Gegen den Krankenhausplan NRW regt sich Widerstand: In Köln und der Region mehren sich die Klagen. Eine bereits angeschlagene Klinik muss endgültig schließen.
Krankenhausplan NRWDrei Kölner Kliniken klagen gegen die Laumann-Bescheide
Von den Flyern winkt ein weißbärtiger Mann mit Stock, ein Mann im Rollstuhl diskutiert angeregt mit einer Pflegerin, eine Seniorin ist mit ihrer Ärztin und ihrem Rollator sogar auf das Klinikdach geklettert. Ende September vergangenen Jahres lud das St. Franziskus Krankenhaus in Köln-Ehrenfeld noch zum „Tag der Geriatrie“ ein. Patienten und Angehörige konnten Vorträgen zu „Polypharmazie und Ernährung im Alter“ lauschen, häusliche Versorgungsmöglichkeiten in der Pflege ausloten, sich zum Gedächtnistraining zusammenfinden oder einen Rollator-Check in Anspruch nehmen.
Die fröhliche Stimmung, die der Flyer verbreitet, ist nun stark getrübt. Im Zuge der Krankenhausplanung des Landes NRW wurde dem Cellitinnen-Haus in Ehrenfeld die Leistungsgruppe Geriatrie aberkannt. 40 Betten hielt das Franziskus dafür vor. Seit Einführung der Geriatrie im Jahr 2022 habe man etwa 1500 Patientinnen und Patienten behandelt, alterstypische Knochenbrüche konnten ebenso behandelt werden wie Herzschwäche oder geriatrische Syndrome beispielsweise nach Stürzen, teilt eine Unternehmenssprecherin auf Anfrage mit. 650 Fälle hatte man auch für das laufende Jahr beantragt.
Zugunsten eines zweiten rechtsrheinischen Versorgers ging Ehrenfeld leer aus
Nach den Anhörungsverfahren blieben davon 0 übrig. „Mit Blick auf die Bevölkerungsverteilung und Erreichbarkeit innerhalb der Stadt Köln“ habe man sich „zugunsten eines zweiten rechtsrheinischen Standorts entschieden“, begründet das Gesundheitsministerium NRW. Den Zuschlag erhielt neben St. Marien in der Innenstadt, Hildegardis und Weyertal in Lindenthal und dem evangelischen Krankenhaus Kalk also das Eduardus-Krankenhaus in Deutz. In Ehrenfeld ist man damit nicht einverstanden. „Das Cellitinnen-Krankenhaus St. Franziskus legt gegen die Aberkennung der Leistungsgruppe Geriatrie Klage ein“, schreibt eine Sprecherin auf Anfrage.
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Der Krankenhausplan von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann stößt auf Kritik. Das Ministerium hatte Mitte Dezember mit Feststellungsbescheiden verfügt, welche Leistungen die Kliniken ab April weiter anbieten dürfen. Landesweit haben laut Ärztezeitung derzeit bereits rund 90 Kliniken gegen den Neuzuschnitt ihrer Aufgaben geklagt. Mehr als jede vierte NRW-Klinik geht damit gerichtlich gegen die Reform vor. Auch in Köln regt sich an mindestens drei Häusern Widerstand. Neben dem St. Franziskus legt auch das St. Vinzenz Krankenhaus in Nippes Klage ein, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilt. Für die Leistungsgruppe Leukämie und Lymphome habe man eine befristete Zusage nur bis Ende des Jahres erhalten, womit man nicht einverstanden sei.
Evangelisches Krankenhaus legt punktuell Klage ein
Auch das Evangelische Krankenhaus Kalk legt zumindest „punktuell“ Klage ein. Man sei der Meinung, dass nicht gewährte Leistungsgruppen wie zum Beispiel die Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie wohnortnah erfolgen und deshalb auch in Kalk angeboten werden müssten. Alle weiteren Auswirkungen auf den Klinikbetrieb hingen „vom Ausgang der Klage ab“, schreibt eine Sprecherin.
Den Anweisungen des Ministeriums gefügt hat man sich im Cellitinnen-Krankenhaus St. Hildegardis. Die Urologische Klinik, die im Krankenhausplan keine Fallzuweisung erhalten hatte, sei bereits zum 31. Dezember 2024 geschlossen worden. Man konzentriere sich nun auf andere Leistungsschwerpunkte, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilt. Dazu gehöre beispielsweise die Thoraxklinik mit zertifiziertem Lungenkrebszentrum sowie die Klinik für Geriatrie. Ausbauen werde man außerdem die Alterstraumatologie, die Diabetologie sowie die Fuß- und Schilddrüsenchirurgie.
Im Eduardus würde man gern die Notaufnahme sanieren – es fehle jedoch am Geld
Auch beim Eduardus-Krankenhaus hat man bezüglich der invasiven Kardiologie die weiße Fahne gehisst. Man werde die Entscheidung des Ministeriums akzeptieren „weil wir im Gegenzug mit der deutlichen Steigerung im Bereich Endoprothetik sowie den zwei hinzugewonnenen Bereichen Geriatrie und Wirbelsäulenchirurgie trotz aller Trauer über den Verlust der Kardiologie unser Haus gut für die Zukunft positioniert sehen“.
Das Leistungsangebot in der Kardiologie bleibe wegen einer Übergangsfrist bis zum Ende des Jahres „unverändert bestehen“, gleichzeitig stehe man aber im Austausch mit anderen Kölner Kliniken, um „ein Konzept für den Übergang“ zu entwickeln, schreibt Geschäftsführer Frank Dünnwald. Im Gegenzug zu so viel geräuschloser Gehorsamkeit erwartet man in Deutz allerdings auch eine gerechte Verteilung von Geld. Man hoffe, „dass das Land dringend benötigte Investitionsmittel nicht alleine den Kliniken der Stadt Köln zur Verfügung stellt“, sondern auch freigemeinnützigen Kliniken zugutekommen lasse. „So würden wir gerne unsere OPs und unsere Notaufnahme sanieren, müssen aber auf die erforderlichen Gelder derzeit noch warten.“
Im St. Elisabeth-Krankenhaus zeigt man sich zufrieden mit den Laumann-Plänen. Man habe alle beantragten Versorgungsaufträge erhalten, mit Ausnahme der Lebereingriffe. Hier hätte man sich gern auf 25 Eingriffe pro Jahr gesteigert. Aber man wolle auch nicht klagen. Schließlich warte viel Arbeit. Durch die Schließung der Urologie im Hildegardis „verzeichnen wir bereits aktuell deutlich steigende Patientenzahlen“.
Zu den Gewinnern des Krankenhausplans zählen die Maximalversorger
Zu den Gewinnern zählen sich auch die städtischen Kliniken Köln. Man habe „nahezu sämtliche der beantragten Leistungsgruppen zugesprochen bekommen und es sind nur einzelne Eingriffe mit insgesamt sehr marginalen Fallzahlen betroffen“. Derzeit kümmere man sich vor allem um die Planung des Gesundheitscampus Merheim. Schon in der kommenden Woche stehe nach Auskunft einer Sprecherin der Einzug der Pflegedienstleitung in Merheim an. Abgesehen von etwaigen „Geräuschen bei den handwerklichen Arbeiten“ geht man davon aus, dass der Campus die Attraktivität sowohl für Patienten als auch Mitarbeiter erhöhe.
Und auch bei der Uniklinik reiht man sich ein in den Lobgesang der Maximalversorger. Man begrüße die Ergebnisse der Krankenhausplanung NRW. Große Änderungen ergäben sich für das Haus nicht. „Als spezialisierte Universitätsmedizin behandeln wir weiterhin viele meist schwerstkranke Patientinnen und Patienten. Mittelfristig dürften es bei uns noch mehr schwere und weniger leichte Fälle werden“, so ein Sprecher. Durch mehr als 100 Kooperationsverträge mit anderen Kliniken werde man den neuen Rahmenbedingungen gerecht werden.
Leverkusen atmet auf, Bedburg verliert eine Klinik
Weitgehend zufrieden sind auch die Leverkusener Häuser. Ein bisschen spannend hat es das Ministerium gemacht, schließlich erhielten sowohl das städtische Klinikum in Schlebusch, als auch das St.-Remigius-Krankenhaus in Opladen einige Leistungsbereiche erst nach einer Beschwerde. Aber am Ende darf Schlebusch die lukrative Endoprothetik doch behalten und auch seinen überregional bekannten Perinatalen Schwerpunkt, zusätzlich konnte man die Leistungsgruppe Frühreha ergattern. Und das Remigius-Krankenhaus bekommt nach längerem Hin und Her die Leistungsgruppe Palliativmedizin, zusätzlich freut man sich über die Komplexe Gastroenterologie.
Im Kölner Umland vernimmt man die lautesten Klagen aus Bedburg. Hier hat der Krankenhausplan dem bereits angeschlagenen Hubertusstift endgültig den Todesstoß versetzt. Noch in dieser Woche gehen in der Klinik alle Lichter aus. Durch die Absage an die lukrative Leistungsgruppe Endoprothetik habe man dem Haus die tragende Säule entzogen, so die Meinung der Beschäftigten.
Klagen aus Sankt Augustin und Mechernich
Erzürnt über das Land ist man auch bei der Asklepios-Kinderklinik in Sankt Augustin. Hier hat man Klage eingereicht. Im Grundsatz gar nicht wegen des Krankenhausplans selbst, sondern aus Unmut über fehlende Antworten des Ministeriums auf Ungereimtheiten in den Details.
Konkret geht es um die Leistungsgruppe Wirbelsäulenchirurgie. Wegen Übergangsfristen und der Nichtzuweisung der Leistungsgruppe „Allgemeine Chirurgie“ darf die Kinderklinik dieses Jahr diese Eingriffe nämlich nicht mehr in Rechnung stellen, das sei laut Geschäftsführerin erst im kommenden Jahr wieder erlaubt. Das Problem: Erst 2023 habe man hier einen ausgewiesenen Spezialisten eingestellt, der ja nun auch im laufenden Jahr beschäftigt werden will.
Und auch das Kreiskrankenhaus Mechernich im Kreis Euskirchen geht den Rechtsweg, um eigener Aussage zufolge die kardiologische Versorgung für den gesamten Kreis weiter sicherzustellen. Zwei von drei Leistungsgruppen strich das Gesundheitsministerium aus dem Leistungskatalog der Klinik für Kardiologie und Rhythmologie. „Wir fordern die Entscheidungsträger der Krankenhausplanung NRW dringend auf, diese Fehlentscheidung zu überdenken und zu revidieren“, so die Krankenhaussprecherin.
Laut Ministerium allerdings haben die Klagen keine aufschiebende Wirkung. Mit anderen Worten: Die zugegangenen Pläne sind bis zu einer Entscheidung der Gerichte erst einmal umzusetzen.
Mitarbeit: Agatha Mazur, Stefan Villinger, Ramona Hammes, Dennis Vlaminck