Hausbesetzer in SülzSittiche nisten in Fassaden und Hausbesitzer sind machtlos
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Weil Baumhöhlen im Stadtgebiet knapp sind, suchen sich Halsbandsittiche neue Nistplätze - und haben dabei Hausfassaden im Kölner Süden für sich entdeckt.
Die Hausbesitzer sind dabei machtlos. Wenn die Vögel erst einmal brüten, ist es nicht erlaubt, sie zu vertreiben.
Sülz – Not macht erfinderisch. Das gilt nicht nur für Menschen, sondern auch für Tiere, beispielsweise für einige Vogelarten. Die grün gefiederten Halsbandsittiche, die vor einiger Zeit aus Kölner Vogelkäfigen ausgebüxt sind und nun in Scharen durch die Stadt schwärmen, befinden sich gerade im Hochzeitsfieber. Im dicht besiedelten Kölner Stadtgebiet sind allerdings Baumhöhlen und wegen der vielen versiegelten Fassaden auch die Nistmöglichkeiten unter den Dächern knapp. Und so fangen die Tiere an, sich die passende Behausung selbst zu bauen – in den gedämmten Fassaden der Häuser. Denn sie haben eine Entdeckung gemacht: In das Styropor der Dämmungen lassen sich prima Löcher picken, in denen sie es sich gemütlich machen können.
So haben sich schon einige der exotischen Vögel auf diese Weise Domizile in Häuserfassaden an der Marsilius- und Berrenrather Straße in Sülz gebaut und sie bezogen. Dem Umwelt- und Verbraucherschutzamt ist das Phänomen bekannt. „Halsbandsittiche sind, wie die allermeisten Papageien, Höhlenbrüter“, heißt es in seiner Stellungnahme. Es sei keine Seltenheit, dass diese Vögel, genauso wie Spechte, Löcher in der Dämmung von Hausfassaden als Bruthöhlen nutzen. Besonders attraktiv seien Fassaden mit Wärmedämmverbundsystem auf Basis von Polystyrolplatten.
Aus den Savannen Afrikas
Ende der 60er Jahre wurden erstmals Halsbandsittiche in Köln gesichtet. Sie nisteten in Riehl auf Platanen, die zu den Favoriten der Halsbandsittiche gehören, wie Vogelforscher und Artenschutz-Experte Michael Braun von der Universität Köln dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte. Die 40 Zentimeter große Papageienart stammt ursprünglich aus den Savannen Afrikas sowie aus Indien, Pakistan, Bangladesch, Myanmar und Sri Lanka. Kölner Vogelbesitzer haben die Sittiche wohl freigelassen, woraufhin die sich munter vermehrten. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) schätzt, dass in ganz NRW derzeit etwa 4500 Halsbandsittiche in freier Wildbahn leben.
Auch in anderen Städten Europas haben sich die Tiere niedergelassen, etwa in London, Amsterdam, Wien und Barcelona. Konkurrenz bekommen die Halsbandsittiche vom Großen Alexandersittich. Die Art stammt ebenfalls aus Afrika und Asien, hat auch ein grünes Gefieder und einen roten Schnabel, und ähnliches Brut- und Fressverhalten. Sie sind jedoch mit 60 Zentimetern deutlich größer. Nach Angaben des Lanuv tauchten sie in Deutschland erstmals im Jahr 1985 auf – in Köln. Heute gibt es laut Lanuv etwa mehrere Hundert Große Alexandersittiche in NRW. (og)
„Diese vermitteln ihnen dabei wohl den Eindruck, dass sie zur Anlage einer Schlafhöhle geeignet seien“, so vermutet das Umweltamt. „Der harte Putz entspricht der Baumrinde, das Dämmmaterial darunter klingt wie weiches Faulholz.“ Meist würden die Vögel bereits vorhandene Schäden in der Fassade nutzen, an denen sie Halt finden und die sie mit Hilfe ihrer Schnäbel erweitern.
Die Hauseigentümer sind davon allerdings wenig begeistert, denn sie müssen die Schäden, die in der Fassade entstehen, wieder beheben. So hat sich auch der Haus- und Grundbesitzerverein bereits mit dem Problem befasst: „Wenn die Spechte und Papageien sich auf diese Weise in die Hausfassade fräsen, das Dämmmaterial herausholen, werden sämtliche Vorgaben der Energiesparverordnungen gegen Heizwärmeverluste ad absurdum geführt“, sagt Hauptgeschäftsführer Thomas Tewes. Der Verein hat Ratschläge, wie Eigentümer sich gegen die findigen Nestbauer zur Wehr setzen: „Sollten Halsbandsittiche zu dieser Jahreszeit anfangen, Löcher in die Fassade zu hacken, könnten kleinere Öffnungen sofort verschlossen werden“, führt Tewes aus, „denn je größer das Loch ist und vielleicht schon zu einem richtigen Gang ausgebaut wurde, umso mehr dringen Schmutz und Feuchtigkeit ein und vermindern die Wärmedämmung.“ Je später die Nisttätigkeit entdeckt würde, desto wahrscheinlicher sei es, dass die Vögel bereits angefangen haben zu brüten – mit der Folge, dass sie nach den gesetzlichen Vorschriften daran nicht mehr gehindert werden dürfen.
Kontakt mit dem Umweltamt aufnehmen
„Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten Hauseigentümer sofort Kontakt mit dem Umweltamt aufnehmen“, empfiehlt Tewes, „damit bei einem Ortstermin geklärt werden kann, ob die Halsbandsittiche noch vertrieben werden dürfen oder nicht.“
Das Umweltamt betont in seiner Stellungnahme allerdings, dass die von den Vögeln verursachten Löcher grundsätzlich nur außerhalb der Brutsaison verschlossen werden dürfen. Das Amt empfiehlt daher, dem Nestbau in Häuserfassaden vorzubeugen, beispielsweise die Fassaden möglichst glatt zu verkleiden, so dass sich die Vögel daran nicht festhalten können. Allgemein gelte: Je rauer die Fassade, desto besser können sich die Vögel festkrallen. Je dünner der Putz, desto leichter könnten die Vögel die Fassade beschädigen. Hauseigentümer könnten auch Spechtattrappen an der Hauswand anbringen. Dadurch würde Konkurrenz simuliert, mit dem Ziel Artgenossen fernzuhalten. Doch seien die Attrappen aller Wahrscheinlichkeit nach langfristig nicht sehr wirksam. Weil sie sich nicht bewegen, würden die Vögel sich daran gewöhnen. Zur Abwehr könnten zudem flatternde Bänder oder Windspiele mit reflektierenden Materialien angebracht werden. Der Naturschutzbund (NABU) empfiehlt ein Mittel, mit dem Kölner Hauseigentümer zugleich etwas für das Stadtklima tun können, nämlich die Fassaden zu begrünen, um die Vögel von ihnen fernzuhalten.
Fassadenschäden werden selten von der Versicherung abgedeckt
Hauseigentümern, die schon betroffen sind und die Löcher in der Fassade außerhalb der Brutsaison geschlossen haben, rät das Umweltamt, anstelle der ursprünglichen Bruthöhle für die Tiere einen Höhlenbrüterkasten zu installieren, um zu verhindern, dass die Sittiche wieder an derselben Stelle Löcher picken. Diese Methode sei aber nur für Probleme mit Sittichen geeignet. „Die Brutkästen werden unserer Erfahrung nach von den Spechten meist nicht angenommen“, so das Amt.
Aufgrund der Schwierigkeiten, die unliebsamen Gäste in der Hausfassade wieder loszuwerden, empfiehlt der Kölner Haus und Grundbesitzerverein, möglichst gründlich vorzusorgen: „Alle Hausbesitzer, die noch eine energetische Fassadensanierung vor sich haben, sollten sich möglichst umfassend über eine vogelsichere dicke Fassade informieren. Im Nachhinein lohnt sich die höhere Investition“, betont Thomas Tewes. „Müssen nach Ende der Schonzeit die Fassadenschäden repariert werden, deckt das weder die Hausrat- noch Wohngebäudeversicherung ab. Es sei denn, die Eigentümer haben einen leistungsstarken Zusatztarif abgeschlossen, der ausdrücklich durch Vögel verursachte Schäden umfasst.“