Köln – Mit einem Filmchen fürs Internet hat Henriette Reker am Donnerstag das Warten auf die Entscheidung, ob sie noch einmal antritt, beendet. Bereits um sieben Uhr morgens hatte das „Team Reker“ die sozialen Medien im Netz bedient: Zu pathetischer Musik präsentiert sich die Oberbürgermeisterin als „Expertin für Köln“, professionell inszeniert und aufwendig geschnitten. Reker sitzt etwas verloren allein an einem Brauhaustisch mit Blick auf den Dom und spricht über die Zukunft einer „Stadt mit Geschichte und Charakter“ mit „vielen Stärken“. Es gehe darum, das Wachstum „nachhaltig und gut zu gestalten“. Und weiter: „Ich bitte die Kölnerinnen und Kölner um ihr Vertrauen für weitere fünf Jahre.“
Die Kommunikation übers Internet ist nicht ohne Risiko. Bis Mittag haben über hundert Menschen einen negativen Kommentar unter den Film gesetzt. Die Unterstützer sind klar in der Unterzahl. „Würden Sie sich selber noch einmal wählen?“, fragt eine Frau und gibt die Antwort selbst. „Ich denke nicht.“ Der Wahlkampf für die Oberbürgermeister-Wahl 2020 hat begonnen, obwohl es bislang keinen einzigen Gegenkandidaten gibt. Das „Team Reker“, das für sie vor vier Jahren den Wahlkampf organisiert hat, ist wieder im Dienst.
Für 10 Uhr haben die Reker-Unterstützer zu einer Pressekonferenz an einen dafür ungewöhnlichen Ort eingeladen. Man trifft sich im achten Stock eines schlichten Bürohauses an der Zoobrücke. Im „Cologne Game Haus“ an der Deutz-Mülheimer Straße haben sich junge Unternehmen angesiedelt. Sie sei eng mit dem Ort verbunden, sagt die Oberbürgermeisterin, weil sie sich für diesen Platz für Start-ups eingesetzt habe. Köln ziehe „Entwickler mit innovativen Ideen“ an.
Nicht im Rathaus erläutert Reker die Gründe für ihre erneute Kandidatur, nicht das städtische Presseamt steht ihr heute zur Seite. Die Dinge sollen sauber getrennt sein. Die Oberbürgermeisterin ist hier als Privatperson. Für den Raum muss das „Team Reker“ Miete zahlen. Dass sich Messechef Gerald Böse als Hausherr mit seinem Finanzchef und dem Pressesprecher der Messe unters Publikum mischt, um seiner Aufsichtsratsvorsitzenden zuzuhören, war nicht geplant und sorgt für Verärgerung in Rekers Umfeld.
Reker wirkt entschlossen, aber auch angespannt
Die 62-jährige, parteilose Kandidatin liest eine vorbereitete, knapp zehnminütige Rede vor. Sie wirkt entschlossen, aber auch angespannt. Nach „reiflichen Überlegungen“ habe sie entschieden, noch einmal anzutreten, sagt sie. „Es ist noch viel für diese Stadt zu tun. Eine Amtszeit reicht nicht aus, um das umzusetzen, was ich mir bei meinem Amtsantritt vor vier Jahren vorgenommen habe.“
Die „Mobilitätswende“ habe „Fahrt aufgenommen“, „wir tun mehr für Klima und Umwelt“, beim Wohnungsbau habe man eine „Trendwende“ erreicht und „der Ausbau und die Modernisierung unserer Schulen hat endlich die Priorität, die es braucht“. Alles bleibt ziemlich vage, manches unbelegt.
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Die Verwaltung werde nach und nach zu „einer modernen Dienstleisterin für die Stadtgesellschaft, zu einer geschätzten Partnerin der ehrenamtlichen Politik und zu einer attraktiven Arbeitgeberin“. Und weiter: „Unsere Metropole wird moderner, gerechter, bunter, noch liebenswerter, sicherer und stärker.“ Die Kölner sollen spüren, dass sich die Stadt verändert, „zugunsten der Menschen“. Ein detaillierteres politisches Programm gibt es heute nicht. Bis zur Kommunalwahl in über zwölf Monaten sei ja noch ein bisschen Zeit. Sie werde „Leitlinien“veröffentlichen, „wenn die Parteien ihre Beratungen abgeschlossen haben“.
Bei der Wahl setzt Reker auf die Unterstützung von CDU und Grünen. Dass sie bei Parteitagen am 21. September den Empfehlungen ihrer Vorstände folgen, gilt als recht sicher. Reker lobt das Bündnis, spricht von „guten inhaltlichen Schnittmengen“, einem „guten Draht zueinander“ und dem Ausbau persönlicher Beziehungen. Die FDP ist nicht mehr mit im Boot. Ein außerordentlicher Parteitag hat eine entsprechende Empfehlung des FDP-Vorstandes am Mittwochabend angenommen. Auch die „Freien Wähler“, die 2015 noch mitgemacht haben, sind auf Distanz gegangen.
Keine Vorentscheidung für ein Ratsbündnis
Dass ihr Unterstützerbündnis kleiner wurde, ist für Reker am Donnerstag kein Thema. Im Gegenteil: Die Zusammenarbeit von und mit CDU und Grünen ist in ihren Augen nicht nur eine Zweckgemeinschaft oder ein normales Bündnis, wie es allerorten geschmiedet wird. „In einer Zeit, wo Egoismus, Intoleranz und Ausgrenzung immer breiteren Raum bei politischen Entscheidungen einzunehmen scheinen“, sei der Konsens, auf den sich die Parteien verständigt hätten, „auch eine wichtige Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt: Wir ziehen an einem Strang.“ Das klingt nach vorgezogenen Koalitionsverhandlungen für den nächsten Stadtrat.
Als Reker nach ihrer Rede gefragt wird, ob man diese Worte als Vorentscheidung für die Fortsetzung eines schwarz-grünen Ratsbündnisses sehen kann, ist sie vorsichtiger: Mehrheiten könnten sich ändern. Vielleicht sei es für die Bürger sogar besser, wenn nicht „eine feste Koalition durchregieren“ könne.
Die SPD kommentiert Rekers Ankündigungen erwartungsgemäß mit Kritik. „Die von Frau Reker angebotenen »Weiter so«-Parolen helfen den Menschen nicht, sondern schieben die Probleme nur auf die lange Bank“, so Parteichefin Christiane Jäger und Fraktionschef Christian Joisten. „Dieser Politik des Stillstandes werden wir weiterhin eigene Ideen entgegensetzen.“ Nach einer Kandidatin oder einen Kandidaten dafür wird bei den Sozialdemokraten weiter verzweifelt gesucht.
Die AfD meint, dass sich „Reker warm anziehen“ solle. Die Rechtspopulisten kündigen „klare Alternativen“ an.