Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat die Ermittlerinnen und Ermittler der Kriminalwache der Kölner Polizei in mehreren Spätschichten begleitet.
Kripo KölnAngriff auf dem Hochschul-Campus – Auf Spurensuche mit der K-Wache

Hauptkommissar Volker findet eine Daunenjacke mit Blut auf dem Campus der TH. Neben ihm Motorradpolizist Bergamo und Oberkommissarin Imke.
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- Für die dreiteilige Reportage-Serie „Tatort Köln - Auf Spurensuche mit der K-Wache“ hat der „Kölner Stadt-Anzeiger“ die Kripo an vier Tagen im März und April begleitet. Lesen Sie hier Folge 2
- Die Kriminalwache, kurz K-Wache oder auch Kriminaldauerdienst (KDD), ist der Bereitschaftsdienst der Kriminalpolizei Köln
- Die Teams der K-Wache sichern Spuren, machen Leichenschauen, vernehmen Zeugen und Tatverdächtige und durchsuchen Wohnungen
Fast 13 Kilometer Fahrstrecke liegen zwischen dem Polizeipräsidium in Kalk und der Bankfiliale an der Bonner Straße. Ohne Staus und unter Einhaltung des Tempolimits ist das in 16 Minuten zu schaffen, Volker und Imke brauchen an diesem Samstagmittag knapp acht. Volker hat ein mobiles Blaulicht auf das Dach des weinroten Zivilfahrzeugs gesetzt und ist mit eingeschalteter Sirene über die A4 und die Rodenkirchener Brücke ins Linksrheinische geeilt. Automatischer Einbruchmeldealarm.
Mehrere Streifenteams haben sich in der Nähe der Bank postiert und halten Ausschau nach möglichen Tätern in Fluchtfahrzeugen. Vor Ort stellt sich heraus: Fehlalarm, ein technischer Defekt. Aber Volker muss das Blaulicht nicht abschalten, mit „Sonder- und Wegerechten“ geht es für das Team der Kriminalwache gleich weiter zur Technischen Hochschule in Deutz: Auf dem Campus liegt ein Mann mit einer Stichwunde. Es ist 13.55 Uhr.

Auf dem Weg zum Tatort: Die Ermittler der K-Wache sind in zivilen Einsatzfahrzeugen unterwegs.
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Insgesamt 2253 Einsätze hat die Kölner K-Wache im abgelaufenen Jahr erledigt, fast die Hälfte und damit die meisten waren so genannte Leichensachen – ungeklärte Todesfälle, bei denen die Beamtinnen und Beamten ermitteln mussten, ob ein Fremdverschulden vorliegt. Das allerdings blieb eher die Ausnahme: Im Jahr 2024 zählte die Polizei Köln 36 Tötungsdelikte. Die zweithäufigsten Einsätze für die K-Wache waren Durchsuchungen, dann Sexualdelikte, Überfälle, Brände, Einbrüche und gefährliche Körperverletzungen.
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Köln: K-Wache ermittelt auf dem Campus der TH
Auf dem Campus der Technischen Hochschule wartet an diesem Samstagmittag Motorradpolizist Christian Berg, den alle nur Bergamo nennen. Bergamo steht vor einer Blutlache. Noch bis vor wenigen Minuten saß vor ihm ein Mann mit einer Stichwunde im Oberschenkel. Der Stich hat eine Arterie verletzt. Ein Notarzt hat den Mann erstversorgt, ein Rettungswagen brachte ihn ins Krankenhaus.
„Was haben wir hier?“, fragt Volker. Bergamo zieht die Schultern hoch. „Der Geschädigte meinte nur: familiäre Angelegenheit mit einem Cousin. Als ich den Namen des Täters wissen wollte, hat er gesagt: Geh mir nicht auf die Nerven.“ Vom mutmaßlichen Messerstecher fehlt jede Spur.

Motorradpolizist Bergamo bringt die Ermittler Volker und Imke auf den neuesten Stand.
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Auf einer Fußgängerbrücke, die zwei Gebäudeteile verbindet, finden Volker und Imke eine graue, vollgeblutete Daunenjacke, die dem Verletzten gehört. Aus der Innentasche zieht Volker ein DIN-A4-Blatt, es ist das Zertifikat eines absolvierten Anti-Gewalt-Trainings, ausgestellt auf das Opfer. Volker schüttelt den Kopf. „Es gibt Sachen, die kannst du dir nicht ausdenken.“
Die beiden Kriminalermittler fotografieren den Tatort und suchen in Mülleimern nach der Tatwaffe, sie wäre ein wichtiges Beweismittel – aber sie finden nichts. Volker verstaut die Jacke in einer braunen Papiertüte, sie kommt in die Asservatenkammer. Er ruft einen Zeugen an, der gesehen hatte, wie das Opfer hilferufend auf einer Fußgängerbrücke stand, dann blutend die Treppe hinabstieg und sich mit dem Rücken an den Blumenkübel lehnte. Der Mann hat bereits mit Bergamo gesprochen, kann aber auch nichts weiter zur Aufklärung beitragen. Den Täter hat er nicht gesehen.

Volker bei der Spurensicherung am Tatort auf dem Campus der TH.
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Als die beiden Ermittler gerade ins Krankenhaus aufbrechen wollen, um den Verletzten zu befragen, erfahren sie, dass er soeben in den OP geschoben wurde. Er wird überleben, aber aus der Vernehmung wird heute nichts mehr, das erledigen in ein paar Tagen die Kollegen aus dem Fachkommissariat.
Zurück im Polizeipräsidium trifft sich das Team der K-Wache im großen Besprechungsraum. Pause. Volker hat Pizza für alle geholt. Zwei Fälle vom Vortag werden noch einmal Thema: Eine 80 Jahre alte Frau, die in Klettenberg mittags auf dem Weg zum Hähnchenwagen verschwunden und von ihrem Mann vermisst gemeldet worden war, ist abends wohlbehalten wieder nach Hause gekommen. Sie war gestürzt und im Krankenhaus behandelt worden. Zwar hatte die Polizei bei der Suche alle Krankenhäuser in der Umgebung abtelefoniert, offenbar aber in einer Klinik eine falsche Auskunft erhalten.
Köln: Auf Spurensuche mit der K-Wache
Auch dem 50-jährigen Mann, der eine automatisch generierte Notfall-SMS an seine Mutter abgesetzt hatte und danach über Stunden nicht mehr an sein Handy ging, ist wohlbehalten zurück. Die SMS hatte er nach seinen Angaben versehentlich verschickt und dies gar nicht bemerkt. Während die Polizei sein Handy am Gustav-Heinemann-Ufer geortet und unter anderem den Rhein nach dem Mann abgesucht hatte, hielt er sich auf dem Skaterplatz im Rheinauhafen auf.
Raub, Totschlag, Vergewaltigung, Entführung oder Einbruch – die Ermittlerinnen und Ermittler der K-Wache haben mit nahezu allen Delikten zu tun, die das Strafgesetzbuch hergibt. Vor allem mit den schweren. „Du kriegst hier einen Einblick in fast alles, was man bei der Polizei so machen kann. Du musst vielseitig sein, so etwas wie die eierlegende Wollmilchsau“, sagt Dienstgruppenleiterin Vanessa, die mit kurzen Unterbrechungen seit 13 Jahren auf der K-Wache arbeitet. „Aber genau das macht diesen Job auch so reizvoll“, sagt Carina. „Man muss schnell denken und umswitchen können“, sagt Doro. „Gerade hast du noch eine Vernehmung zu einem Sexualdelikt und überlegst, worauf es da ankommt, und im nächsten Moment kommt ein Raub oder eine Entführung und du fragst dich: Wie komme ich jetzt am schnellsten an alle Infos?“

Blick in den Wachraum der Kriminalwache im Polizeipräsidium Köln.
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Für Betrugsopfer, Hinterbliebene oder schwerverletzte Gewaltopfer sind die K-Wachen-Beamten oft die ersten Ansprechpartner in den dunkelsten Stunden ihres Lebens. Das erfordert Sensibilität und Einfühlungsvermögen. „Du musst auf jeden Fall empathisch sein“, sagt Carina. „Mit Tatverdächtigen redest du anders als mit Eltern, denen du gerade mitgeteilt hast, dass ihr Kind gestorben ist.“
Wen man auch fragt auf der K-Wache, die Antwort ist immer gleich: Die Arbeit an Leichen, das Drehen, Wenden und Abtasten toter Körper, sei nicht belastend, aber der Umgang mit den Hinterbliebenen hinterlasse mitunter Spuren. Vor allem, wenn die Verstorbenen jung waren. „Die 109-jährige Omi, die schwer krank war und ein erfülltes Leben hatte, ist natürlich auch ein geliebter Mensch“, sagt Carina. „Aber ein 44-jährger Familienvater, der mitten aus dem Leben gerissen wurde oder ein sechsjähriges Kind, das verunglückt ist, das sind Dinge, die gehen mir deutlich näher.“ Zumal es nichts, rein gar nichts gebe, was man Hinterbliebenen an Positivem mitgeben könne, sagt Imke. „Man kann ja eigentlich immer irgendetwas sagen, das aufbauend ist oder Hoffnung macht. Aber in so einem Fall nicht. Da gibt es nichts.“

Isa bespricht sich kurz mit den Kollegen vom Streifendienst, bevor die Durchsuchung beginnt.
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Noch ein letztes Mal geht es raus an diesem Samstagabend: Durchsuchung in einem Hochhaus im Rechtsrheinischen. In einer Vier-Zimmer-Wohnung leben drei Erwachsene und vier Kinder, darunter ein Säugling. Einer der Erwachsenen wurde mit gestohlenen Kreditkarten festgenommen, jetzt sollen Isa und Swenja nachschauen, ob es in der Wohnung weitere gestohlene Kreditkarten gibt. Zwei Streifenpolizisten begleiten sie.
Die Kinder sind alleine zu Hause. Ein kleiner Junge starrt aus einem Laufstall auf einen gigantischen Flachbildfernseher an der Wand, auf dem Zeichentrickfilme flimmern. Isa erklärt den Kindern, warum die Polizei da ist und bittet eines der Mädchen, seine Mutter anzurufen. Die erklärt am Telefon, sie komme gleich nach Hause. Noch während Swenja und Isa Taschen, Trolleys und Koffer in den vollgestellten Räumen sowie Kommoden und den Schrank im Schlafzimmer durchsuchen – Zimmer stets im Uhrzeigersinn von links nach rechts, um den Überblick zu behalten – kommt der Bruder des Festgenommen nach Hause. Er gibt sich angriffslustig.

Oberkommissarin Isa auf dem Weg in das Mehrfamilienhaus, wo die Ermittler eine Wohnung durchsuchen müssen.
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Ob sie es gewesen sei, die die Bettwäsche aus dem Babybett geräumt habe, will er von Hauptkommissarin Swenja wissen. Die bejaht. „Dann können Sie das auch alles wieder einräumen“, raunzt der Mann sie an. „Kann ich“, sagt Swenja. „Mach ich aber nicht.“ Der Mann fordert „Respekt“, wird dann allerdings kleinlaut, als Isa in seiner Jackentasche einen doppelseitig geschliffenen Dolch findet. Den trage er zur Verteidigung, behauptet der Vater, „wenn jemand meine Kinder angreift“. Ob er denn so viele Feinde habe, will Isa wissen. „Ja“, antwortet der, „klar.“
Außer einem Besteckmesser im Kinderbett und einer Quittung über die Sonderanfertigung eines 3500-Euro-Diamanten finden die Ermittlerinnen fünf Blanko-Kreditkarten. Die Karten stellen sie sicher, den Dolch darf der Mann dagegen behalten. Der Besitz allein ist nicht strafbar, nur außerhalb der Wohnung dürfe er ihn nicht bei sich tragen, belehrt ihn Isa. Ob den Mann das beeindruckt? Fraglich. „Sie waren ja auch nicht wegen mir hier“, sagt er ungerührt und schließt die Tür hinter den Polizisten.