aufmärschen und Fackelzügen zum Wiener Platz durch Wehrmacht und Hitlerjugend begrüßt“, schreiben Helmut Goldau und Yvonne Plum als Autoren der Broschüre „Mülheimer Straßengeschichte(n)“.
Helmut Goldau ist deshalb Befürworter einer Umbenennung – „wenn man einen guten Namen hätte“. Yvonne Plum ist etwas zurückhaltender. „Den allermeisten Leuten dürfte die Herkunft des Namens nicht klar sein, für die Mehrheit ist es eher ein neutraler Begriff.“ Besser wäre es, mit einer Infotafel die Hintergründe zu erklären.
Wiener Platz ist laut Polizei ein Kriminalitätsbrennpunkt
Die Polizei Köln zählt den Wiener Platz zusammen mit umliegenden Bereichen wie dem Stadtgarten zu den Kriminalitätsbrennpunkten. 2023 seien hier durchschnittlich 76 Straftaten pro Monat angezeigt worden. Zum Vergleich: Auf dem Neumarkt waren es mit durchschnittlich 80 Anzeigen pro Monat nicht viel mehr. Zu den besonders häufigen Delikten gehörten in Mülheims Zentrum Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz, Taschendiebstähle sowie Körperverletzungen. „Der Wiener Platz und der Mülheimer Stadtgarten sind Treffpunkte der offenen Drogen- und Starktrinkerszene“, heißt es von der Polizei.
Um das Sicherheitsgefühl der Bürger zu stärken, setzten die Behörden im vergangenen Jahr einige Wochen lang eine Schwerpunktgruppe zur Bekämpfung der Kriminalität ein. Einsatzkräfte der Stadt und der Polizei waren dabei täglich zwischen sieben und 22 Uhr sowohl uniformiert als auch in Zivil unterwegs. Unter anderem wurden dabei 17 Waffen sichergestellt. Die Kontrollen hätten dazu geführt, dass sich die Starktrinker- und Drogenszene teilweise aus dem Bereich zurückgezogen habe. Derzeit wird laut Polizei geprüft, ob der Wiener Platz als Waffenverbotszone geeignet ist. (cht)