Köln – Künftig sollen die Schulen in Nordrhein-Westfalen in eigener Verantwortung darüber entscheiden können, ob und in welchem Umfang zeitweise in den Distanzunterricht gewechselt wird. So sieht es die neue „Distanzunterrichtsverordnung“ vor, die Schulministerin Dorothee Feller (CDU) erstellt hat.
Demnach sollen die Schulleitungen nach Einschätzung der Lage vor Ort darüber beschließen und anschließend die Eltern und die Schulaufsichtsbehörde darüber informieren. Voraussetzung für die Entscheidung ist, dass wegen der epidemischen Lage vor Ort – etwa nach einem Großausbruch an einer Schule oder dem Ausfall eines größeren Teils des Kollegiums – Unterricht in Präsenz nicht oder eben nur eingeschränkt erteilt werden kann.
Angesichts der künftig vermehrt erwarteten Extremwetterlagen werden auch diese als Grund genannt, um zeitweise Distanzunterricht einzurichten. Die Verordnung ist derzeit in der Verbändeabstimmung, danach muss der Schulausschuss noch darüber entscheiden.
Ein Paradigmenwechsel
Die Verordnung bedeutet einen Paradigmenwechsel: Zu Beginn der Pandemie wurde Schulen selbst bei sehr hohen Infektionszahlen im Kollegium ministeriell untersagt, bis zur Beruhigung der Lage in den Distanzunterricht zu wechseln. Gleichzeitig gab es in der Eifel Schulen, die in einer anderen Phase der Pandemie in den angeordneten Distanzunterricht mussten, obwohl es dort keinen einzigen Coronafall gab. Jetzt setzt das Schulministerium auf mehr Eigenverantwortung.
„Ich glaube, dass Schulen ihre jeweilige Situation vor Ort am besten einschätzen können“, hatte Ministerin Feller im Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger ihre Linie begründet. Deshalb traue man den Schulen „grundsätzlich ein gesundes Maß an Eigenverantwortlichkeit“ zu. Die Schulen würden allerdings nicht allein gelassen. Bezirksregierung und Land stünden beratend zur Seite.
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Der schulpolitische Sprecher der SPD, Jochen Ott, begrüßte zwar den grundsätzlichen Ansatz zu mehr Eigenverantwortung der Schulen. Er sieht die Schulleitungen jedoch allein gelassen, weil in der Verordnung jegliche Art von Kriterien für die Entscheidung fehlten. Es brauche Leitplanken wie etwa einen Prozentsatz, wie hoch der Ausfall im Kollegium sein sollte, ehe der Schritt gegangen werde. Sonst gerieten Schulleitungen unter Rechtfertigungsdruck. „Letztlich trifft dann doch der Dezernent die Entscheidung.“ Außerdem kritisierte Ott, dass in der Verordnung festgelegt werde, dass der Distanzunterricht mit gleicher Stundenzahl und gleichem Anspruch an die Vermittlung des Stoffs durchgeführt werden soll wie der Präsenzunterricht. Hier entstehe für Schüler- wie Lehrerschaft ein unangemessener Druck in einer ohnehin schwierigen Situation.
Sorge vor dem Corona-Herbst
Der Corona-Herbst hänge „wie ein Damoklesschwert“ über den Schulen, beschreibt der Leiter des Deutzer Thusnelda-Gymnasiums, André Szymkowiak die Stimmung. Die Sorge gilt vor allem größeren Ausfällen in den Kollegien, die die Unterrichtsversorgung gefährden könnten.
Um so mehr freut man an den Kölner Schulen daher derzeit über ein ersehnte Normalität: Seit drei Wochen läuft das neue Schuljahr. Und erstmals seit vielen Monaten ist der Schulalltag für die 150.000 Kölner Schülerinnen und Schüler wieder so wie vor der Corona-Pandemie: Kein Selbsttest-Marathon vor Unterrichtsbeginn und Unterricht ohne Maske. Und die Chance, das Virus in der Schule einfach mal zu vergessen. Es gab zwar für das neue Schuljahr die Empfehlung von Schulministerin Dorothee Feller (CDU), zumindest an den weiterführenden Schulen zum eigenen Schutz freiwillig im Unterricht eine Maske zu tragen.
„Alle genießen die sommerliche Normalität“
Doch in der Praxis sitzen – wie eine Umfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ in verschiedenen Schulen ergab – in den Klassen nur noch sehr vereinzelt Schülerinnen und Schüler mit Maske. An manchen Schulen sind es gar keine. Auch in den Lehrerkollegien tragen die Pädagogen nur noch vereinzelt Maske.
„Man hat das Gefühl, dass alle diese sommerliche Normalität sehr genießen“, sagt die Schulleiterin eines Gymnasiums aus dem Kölner Westen. Mit dem Weglassen spüre man sehr deutlich, wie anstrengend das Unterrichten mit Maske gewesen sei und wie sehr die fehlende Mimik Beziehungsqualität und auch Fremdsprachenlernen erschwert hätten. „Unser Beruf lebt vom Kontakt. Da merkt man eben gerade im Kontrast, dass die Maske trotz der hohen inhaltlichen Akzeptanz eher hinderlich ist“, bestätigt André Szymkowiak, Schulleiter des Thusnelda-Gymnasiums.
Zahl der Coronafälle steigt moderat
Mit Spannung war erwartet worden, wie sich der Wegfall der Masken angesichts der leicht übertragbaren BA5-Variante auf die Infektionszahlen nach den Ferien auswirken wird: In der Tat sind die Infektionszahlen an den Schulen in der vergangenen Woche angestiegen: Von 879 am gut eine Woche nach Schulbeginn auf 1064 Ende letzter Woche. Aktuell meldet die Stadt Köln für diesen Dienstag allerdings parallel zum Bundestrend wieder einen Rückgang auf 919 positiv getestete Schülerinnen und Schüler. Bei den Kölner Lehrkräften sind derzeit 115 infiziert im Vergleich zu 98 vor einer Woche. Wobei die Zahlen aufgrund fehlender regelmäßiger Testungen nur eingeschränkt aussagekräftig sind und von einer nicht unerheblichen Dunkelziffer ausgegangen werden muss. Aber größere Cluster wurden nicht verzeichnet.
Das entspricht den Zahlen, die das Schulministerium von den NRW-Schulen zurückgemeldet bekommt: Dort wird für das gesamte Bundesland angegeben, dass derzeit 0,73 Prozent aller Schüler in NRW wegen einer Infektion nicht in der Schule sind. Das entspricht knapp 15.000 infizierten Schülerinnen und Schülern in NRW. Bei den Lehrern fehlen 1,5 Prozent aktuell wegen einer Infektion. Auch hier ist ein moderater Anstieg zu verzeichnen: In der vergangenen Woche waren es 0,65 beziehungsweise 1,45 Prozent.