Niehl – Wird die Stadt, trotz per Ratsbeschluss festgestelltem Klimanotstand und einer auf dem Spiel stehenden reichhaltigen Tier- und Pflanzenwelt, ein knapp fünf Hektar großes Biotop versiegeln lassen, um dort einen Parkplatz für Lastwagen zu ermöglichen? Es geht um den sehr naturnah angelegten Golfplatz des SV Blau-Weiß-Rot, dem früheren Esso-Betriebssportverein, an der Ecke Neusser Landstraße / Geestemünder Straße, ein verstecktes Idyll mitten im Industriegebiet. Am heutigen Donnerstag tritt der Ausschuss zusammen; ob dann schon ein Beschluss fällt, ist ungewiss.
Riesiger Lkw-Parkplatz geplant
Die 200 Vereinsmitglieder jedenfalls wollen einer Versiegelung nicht tatenlos zusehen. „Notfalls ketten wir uns an die Bäume“, unterstreichen Rolf Fehr und Bernhard Stoinski beim Gespräch. „Wofür hat der Stadtrat eigentlich den Klimanotstand beschlossen, wenn man mehrere Hektar Natur einfach beseitigen will – und das für einen simplen Parkplatz!?“ Man applaudiere Hausbesitzern, die ein paar Quadratmeter Vorgartenfläche entsiegelten, und wolle gleichzeitig Zehntausende von Quadratmetern Naturfläche planieren, betonen sie kopfschüttelnd.
Seit Jahrzehnten spielt der Verein auf einem kleinen Teil des früheren Esso-Raffinerie-Areals, das seit 1991 im städtischen Eigentum ist. Auf dem einstigen Industriegelände hat sich über die Zeit eine in Köln sehr seltene Tier- und Pflanzenwelt entwickelt. Die Teiche mit ihren Mittelinseln und dem Schilf am Ufersaum sind ein wichtiger Lebensraum und ein Rückzugsgebiet für Wildtiere und Seevögel. Das komplette Gelände weist üppigen Baum- und Buschbestand auf. Die sechs Spielbahnen fügen sich harmonisch ins Gesamt-Ensemble ein. Die Vereinsmitglieder kümmern sich um die Pflege des Platzes und den Erhalt der Naturlandschaft. An den Golfplatz anschließend sind die übrigen Vereinsanlagen, die sich im Gegensatz zu diesem auf Esso-eigenem Gelände befinden, unter anderem mit Sporthalle für Turnen, Badminton, Tischtennis, Gymnastik und Volleyball, Tennisplätze, einem Naturrasen-Fußballplatz und dem nicht minder idyllischen Angler-See.
Die Fläche des Golfplatzes, das auch planungstechnisch als Industriegebiet ausgewiesen ist, beansprucht die Spedition Ekol, die nebenan bereits ein Gelände besitzt und dort eine große Logistikhalle hochgezogen hat. Abstellplätze für Lastwagen sind chronisch knapp; die bestehende Betriebshof-Fläche der Firma im Zentrum von Weidenpesch auf dem früheren Harzheim-Areal wurde zum Jahresende gekündigt – was den Bedarf ab nächstem Jahr noch erhöht. Die Lastwagen der Spedition stehen schon jetzt unter anderem am Militärring und weiteren Straßen im Umkreis geparkt.
Die Bezirksvertretung Nippes hatte im Frühjahr den einstimmigen Auftrag an Rat und Verwaltung beschlossen, das Biotop zu erhalten und das Gelände nicht zu veräußern. Das Liegenschaftsamt jedoch hält an den Plänen fest. „Die Vermarktung der Fläche ist unumgänglich, um sie der im Bebauungsplan dokumentierten stadtentwicklungspolitischen Zweckbestimmung als Industriegebiet zuzuführen“, hieß es in einer Stellungnahme an die Bündnis 90/Grünen-Bezirksfraktion. Derartige Freiflächen, die unbeschränkte Industrietätigkeit zuließen, gebe es nur noch wenige in Köln. Der Verkauf bedeute Arbeits- und Ausbildungsplätze sowie Gewerbesteuer-Einnahmen.
Verkaufe man die Fläche nicht, halte man es für möglich, dass die Spedition aus Köln abwandere. „Dass man ein Logistik-Unternehmen angesiedelt hat, ohne sich um genügend Lkw-Parkplätze zu kümmern, ist ein Planungsversagen“, findet dagegen Fehr. Außerdem sei der Schwerverkehr im Kölner Norden schon jetzt an der Belastungsgrenze, nicht zuletzt durch die für Lastwagen gesperrte Leverkusener Brücke. „Und jetzt will man sich wirklich noch mehr Lkw ins Stadtgebiet holen?“ Stoinski verwies auf den drohenden Verlust für die Biodiversität. „Um so ein Biotop wiederherzustellen, braucht es Jahrzehnte. Zudem ist unser Gelände in West-Ost-Richtung ausgerichtet und fungiert als Frischluft-Korridor.“
Viele Ratsmitglieder sind für Erhalt
Hoffnung gibt den Vereinsmitgliedern, dass es in Gesprächen mit den Ratsfraktionen zahlreiche Stimmen für den Erhalt des Biotops gab. Zudem hoffe man, bei persönlichen Besichtigungen und Rundgängen mit den Entscheidungsträgern den Wert der Naturanlage vermitteln zu können. Zudem hoffen Fehr und Stoinski, dass sich auf dem Gelände von Ford eine Alternative für die Lastwagen finden lasse. „Große Teile des dortigen Geländes sind ungenutzt, gerade am Wochenende. Da könnte man die Lastwagen spielend unterbringen.“