Köln – Der Prozess gegen Sven W., der am Rande des Christopher Street Days 2016 in einem Schnellrestaurant in der Marzellenstraße Widerstand gegen Polizisten geleistet haben soll, war durch alle Instanzen gegangen. Dreimal war der junge Mann von allen wesentlichen Vorwürfen freigesprochen worden. Im Laufe des Verfahrens hatte der Fall sich um 180 Grad gedreht: Eine ehemalige Polizeischülerin hatte ihren früheren Kollegen vorgeworfen, den Angeklagten völlig unangemessen mit Schlägen traktiert zu haben. Der Richter am Landgericht sagte, für ihn stehe fest, dass zwei Polizisten mehrere Straftaten im Amt begangen hätten.
Die Rede war unter anderem von gefährlicher Körperverletzung (einer der Polizisten hatte den Angeklagten ins Gesicht geschlagen, ein anderer hatte ihn getreten, während der junge Mann gefesselt am Boden lag). Ferner ging es um den Vorwurf rechtswidriger Festnahme, Freiheitsberaubung sowie eine Blutprobe, die unerlaubterweise durchgeführt worden sei. Der Richter hatte sich beim Angeklagten unter Tränen für den Staat entschuldigt.
Vor einigen Wochen nun sind die Ermittlungen gegen die schwer beschuldigten Polizisten gegen Geldbußen von jeweils 750 Euro eingestellt worden. Damit sei auch das „vorhandene öffentliche Interesse an der Strafverfolgung beseitigt worden“, teilt Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer mit. So begründet die Staatsanwaltschaft, dass über die Einstellung nicht öffentlich informiert worden war.
Über den Fall hatten zahlreiche regionale und überregionale Medien berichtet, von Beginn an der „Kölner Stadt-Anzeiger“ und das ARD-Magazin Monitor. Auch Investigativjournalist Günter Wallraff hatte den Prozess beobachtet. Die Oberstaatsanwältin, die mehrfach Revision gegen den Freispruch des jungen Angeklagten eingelegt hatte, begründete die Einstellung der Ermittlungen gegen die Polizisten damit, dass es Zweifel gebe, dass es zu einer Verurteilung komme. Über die Gemengelage gebe es „unterschiedliche Zeugenaussagen, im Rahmen des Ermittlungsverfahrens sind alle Zeugen nochmals befragt worden“, sagte Bremer. Auch eine Anklage „wäre denkbar“ gewesen, indes hätte auch das Amtsgericht einer Einstellung gegen eine Geldbuße zugestimmt.
„Beschämend und absurd“
Die ohne Information der Öffentlichkeit erfolgte Einstellung der Ermittlungen gegen die Polizisten sei „beschämend für die Ermittlungsbehörden“, sagt Jürgen Sauren, Anwalt des CSD-Teilnehmers. Sein Mandant sei „durch drei Verfahren gequält worden“. Dass nun die gleiche Oberstaatsanwältin, die die Urteile des Amts- und des Landgerichts zugunsten des Angeklagten nicht akzeptiert habe, das Verfahren gegen die Polizisten stillschweigend einstelle, sei „absurd“. Auch den Hinweis, dass das öffentliche Interesse durch die Geldbuße aufgehoben worden sei, hält Sauren für „höchst unbefriedigend“. Die Staatsanwaltschaft habe „sehr genau gewusst, dass es ein großes öffentliches Interesse an dem Fall gab“. Auch das NRW-Justizministerium sei regelmäßig über die Prozesse und ihren Verlauf unterrichtet worden.
„Man hätte zumindest die Auflage erteilen können, die Geldbuße an meinen Mandanten zu zahlen oder einen Täter-Opfer-Ausgleich anzustreben.“ So aber entstehe der Eindruck, „dass hier nicht mit gleichem Maß gemessen wurde“.
Günter Wallraff sagt, es dränge sich der Eindruck auf, „dass es der Oberstaatsanwältin gar nicht um Aufklärung möglicher schwerer Straftaten von Polizeibeamten ging“. Die Einstellung des Verfahrens bedeute eine „voreilige Rehabilitierung der eigentlichen Täter. Das ist der Skandal hinter dem Skandal". Dieselben Polizisten, die den CSD-Teilnehmer mit Schlägen traktiert hätten, „haben auch eine kritische Polizeischülerin, die die rabiaten und unangemessenen Methoden der beiden Beamten gesehen und mutigerweise bezeugt hatte, für nicht diensttauglich befunden“. Die Frau, die auch vor Gericht ausgesagt hatte, ist inzwischen als Polizeibeamtin vereidigt worden.
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Die NRW-SPD fordert Innenminister Herbert Reul dazu auf, im Innenausschuss offenzulegen, welche dienstrechtlichen Schritte gegen die beschuldigten Polizisten eingeleitet worden seien - und ob er die Einschätzung teile, dass kein öffentliches Interesse an dem Fall bestanden habe.
Sven W. hat unterdessen das Land Nordrhein-Westfalen auf Schadensersatz verklagt. Der Anwalt des Landes hat bereits geantwortet: Er hält die Forderung für unangemessen – W. habe durch seine gewonnenen Prozesse bereits ausreichend Genugtuung erfahren. Zufrieden gewesen wäre sein Mandant, wenn die Staatsanwaltschaft „spätestens vor dem Landgericht dem Vorschlag einer Einstellung des Verfahrens zugestimmt hätte“, sagt Sauren. „Dann wäre ihm viel Leid erspart geblieben.“