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Kripo Köln
Leiche auf der Herrentoilette – Auf Spurensuche mit der K-Wache

Lesezeit 7 Minuten
28.03.2025, Köln: Tatort Köln - Serie: Auf Spurensuche mit der Kriminalwache. Kommissarin Laura und Svenja (rechts) bei den Ermittlungen in der Herrentoilette. Foto: Arton Krasniqi

Die Ermittlerinnen Laura (l.) und Swenja fotografieren eine männliche Leiche, die in einem Toilettenraum liegt.

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat die Ermittlerinnen und Ermittler der Kriminalwache der Kölner Polizei in mehreren Spätschichten begleitet.

  1. Für die dreiteilige Reportage-Serie „Tatort Köln - Auf Spurensuche mit der K-Wache“ hat der „Kölner Stadt-Anzeiger“ die Kripo an vier Tagen im März und April begleitet. Lesen Sie hier Folge 1
  2. Die Kriminalwache, kurz K-Wache oder auch Kriminaldauerdienst (KDD), ist der Bereitschaftsdienst der Kriminalpolizei Köln
  3. Die Teams der K-Wache sichern Spuren, machen Leichenschauen, vernehmen Zeugen und Tatverdächtige und durchsuchen Wohnungen

Kriminalwache des Polizeipräsidiums in Köln-Kalk, 13.45 Uhr. Für eine ausführliche Teambesprechung zu Beginn der Spätschicht bleibt an diesem Freitag keine Zeit, es geht direkt los. Auf der Herrentoilette eines Unternehmens im Rechtsrheinischen liegt die Leiche eines Mitarbeiters. Kollegen haben sie gefunden und den Notruf gewählt. Ein Streifenteam ist schon da. Auch die Mutter und ein Bruder des Toten sind unterwegs zu der Firma. Am Telefon hat die Polizei ihnen nur mitgeteilt, dass dem Mann etwas zugestoßen ist. Dass er tot ist, sollen sie erst vor Ort erfahren, im Beisein eines Notfallseelsorgers.

Ein Tag mit der Kriminalpolizei Köln

„Klingt alles sehr dramatisch“, sagt Doro, die an diesem Tag die Dienstgruppe leitet. Sie schickt die Kommissare Laura und Vincent und Hauptkommissarin Swenja raus, die heute auf der K-Wache, Polizeijargon für Kriminalwache, hospitiert. Die drei sollen ermitteln, ob es Anzeichen für ein Tötungsdelikt oder einen Unfall gibt oder ob der Mann eines natürlichen Todes gestorben ist.

28.03.2025, Köln: Tatort Köln - Serie: Auf Spurensuche mit der Kriminalwache. Keine Zeit für eine Pause, Kommissarin Doro leitet heute die Geschaäfte der K-Wache. Foto: Arton Krasniqi

Hauptkommissarin Doro leitet an diesem Freitag Ende März 2025 die Spätschicht der Kölner Kriminalwache.

Erstmals und exklusiv durfte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ die Teams der Kölner K-Wache über mehrere Tage begleiten und ihre Arbeit dokumentieren. Die Ermittlerinnen und Ermittler werden in den Texten der dreiteiligen Reportage-Serie auf ihren Wunsch nur mit Vornamen genannt. Die Namen aller Opfer, Angehörigen und Zeugen sind anonymisiert, ebenso die genauen Tatorte und Leichenfundorte, sofern sie sich nicht im öffentlichen Raum befinden.

Alles zum Thema Polizei Köln

14.10 Uhr, Toilettenraum des Unternehmens

Der Mann liegt in seiner Arbeitskleidung auf dem weiß gekachelten Boden vor dem Waschbecken. Die Augen geöffnet und an die Decke gerichtet. Auf dem Totenschein hat der Notarzt „unklare Todesursache“ angekreuzt – damit ist die Leiche nun ein Fall für die Polizei.

Der Mann ist nicht viel älter als 40 Jahre geworden. „Definitiv zu jung, um zu sterben“, sagt Vincent und macht sich auf den Weg in den Hof, um die Kollegen des Toten zu befragen. Laura beginnt mit der äußeren Leichenschau. Behutsam entkleidet sie den Toten und fotografiert ihn aus allen Perspektiven. Dreht ihn dann auf den Bauch, auf die Seite, sucht den gesamten Körper sorgfältig nach äußeren Verletzungen ab, guckt nach möglichen Einstichen und Würgemalen am Hals. Untersucht die Pupillen, schaut, ob sich in den Augenlidern und hinter den Ohren punktförmige Einblutungen befinden, so genannte Petechien; sie könnten ein Hinweis auf einen Erstickungstod sein. Aber Laura findet nichts Ungewöhnliches. Alles deutet bis hierhin auf einen natürlichen Tod hin.

28.03.2025, Köln: Tatort Köln - Serie: Auf Spurensuche mit der Kriminalwache. Kommissarin Laura beim austellen des Totenscheins an der Herrentoilette. Foto: Arton Krasniqi

Kommissarin Laura beim Ausstellen des Totenscheins auf der Herrentoilette.

Bestatter bringen den Leichnam in die Rechtsmedizin, dort wird ein Arzt eine zweite äußere Leichenschau machen – das ist so Standard. Parallel werden die Spezialisten des Kommissariats 11 für Todesermittlungen in den nächsten Tagen die Angehörigen und den Hausarzt des Mannes befragen: Hatte er Vorerkrankungen? Hat er vielleicht kurz vor seinem Tod über Beschwerden geklagt? Erscheint irgendetwas unstimmig, passt nicht ins Bild, kann die Staatsanwaltschaft eine Obduktion und weitere Untersuchungen anordnen. Andernfalls werden die Ermittlungen eingestellt und der Tote zur Bestattung freigegeben.

Polizisten aus der K-Wache in Köln suchen nach vermissten Personen

16.35 Uhr, K-Wache, Büro der Dienstgruppenleitung

Ein Streifenbeamter ruft an, er ist bei einem 82-jährigen Mann in Klettenberg, der seine 80 Jahre alte Frau vermisst. Vor vier Stunden sei sie zu Fuß von zu Hause zum Hähnchenwagen um die Ecke aufgebrochen, um das Mittagessen zu kaufen, und ist nicht mehr zurückgekehrt. Ein Handy hat sie nicht dabei. Beim Hähnchenwagen ist sie nicht angekommen – das haben die Streifenpolizisten in Erfahrung gebracht. Freunde oder andere Anlaufstellen kenne er nicht, sagt der Ehemann. Er macht sich Sorgen. So lange sei sie noch nie weg gewesen, ohne Bescheid zu geben.

„Habt ihr die Krankenhäuser angerufen?“, fragt Doro den Streifenkollegen. „Vielleicht ist ihr etwas zugestoßen.“ – „Haben wir, negativ“, antwortet der Beamte. Es wurde niemand mit ihrem Namen eingeliefert. Medikamente braucht die Vermisste nicht, auch Vorerkrankungen oder Suizidabsichten sind nicht bekannt. „Durchsucht bitte mal das Haus, den Keller, den Dachboden, und dann meldet ihr euch wieder“, sagt Doro.

29.03.2025, Köln: Tatort Köln - Serie: Auf Spurensuche mit der Kriminalwache. Foto: Arton Krasniqi

Blick in den Wachraum der Kriminalwache, genannt K-Wache.

17.34 Uhr, Büro der Dienstgruppenleitung

Der Streifenbeamte aus Klettenberg meldet sich erneut: „Wir haben alles abgesucht, wir haben die Frau nicht gefunden.“ Beunruhigt wirkt Hauptkommissarin Doro trotzdem erst einmal nicht. An ein Unglück oder ein Verbrechen glaubt sie nicht. „Das hätte jemand bemerkt. Es ist schönes Wetter, draußen sind viele Menschen unterwegs.“ Und es sei ja so: Erwachsene dürften sich grundsätzlich aufhalten, wo sie wollten. Nur bei erkrankten Personen, die auf Medikamente angewiesen sind, bei konkreten Hinweisen auf Verbrechen oder einen Notfall und bei Minderjährigen muss die Polizei umgehend eine Suche starten. Vorerst bleibt der Fall rätselhaft.

17.45 Uhr, Apenrader Straße in Neuehrenfeld

Kommissarin Carina und Oberkommissarin Isa klingeln bei einer Frau, deren Nachbar auf Mallorca gestorben ist. Die spanische Polizei hat ihre Kölner Kollegen darüber informiert, nun muss die K-Wache herausfinden, ob der Mann Angehörige hat, die benachrichtigt werden müssten.

Die Frau weiß schon Bescheid, der Tod ihres Nachbarn hat sich in der Straße herumgesprochen. Sie berichtet von einem Schwager und einer Nichte des Toten. Der Schwager sei ebenfalls schon informiert. Für die Polizei ist der Fall damit erledigt.

28.03.2025, Köln: Tatort Köln - Serie: Auf Spurensuche mit der Kriminalwache. Kommissarin Isa und Carina (v.l.) im Einsatz. Foto: Arton Krasniqi

Kommissarin Carina (r.) und Oberkommissarin Isa befragen eine Anwohnerin in Neuehrenfeld.

19.30 Uhr, Büro der Dienstgruppenleitung

Ein Beamter der Wache Chorweiler ruft an: Eine Frau hat ihren Sohn als vermisst gemeldet. Der 50-Jährige wollte am Nachmittag zur Bücherei, dann habe sie eine „Notfall-SMS“ erhalten, berichtet die Frau, abgeschickt von seinem Handy. Seitdem gehe er nicht mehr ans Telefon.

Doro lässt sich die Nummer geben und probiert es selbst, doch das Handy klingelt durch. Ob der Vermisste Drogen oder Medikamente nehme oder suizidgefährdet sei, fragt sie ihren Kollegen. Der antwortet: „Nein, aber die Mutter sagt, er mache gerade eine schwierige Phase durch.“

Doro ruft den Dienstgruppenleiter der Leitstelle an, außerhalb der Bürozeiten der ranghöchste Polizist im Präsidium. Die beiden besprechen sich, die Hauptkommissarin regt an, umgehend das Handy des 50-Jährigen orten zu lassen. Es ist nicht auszuschließen, dass er sich etwas antun könnte. Der Kollege ist einverstanden.

Polizei Köln ortet das Handy des Vermissten

19.48 Uhr, Büro der Dienstgruppenleitung

Die Wache Nippes meldet sich: Eine Zeugin will gesehen haben, wie auf der Inneren Kanalstraße in Höhe der Neusser Straße eine Person aus einem Auto aussteigen wollte, das im Stau vor einer Ampel stand. Der Fahrer habe die Person, offenbar eine Frau oder ein Kind, ins Fahrzeug zurückgezerrt. Die Zeugin will Hilferufe gehört haben. Das Kennzeichen des weißen Kastenwagens konnte sie nur teilweise ablesen – im Polizeicomputer findet sich aber kein dazu passendes Fahrzeug. Doro lässt die Zeugin für eine ausführliche Befragung auf die K-Wache bringen.

20.22 Uhr: Büro der Dienstgruppenleitung

Das Handy des 50-jährigen Vermissten konnte geortet werden: Es ist in einem Funkmast am Rheinufer in Bayenthal eingeloggt. Auf den Meter genau funktioniert eine solche Ortung nicht, aber im angezeigten Radius von einigen hundert Metern befinden sich unter anderem der Rhein und die Südbrücke.

28.03.2025, Köln: Tatort Köln - Serie: Auf Spurensuche mit der Kriminalwache. Eine Handy Ortung eines Vermissten. Foto: Arton Krasniqi

In diesem Radius in der Südstadt wurde das Handy eines 50 Jahre alten Vermissten geortet.

20.35 Uhr: K-Wache, Vernehmungsraum

Carina befragt die Zeugin, die den Vorfall auf der Inneren Kanalstraße beobachtet hat. Die 32-Jährige ist aufgeregt, ihre Hände zittern. Sie hatte noch nie mit der Polizei zu tun. Carina versucht, sie zu beruhigen: „Geht es Ihnen gut? Möchten Sie etwas trinken?“ – „Ich bin total durch den Wind.“ – „Alles gut. Wir machen das ganz in Ruhe, Sie kennen das aus dem Fernsehen: Ich frage, Sie antworten.“

28.03.2025, Köln: Tatort Köln - Serie: Auf Spurensuche mit der Kriminalwache.  Kommissarin Carina bei der Anhörung einer Zeugin. Foto: Arton Krasniqi

Kommissarin Carina befragt eine Zeugin, die eine mögliche Entführung auf der Inneren Kanalstraße beobachtet hat.

Ganz sicher sei sie sich ja nicht, sagt die Zeugin, es sei alles so schnell gegangen. „Vielleicht irre ich mich auch.“ – „Vielleicht retten Sie aber auch gerade jemandem das Leben“, antwortet Carina. „Wenn jemand schreit, ist offensichtlich, dass da irgendetwas gegen seinen Willen geschieht.“ Doch die Angaben der Zeugin zu dem Auto, den Insassen und der gesamten Situation bleiben vage. Zu vage, als dass die Polizei eine Fahndung nach einem konkreten Fahrzeug oder einer Person starten könnte. Im weiteren Verlauf der Nacht melden sich keine weiteren Zeugen.

20.50 Uhr, Büro der Dienstgruppenleitung

Der 50-Jährige wird noch immer vermisst, er geht nach wie vor nicht ans Handy. Die Fahndung läuft, alle Streifenteams in der Stadt haben jetzt ein Foto des Mannes auf ihren Diensthandys. Wasserschutzpolizei und Landespolizei suchen den Rhein und das Ufer ab. Doch die Spätschicht der K-Wache wird erst am nächsten Tag zum Dienstbeginn erfahren, was geschehen ist. Dann wird sich auch der Fall der vermissten 82-Jährigen vom Hähnchenwagen aufklären.