Köln – Bei der Überwachung von Missbrauchstätern im katholischen Klerus ist das Erzbistum Köln bundesweit Schlusslicht. Nur hier findet nach einer Erhebung des WDR auf Basis einer Umfrage in den 27 deutschen Bistümern bislang keinerlei Kontrolle statt. Es gebe dazu eine Kommission, deren Arbeit sich „in der Umsetzung“ befinde, hatte das Erzbistum dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ Ende Januar mitgeteilt.
Allerdings handhaben auch andere Bistümer ihre Kontrollen nach den WDR-Recherchen wenig professionell. In elf Bistümern etwa werde jeweils nur der jeweilige Dienstvorgesetzte informiert, und es finden sporadisch Gespräche mit Bistumsmitarbeitern ohne spezielle Ausbildung statt.
Engmaschige Aufsicht im Bistum Essen
Lediglich in Essen, Osnabrück, München und Dresden gebe es für Täter oder mutmaßliche Täter Aufsichtspersonen außerhalb der Kirchenstruktur. In Essen etwa besucht eine Art Bewährungshelfer mehrmals wöchentlich die mutmaßlichen Täter, die außerdem Therapien machen müssen. Zum Teil seien Kommissionen aus Juristen, Kirchenrechtlern, Psychologen oder Betroffenen in die Beaufsichtigung involviert.
Das Bistum Fulda beantwortete die WDR-Anfrage gar nicht. Paderborn und Passau machten keine Angaben, Görlitz und Berlin erklärten, es gebe bei ihnen derzeit keine Priester mit Auflagen. Der WDR seinerseits korrigierte eine Angabe zum Verfahren im Bistum Würzburg, die auch Eingang in eine frühere Version dieses Berichts fand. Zunächst hatte es seitens des WDR geheißen, es fänden in Würzburg – wie in Köln – keine Kontrollen statt. Bistumssprecher Bernhard Schweßinger betonte hingegen, die jeweiligen Dienstvorgesetzten würden informiert, wenn in ihrem Verantwortungsbereich Priester ansässig sind, denen Missbrauch zur Last gelegt wurde. An weitergehenden Kontrollen werde gearbeitet.
Nach dem Urteil des Kölner Landgerichts gegen den Priester und Seriensexualstraftäter Hans Ue. Ende Februar steht die Frage im Raum, ob Bistumsverantwortliche sich strafbar gemacht haben, etwa durch den Verzicht auf Kontrollen und Auflagen für den Täter. Dieser setzte seine Missbrauchsserie trotz zweier kirchlicher Suspendierungen vom priesterlichen Dienst und laufender Ermittlungen bis mindestens 2019 fort.
Kölner Opferanwältin schockiert
Zwei Nichten Ue.s, die im Prozess gegen ihren Onkel als Nebenklägerinnen auftraten, äußerten ihr Unverständnis über das Fehlen jeglicher Kontrollmechanismen im Erzbistum. „Die Verdachtsfälle lagen spätestens seit 2010 auf dem Tisch. Dass zwölf Jahre später immer noch nichts geregelt worden ist und erst jetzt die Frage aufkommt, was man dagegen tun kann, verstehe ich einfach nicht“, sagte die 35 Jahre alte Anke S. dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ und dem WDR.
Opferanwältin Martina Lörsch zeigte sich schockiert. Sie habe das Erzbistum bei der Aufstellung und Umsetzung von Präventionskonzepten anfänglich als sehr fortschrittlich erlebt, sagte sie. „Dass auf der anderen Seite Täter überhaupt nicht kontrolliert werden, ist ein großes Versagen und passt nicht zu dem Enthusiasmus und der Entschlossenheit, mit der das Thema nach 2010 angegangen wurde.“
Etwaige Kontrollen von Tätern und Tatverdächtigen könne das Erzbistum nicht einfach den jeweiligen leitenden Pfarrern überlassen, fügte Lörsch hinzu. Diese seien mit einer solchen Aufgabe in aller Regel „vollkommen überfordert“.
Bischöfe tagen in Vierzehnheiligen
An diesem Montag beginnt im fränkischen Wallfahrtsort Vierzehnheiligen die Frühjahrsvollversammlung der Bischofskonferenz. Nach seiner fünfmonatigen Beurlaubung wird auch der Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Woelki, zu dem viertägigen Treffen erwartet.
Nachdem Woelki in der vorigen Woche erste offizielle Termine abgesagt hatte, fehlt sein Name bislang auch im öffentlichen Programm des viertägigen Bischofstreffens. Traditionell steht Woelki als einer von zwei Kardinälen einem Gottesdienst mit Predigt vor.
Alternativer Hirtenbrief des Kölner Diözesanrats
Im Erzbistum hat sich der weil der Vorsitzende des Diözesanrats, Tim O. Kurzbach, mit einem „alternativen Hirtenbrief“ an die Gemeinden gewandt. Darin holt der Chef der Laienvertretung nach, was Woelkis Originalschreiben aus seiner Sicht fehlt.
Der am Aschermittwoch, dem Tag von Woelkis Rückkehr ins Amt veröffentlichte Hirtenbrief bleibe „bei allgemeinen Schuldbeteuerungen, aber den Vertrauensverlust, den Kardinal Woelki persönlich angerichtet hat, die verzweifelten Gemeinden, die durch sein Verhalten verletzten Menschen werden nicht konkret benannt“, moniert Kurzbach und formuliert deshalb ein fiktives Schuldeingeständnis Woelkis für konkrete Pflichtverletzungen, Fehlentscheidungen und Unterlassungen im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals im Erzbistum.
„Besonders schlimm ist dann aber auch, dass wegen meines Fehlverhaltens sehr viele Katholikinnen und Katholiken aus der Kirche ausgetreten sind“, heißt es in dem „geträumtem Brief“ weiter, der in Woelkis Namen zugleich den ehrlichen Einsatz für Reformen verspricht.