Abschiebungen, Islamismus, Meinungsfreiheit: Bei einer Debatte über innenpolitische Reizthemen stellte sich Nancy Faeser den Fragen der Kölner Studierenden.
Nancy Faeser zu Gast an der Uni Köln„Wir müssen denen, die keinen Schutz brauchen, sagen: Ihr dürft nicht zu uns kommen“
Es dauert nicht lange, bis die Diskussion mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in Hörsaal II der Universität zu Köln emotional wird. Eine Frau, die sich als afghanische Studentin vorstellt, fragt Faeser: „Wie kann es sein, dass Deutschland Straftäter nach Afghanistan abschieben will, anstatt sie hier ins Gefängnis zu stecken?“ Sie selbst sei wegen der Taliban aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet. „Auf der einen Seite verurteilen Sie die Taliban. Auf der anderen Seite wollen Sie ihnen Geld für diese Abschiebungen bezahlen. Aber für diese Abschiebungen zahlen Sie nicht nur mit Geld, sondern auch mit Selbstachtung und Glaubwürdigkeit.“ Der volle Hörsaal applaudiert lautstark.
Es ist eine von vielen Fragen an Faeser, die zeigen, wie breit die Palette an innenpolitischen Reizthemen aktuell ist: die Migrationspolitik und der Ruf nach mehr Abschiebungen, islamistischer Extremismus, der pro-palästinensische Protest an den Universitäten und auf den Straßen – alles Themen, mit denen Faser am Montag von Kölner Studierenden in der Reihe „Kölner Gespräche zu Recht und Staat“ konfrontiert wurde.
Faeser zu Abschiebungen: Kommunen und Städten sind überfordert
Auf die Frage, oder vielmehr den Vorwurf der afghanischen Studentin, gab Faeser, die aufgrund einer Verletzung am Bein auf Krücken in Köln auftrat, eine moralisch aufgeladene Antwort: „Ich stehe Menschen gegenüber, die ihre Kinder durch islamistische Attentate verloren haben.“ Diese könnten nicht verstehen, wenn islamistische Gefährder oder straffällige Täter sich weiterhin im Land befinden. „Es ist eine ganz kleine Gruppe, aber wir dürfen nicht akzeptieren, dass sie sich in unserem Land aufhalten können.“ Mit den Taliban wolle sie trotzdem nicht verhandeln. „Unser Ansatz ist es, die Abschiebungen über Nachbarstaaten zu organisieren.“
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Ein anderer Student fragte, ob sich die Bundesregierung mit einer immer restriktiveren Migrationspolitik nicht von der AfD treiben lassen würde: „Glauben Sie wirklich, dass Sie damit AfD-Wähler wiedergewinnen können?“ Faeser bestritt, der AfD nacheifern zu wollen, sagte allerdings: „Unsere Städte und Gemeinden schaffen es nicht mehr, Geflüchtete gut unterzubringen. Auch die Integration in Kitas und Schulen funktioniert nicht mehr. Um den wirklich Schutzbedürftigen Schutz gewähren zu können, müssen wir handlungsfähiger werden und denen, die keinen Schutz brauchen, sagen: Ihr dürft nicht zu uns kommen.“ Der Forderung von CSU-Politiker Alexander Dobrindt, ukrainische Geflüchtete abzuschieben, die keine Arbeit aufnehmen, erteilte Faeser gleichzeitig eine Absage: „Das wäre grob rechtswidrig und durch nichts zu rechtfertigen.“
Faeser beteuerte mehrmals, dass ihr Ministerium trotz anders lautender Kritik die Meinungsfreiheit nicht einschränke: „Es gibt großes Interesse, vor allem von Rechtsaußen, mir das zu unterstellen. Aber aus meiner Sicht hat sich nichts geändert.“ Doch damit konnte sie nicht jeden der Studierenden überzeugen. Einer machte darauf aufmerksam, dass Faeser die pro-palästinensische Parole „From river to the sea, Palastine will be free“ schon im November 2023 verboten hat.
Das Landgericht Mannheim ist mittlerweile allerdings zu dem Schluss gekommen, dass die Parole nicht verfassungsfeindlich ist. „Das Thema ist noch längst nicht durch und wird weiter von Gerichten geprüft“, sagte Faeser. Aus ihrer Sicht stelle die Parole das Existenzrecht Israels infrage. Trotz der zum Teil hitzig geführten Debatte verabschiedeten die Kölner Studierenden Faser nach einer Stunde mit Applaus.