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Kritik an Stadtverwaltung aus Nippes„Da muss man doch keine neun Jahre nachdenken“

Lesezeit 6 Minuten

Bernd Schößler in seinem Büro im Nippeser Bezirksrathaus

  1. Der Nippeser Bürgermeister Bernd Schößler ärgert sich über zu langsam umgesetzte Beschlüsse bei der Kölner Stadtverwaltung und über fehlendes Vertrauen in die Bezirksarbeit - Als Mitglied der "Appelsinefunke" freut er sich auf den...

Köln-NippesHerr Schößler, momentan sind die Kompetenzen der Stadtbezirke wieder großes Thema. Beim Besuch des neuen Stadtdirektors Stephan Keller in der Zoo-Sommersitzung der Bezirksvertretung Nippes klang es so, als hätte er dort ankündigt, Aufgaben wie Grünflächenpflege, Sauberkeit und den Ordnungsdienst stärker in die Bezirke zu verlegen. Laut der Nachrichten aus den vergangenen Wochen scheint nun aber das genaue Gegenteil anzustehen. Sind Sie ebenfalls überrascht?

Ja, er hatte zwar nicht zugesagt, dass alles so kommt, wie er sagt, aber es wirkte fast so. Ich hatte auch den Eindruck gewonnen, dass ihn die bezirkliche Kultur beeindruckt hat. Der Eindruck hat getäuscht - er scheint ein Anhänger einer zentralen Verwaltung zu sein, und das passt einfach nicht zu Köln. Fast jeder Bezirk hat hier mehr als 100 000 Einwohner, das sind alles Großstädte. Sein Vertrauen in die Menschen vor Ort, dass sie sich mit ihren Bezirken identifizieren und dafür arbeiten, scheint bei ihm nicht besonders ausgeprägt zu sein. Er vertritt, in meiner Wahrnehmung, das Gegenteil, wofür unsere Oberbürgermeisterin steht.

Ihre Kollegen, Andreas Hupke (Innenstadt), Helga Blömer-Frerker (Lindenthal) und Josef Wirges (Ehrenfeld) überlegen bereits laut, ihr Klage-Vorhaben gegen eine Zentralisierung der Kompetenzen wieder aufzunehmen. Würde Nippes sich einer Klage anschließen?

Es würde schwer: Gegen die Organisationshoheit des Stadtdirektors kann man mit einer Klage nicht angehen. Man kann ihn nur überzeugen, was aber misslungen ist. Ich habe durch meine langjährige Amtszeit schon 2003 eine erste Zentralisierungswelle mitbekommen, und ich fürchte, dass die Mitarbeiter enttäuscht sein könnten. Der Respekt und die Würdigung für das, was vor Ort geleistet wurde, scheint bedeutend geringer ausgeprägt, als wir in den Bezirken uns das erhofft haben.

Konkret liegt der Bezirk Nippes auch beim Thema Gürtelausbau im Clinch mit dem Rat. Fürs Erste ist nun der endgültige Entscheid vertagt, nachdem die Bezirksvertretung Nippes ihre Kompetenz reklamierte.

Die Sache ist: Die Ratsleute glauben, ein Gürtelausbau ist ihre Zuständigkeit. Und wir glauben - oder sind vielmehr überzeugt und können es belegen - dass es die unsere ist. Das sagt Paragraf 2 der neuen Kölner Zuständigkeitsordnung ganz klar. Denn Planung und Bau gehen nun mal nicht wesentlich über den Bezirk hinaus. Insbesondere durch die Neufassung, mit der Aufhebung der Wert-Obergrenze, ab wann der Rat zu entscheiden hat, handelt es sich ganz klar um unser Thema. Eine Bürgerbeteiligung im weiteren Verfahren wäre aber grundsätzlich in unserem Sinne.

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Was hat Sie im abgelaufenen Jahr positiv berührt?

Abgesehen von allem Streit und den aktuellen Fragen dazu, hat der Rat einstimmig eine Änderung der Zuständigkeitsordnung beschlossen, die die Bezirke stärkt - das hat mich sehr gefreut. Die neuen Regeln sind nur noch nicht überall angekommen, und es wird noch nicht danach gehandelt. Und es freut mich, dass Schul- und Vereinssport nach der Räumung der Turnhallen wieder überall normal funktionieren. Auch sonst gibt es Schönes zu berichten: Was ich gut finde ist, dass der Kölner Rennverein sich mit seinem neuen Geschäftsführer gut aufstellt. Auch der Zoo entwickelt sich weiter; und bei den Gewächshäusern der Flora geht es etwas voran. Was ich auch nicht verhehlen will ist, dass in der Bezirksvertretung Nippes nach wie vor ein konstruktives und harmonisches Klima herrscht - trotz aller inhaltlichen Differenzen. Wir haben mit Ralf Mayer auch einen außergewöhnlich guten und engagierten Bürgeramtsleiter. Und die Jugendhilfe-Planung läuft richtig rund und bezirksorientiert. Ebenso ist es bei den Planungen für neue Spielplätze, mit Einbindung von Kindern und Eltern. Wie es da läuft, ist genau der richtige Weg.

Und was finden Sie weniger gut?

Etwas, das sehr wenig zufriedenstellend ist, ist die langsame Umsetzung unserer Beschlüsse. Das Amt für Straßen und Verkehrstechnik führt - lobenswerterweise - eine Liste über all unsere Beschlüsse rund um Verkehrsthemen. Der aktuelle Stand: Von 131 Maßnahmen in elf Jahren, die wir beschlossen haben, sind gerade mal 28 erledigt - und 13 noch nicht mal begonnen. Die Erfolgsquote kann man sich ausrechnen: Im Prinzip könnten wir nach unserer zweiten Sitzung in der Wahlperiode aufhören zu beschließen, denn mehr scheint sowieso nicht zu gehen. Doch es hängen nicht nur große Beschlüsse fest, sondern auch Kleinigkeiten - wie der geforderte Radweg parallel zur Scheibenstraße. Da muss man doch keine neun Jahre drüber nachdenken! Und eine andere Sache, die mich ärgert: Von Seiten des Ordnungsamtes ein zweites Festwochenende auf der Neusser Straße zu genehmigen, ohne jemals mit der Bezirksvertretung darüber geredet zu haben.

Ebenfalls ein Ärgernis ist die Bauverzögerung für die Carl-von-Ossietzky-Gesamtschule, die Mitte Dezember bekannt wurde ...

Das hat mich ebenfalls sehr geärgert - und ich könnte mir auch vorstellen, dass die erneute Verzögerung schon am Tag unserer Bezirksvertretungs-Sitzung bekannt war. Da waren viele Schüler, Eltern und Lehrer bei uns zu Gast. Wir sind sehr gut mit ihnen umgegangen und müssen dann ein paar Tage später feststellen, dass wieder der Wurm drin ist. Nun ist für die Schule der „Worst Case“ eingetreten. Ich bin durchaus der Meinung, dass eine intensivere Bauüberwachung - sei es durch die Stadt selbst oder Externe - für Abhilfe sorgen könnte. Es wird ja sicher nicht nur um eine falsch montierte Steckdose gegangen sein, dass man Baufirmen gekündigt hat! Je länger man wartet, desto schwieriger wird es dann für die übrigen Firmen. Letztendlich geht es bei allem ums Vertrauen der Bürger ins System: Dass man verlässlich sagen kann, bis dann und dann ist eine Sache fertig. Und ganz offensichtlich ein Systemmangel ist, dass die Schulgrundstücke am Nippeser Bad und an der Schmiedegasse bisher ungenutzt sind. Alle suchen in Köln Grundstücke für Schulen, und wir haben sie - aber man macht bisher nichts daraus.

Was mit Spannung erwartet werden dürfte ist, wie es auf dem Clouth-Gelände weitergeht. Dort wächst das neue Stadtviertel ja rasant.

Ich hoffe allerdings, dass wir die Bedürfnisse der Nippeser Neubürger erfüllen können - was Kita- und Schulplätze, Einkaufen, Freizeit und alles weitere betrifft. Auf dem Clouth-Gelände wurde schon recht dicht bebaut. Und wenn die alle morgens arbeiten fahren, wird es schon eng auf den umliegenden Straßen. Auch da ist die Stadt in der Bringschuld, die Planungen umzusetzen - wir haben etwa Kreisel gefordert, die etwas Entspannung bringen können.

Worauf freuen Sie sich in diesem Jahr besonders?

Das ist eine richtig tolle Karnevalssession, ich freue mich auf den Rosenmontags- und auch unseren Nippeser Dienstagszoch! Und ganz klar auf das Dreigestirn der Nippeser Bürgerwehr - auch als Mitglied der "Appelsinefunke".

Zur Person

Bernd Schößler (SPD) ist

seit der Kommunalwahl 1999 Nippeser Bezirksbürgermeister; seit jenem Jahr ist er auch im Stadtteilparlament vertreten. Das macht ihn zum am drittlängsten amtierenden Bezirks-Chef Kölns - nach Norbert Fuchs (Mülheim) und Josef Wirges (Ehrenfeld).

Der 62-Jährige wurde in Köln

geboren, wuchs in Riehl auf, machte am heutigen Leonardo-da-Vinci-Gymnasium an der Blücherstraße sein Abitur und lebt mit seiner Familie in Alt-Niehl. Bis 2011 leitete er 16 Jahre lang die Kölner Taxiruf-Genossenschaft; heute ist er bei der KVB beschäftigt. (bes)