Köln – Nach mehreren Verhandlungsrunden war klar: Es wird neue Regeln für Miet-E-Scooter in Köln geben. Nach immer neuen Unfällen von betrunkenen Fahrerinnen und Fahrern, wild auf Fußwegen verteilten und in Zerstörungswut in den Rhein und anderen Gewässer geschmissen Gefährten, hatten sich Stadtverwaltung und Verleiher auf eine ganze Reihe von Einschränkungen geeinigt.
Die Rede war unter anderem von Abstellverboten entlang den ganzen Rheins über Ausweisung neuer Abstellzonen, bis hin zu zeitweisen Verleihverboten an Wochenenden am Zülpicher Platz und im Belgischen Viertel. Dabei ging die Stadt den einen oder anderen Kompromiss ein und kam den Verleihern mitunter entgegen. Doch womöglich hätte die Stadt die bisweilen mühsamen Gespräche gar nicht erst führen müssen. Sie hätte ihre Vorstellungen einfach verfügen können. Indem sie für die Scooter eine „Sondernutzung“ feststellt.
Unerfüllte Wünsche
Bei den Gesprächen von Stadt und Verleihern hatten sich die beiden Parteien etwa darauf verständigt, die Zahl der Roller in der Innenstadt von mehr als 7000 auf rund 4500 zu verringern. Die Stadt aber wollte eine Reduzierung in der Innenstadt um 50 Prozent erreichen. Nachdem die Verleiher zu verstehen gaben, dass das im einträglichen Innenstadtbereich „wirtschaftlich nicht darstellbar“ sei, rückte die Stadt von ihrer Forderung ab.
Oberbürgermeisterin Henriette Reker wollte zudem ein nächtliches Fahrverbot für die Roller, um die Trunkenheitsfahrten einzudämmen. Auch dieser Wunsch blieb unerfüllt. Derweil hat die norwegische Hauptstadt Oslo gerade aus ebenjenem Grund ein ebensolches Nachtfahrverbot verhängt.
Die Stadt hatte in der Vergangenheit betont, dass sie mit den Verleihern zu einvernehmlichen Lösungen kommen müsse. Zudem habe sie keine rechtlichen Möglichkeiten, mit der Androhung eines Verbots mehr Druck auf die Vermieter auszuüben, hieß es. Doch das stimmt nicht ganz.
Das Prinzip der Sondernutzung
Hätte die Verwaltung für die Miet-E-Scooter eine Sondernutzung festgestellt, könnte sie Gebühren festlegen und Auflagen verhängen, die die Anbieter zahlen und erfüllen müssen, um eben jene Sondernutzung zu erhalten. Sollten sie sich nicht daran halten, kann die Stadt diese Lizenz kurzerhand entziehen und damit die Erlaubnis, E-Scooter am Straßenrand anbieten zu können. Die Verwaltung weiß um diese Möglichkeit, verzichtet aber bewusst darauf. „Die Stadt Köln geht bislang davon aus, dass E-Scooter einen Beitrag zur Verkehrswende leisten können. Deshalb ist aktuell nicht geplant, eine Sondernutzungssatzung zu erlassen“, teilt die Verwaltung weiter mit und verweist auf die bislang getroffenen Übereinkünfte mit den Roller-Verleihern.
„Mitte Oktober wird die Stadt bewerten, ob die Scooter-Anbieter und deren Nutzer die Vereinbarungen umgesetzt haben, ab dann wird ohnehin wegen der einsetzenden kalten Jahreszeit und damit sinkenden Nachfrage ein großer Teil der Flotte zurückgezogen“, kündigt das Presseamt an. Würden die Vereinbarungen nicht umgesetzt, werde in Absprache mit den Verleihern „nachjustiert“. Was genau das „nachjustieren“ bedeutet, ließ die Verwaltung offen.
Die Position der GrünenDas ist die Ausgangssituation für eine veritable Debatte der Kölner Parteien. „Die freiwilligen Zusagen der Verleihfirmen klingen gut, aber bei der Umsetzung sind die Anbieter bisher am längeren Hebel. Die Stadtverwaltung sollte den Einsatz von E-Scootern in Köln über eine Sondernutzungssatzung künftig verbindlich regeln“, regt Lars Wahlen, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Ratsfraktion an.
Die Sondernutzung solle etwa festschreiben, wie viele Scooter Verleihfirmen in Köln anbieten dürfen. „So können wir den Wildwuchs bei den Anbietern effektiv begrenzen, die Kölner Gewässer besser schützen und eine gleichmäßigere Verteilung der Roller auch jenseits der Innenstadt sicherstellen“, sagt Wahlen weiter.
Außerdem könne man auf diese Weise die Anbieter auch zu „mehr Nachhaltigkeit verpflichten“, etwa durch den Einsatz von ausschließlich „modularen, leicht recycelbare E-Scootern.“
Das sagt die CDUVon Seiten der CDU ist zu hören: „Wir haben uns in Köln bisher für eine liberale Vorgehensweise entschieden. Die Entscheidung basierte auf der Annahme, dass Nutzer und Anbieter verantwortungsbewusst mit den E-Scootern umgehen. Das hat leider überhaupt nicht funktioniert“, weshalb Stadt und Verleiher strengere Regeln ausgearbeitet hätten, sagt CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau. Und: „Sollte dies nun nicht zu einer deutlich sichtbaren Verbesserung führen, werden wir auch in Köln den Weg einer Sondernutzung gehen müssen.“
Die Ansichten der SPDÄhnlich sieht es die SPD: „Durch Sondernutzungserlaubnisse kann der derzeitigen Wild-West-Situation endlich Einhalt geboten werden“, findet Christian Joisten, Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion. Über die Sondernutzung „sollte geregelt werden, dass E-Scooter nur noch in ausgewiesenen Abstellflächen geliehen und abgestellt werden können, eine gleichmäßigere Verteilung der E-Scooter über das Stadtgebiet geregelt wird und die Verleiher für die Bergung und Entsorgung zerstörter und weggeworfener E-Scooter zur Verantwortung gezogen werden“, sagt Joisten.
Die Argumente der LinkenDie Linken lassen verlauten: „Ein freiwilliger Verhaltenskodex reicht offenbar nicht“, stellt Güldane Tokyürek, Fraktionschefin der Linken, fest. Eine Sondernutzung sei eine gute Möglichkeit, die Anzahl der Scooter zu verringern, damit weniger von ihnen auf den Bürgersteigen zu Stolperfallen werden.
Das könnte Sie auch interessieren:
FDP will weiter beobachtenFDP-Fraktionschef Ralph Sterck rät dazu, die Entwicklung nach Verhängung der ausgehandelten Regelungen zu beobachten. Sollten die Vereinbarungen nicht zum erwünschten Effekt kommen und weiterhin etwa E-Scooter wild auf Fuß- und Radwegen herumliegen, müsse die Stadt „die Schrauben anziehen.“
Düsseldorf hat SondernutzungDerweil hat die Düsseldorf eine solche Sondernutzung für E-Scooter bereits erlassen. Sie regelt, dass die Betreiber jährlich eine Gebühr von 20 Euro für jeden ihrer Scooter zahlen müssen. „In der Sondernutzungserlaubnis ist in den Auflagen und Bedingungen klar definiert, dass E-Scooter nicht in Parkanlagen sowie Naturschutzgebieten abgestellt werden dürfen und natürlich auch nicht in Gewässern versenkt werden dürfen“, teilt die Stadt Düsseldorf weiter mit.