Köln – Für die Anwohner ist es fast schon Alltag, dabei bleibt es immer noch ein einzigartiges Projekt: Je nach Auftragslage fahren an einem Tag bis zu 25 Güterzüge durch das neue Wohnhaus an der Aachener Straße. Es gibt keinen verlässlichen Fahrplan – und so steht mancher Autofahrer staunend vor der geschlossenen Schranke in Braunsfeld, wenn plötzlich ein Güterzug aus einem scheinbar ganz normalen Haus herausfährt.
Mit dem Bauprojekt „Clarenbachplatz“ haben die Kölner Unternehmen Friedrich Wassermann und WvM Immobilien Pionierarbeit geleistet. Über einer Länge von rund 160 Metern sind Eisenbahngleise überbaut worden. Ein denkmalgeschütztes altes Stellwerkhäuschen wurde in den Neubau integriert. Früher fuhr hier die „Klüttenbahn“ der Köln-Frechen-Benzelrather Eisenbahn. Heute transportiert die städtische Logistikfirma HGK ihre Waren.
Vergleichbares gibt es in ganz Deutschland nicht
Am ehemaligen Braunsfelder Bahnhof sind drei Häuser mit 67 Wohnungen und knapp 550 Quadratmeter Gewerbefläche über und neben einer Güterzugtrasse gebaut worden. Vergleichbares gibt es in ganz Deutschland nicht. Und auch im weltweiten Maßstab ist das Kölner Projekt etwas Außergewöhnliches.
Die Bauarbeiten sind gut vorangekommen. Innen sei alles fertig, so Wassermann-Chef Anton Bausinger. Bei der Fassade sei es wegen eines Lieferproblems zu Verzögerungen gekommen. Anfang Mai soll eine offizielle Einweihung gefeiert werden. Schon die Vorarbeiten waren aufwendig: Vor der Genehmigung des Projekts mussten zahlreiche Fachbehörden und Gutachter beteiligt werden. Wer Menschen über fahrenden Güterzügen – zum Teil mit entzündlichem Gefahrgut - wohnen lassen will, muss hohe Anforderungen an den Schall- und Brandschutz erfüllen. Bei der Grundsteinlegung lobte NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach den Mut, etwas Neues auszuprobieren. „Was hier als Modellprojekt startet, kann zur Regel werden.“ Bebaubare Flächen in Städten sind knapp. Da würde es ganz neue Möglichkeiten eröffnen, wenn man in großem Stil damit beginnen könnte, Verkehrsflächen zu überbauen. Ideen dazu gibt es bereits einige.
Als die ersten Pläne für Braunsfeld bekannt wurden, hatte es auch Proteste gegeben. Die Kritiker hätten dazu beigetragen, dass Verbesserungen umgesetzt worden seien, so Bausinger. Nicht gelungen ist, hier auch preiswertes Wohnen zu ermöglichen. Die Investoren begründen dies mit den hohen Kosten für das Bauprojekt. WvM Immobilien ruft nun Quadratmeterpreise von rund 5300 Euro auf. Das sogenannte kooperative Baulandmodell, das Investoren dazu verpflichtet, 30 Prozent für den sozialen Wohnungsbau auszuweisen, war bei der Planung des Neubaus noch nicht in Kraft.
Überbauung verbessert Lärmschutz
Allerdings verspricht das Projekt andere soziale Effekte, von denen auch die profitieren, die sich hier keine Wohnung leisten können. Das Viertel bekommt einen neuen öffentlichen Platz, dazu eine Spielfläche mit Bouleplatz, Tischtennisplatte und Slackline sowie eine neue Rad- und Fußwegverbindung nach Ehrenfeld. Ein weiterer Effekt ist bereits jetzt spür- beziehungsweise hörbar: Die Lärmbelastung durch die Züge hat in der unmittelbaren Umgebung abgenommen.