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SprengstoffanschlägeWas über die Hintergründe zu den sieben Explosionen in Köln bekannt ist

Lesezeit 4 Minuten
Im Bekleidungsgeschäft LFDY ist am Mittwochmorgen (18.09.2024) eine Bombe explodiert.

Im Bekleidungsgeschäft LFDY ist am Mittwochmorgen (18.09.2024) eine Bombe explodiert.

Im Juni ging in Köln erstmals eine Bombe in Mülheim hoch – die vorerst letzten Sprengsätze explodierten diese Woche in der Innenstadt. Wer steckt dahinter?

Gegen 5 Uhr am Mittwochmorgen explodierte auf der Ehrenstraße in Köln ein Sprengsatz in einem Bekleidungsgeschäft. Etwas mehr als zwei Stunden zuvor ging in Köln-Ostheim ein BMW X6 in Flammen auf. Die Polizei vermutet Brandstiftung, unter dem Fahrzeug lag eine scharfe Handgranate. Gibt es zwischen beiden Fällen einen Zusammenhang?

Nein, sagt die Staatsanwaltschaft Köln auf Anfrage – jedenfalls nicht nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen. Beim Fahrzeugbrand in Ostheim hält die Polizei dennoch Bezüge zur organisierten Kriminalität für möglich, berichtet ein Sprecher. Daher ermittelt das Kriminalkommissariat 21, zuständig unter anderem auch für Banden-, Rocker- und Rauschgiftkriminalität. Einen Zusammenhang vermuten die Ermittler dagegen zwischen den Explosionen auf dem Hohenzollernring am Montag (16.09.2024) und der Ehrenstraße am Mittwoch (18.09.2024).

Anwohner in Nippes berichten von Explosionsgeräuschen ebenfalls am Mittwochmorgen gegen 3.30 Uhr in der Nähe der Niehler Straße. Was hat es damit auf sich?

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Laut Polizei ist ein Böller explodiert. Es sei aber niemand verletzt worden und kein Schaden entstanden. Wer den Böller gezündet hat, ist unklar. Einen Zusammenhang mit der Explosion auf der Ehrenstraße oder dem Autobrand in Ostheim erkennt die Polizei nicht.

Explosionen auch in Düsseldorf, Duisburg und Engelskirchen

Seit Ende Juni gab es in Köln insgesamt sieben Explosionen vor Wohnhäusern oder Geschäftsgebäuden. Wann genau und wo ereigneten sich die Fälle?

Am Montagmorgen, zwei Tage vor der Explosion in dem Bekleidungsgeschäft auf der Ehrenstraße, ging nur wenige hundert Meter entfernt neben dem Nachtclub Vanity ein Sprengsatz hoch. Am 12. August gab es eine Explosion vor einem Mehrfamilienhaus in auf dem Dahlienweg in Zündorf. Davor detonierten Sprengmittel vor Gebäuden an der Alten Brühler Straße in Meschenich (30. Juli), auf der Keupstraße (29. Juni) und der Holweider Straße (30. Juni) in Mülheim sowie auf der Wichheimer Straße in Buchheim (30. Juni); außerdem im Düsseldorfer Hafen (19. August), in der Düsseldorfer Innenstadt (11. Juli), in Duisburg (5. Juli) und im bergischen Engelskirchen (1. Juli).

Besteht ein Zusammenhang zwischen den sieben Fällen und den Explosionen in der Region?

Das prüfen derzeit die Staatsanwaltschaft und die Polizei Köln. Näheres ist bisher nicht bekannt. Details wollen Vertreter beider Behörden aber am Donnerstag (19. September) in einem Pressegespräch mitteilen. Direkte Zusammenhänge liegen zumindest bei den drei Anschlägen in Mülheim und Buchheim auf der Hand, ebenso wie bei den Explosionen diese Woche in der Kölner Innenstadt. Auch bei den Taten in Meschenich und Zündorf soll es Überschneidungen geben, heißt es. Aber ob alle sieben Fälle miteinander zusammenhängen, ist ungewiss.

Bei einer Explosion am Montagmorgen (16.09.2024) am Nachtclub Vanity wurde eine Person leicht verletzt.

Bei einer Explosion am Montagmorgen (16.09.2024) am Nachtclub Vanity wurde eine Person leicht verletzt.

Als möglicher Urheber der Anschläge wird häufig die so genannte Mocro-Mafia genannt. Wer verbirgt sich hinter diesem Begriff?

Die „Mocro-Mafia“ ist ein kriminelles Netzwerk, unterschiedliche Gruppierungen, die vorwiegend aus marokkanisch-stämmigen Mitgliedern bestehen und ihren Ursprung in den Niederlanden und Belgien haben. Den Begriff „Mocro“ haben die niederländischen Medien geprägt. „Mocro“ ist zwar ein geläufiger Slang-Begriff für Menschen marokkanischer Herkunft, in dem Netzwerk sind aber auch gebürtige Niederländer und andere Nationalitäten aktiv. Die Banden handeln vor allem mit Drogen, insbesondere mit Kokain. In den Niederlanden tragen die Gruppierungen Konflikte untereinander oft gewalttätig aus, zum Beispiel mit Folterungen und Sprengstoffanschlägen. Für die Anschläge werden oft junge Handlanger für wenige hundert Euro angeheuert.

Wie weit haben sich die niederländischen Drogenkartelle schon in Köln ausgebreitet?

Offenbar weiter, als bis vor drei Monaten bekannt war. Kölns Kripochef Michael Esser warnte im Juli vor „einer neuen Dimension der Gewalt im Bereich der organisierten Kriminalität, die es so hier in Deutschland meines Wissens noch nicht gegeben hat“. Eine Geiselnahme zweier Angehöriger einer arabischen Großfamilie durch mutmaßliche Mitglieder der „Mocro-Mafia“ in Köln-Rodenkirchen im Juli habe „einen der komplexesten Einsätze der NRW-Polizei aus den vergangenen Jahren“ ausgelöst. Die Geiselnahme soll mit den Bombenanschlägen in Mülheim und Buchheim zusammenhängen. Drogenhändler der „Mocro-Mafia“ sollen angeblich Personen unter Druck gesetzt haben, um 300 Kilogramm Marihuana wiederzubekommen, das ihnen aus einer Lagerhalle in Hürth gestohlen worden sein soll. Ob aber alle Sprengstoffanschläge in Köln und Umland auf das Konto der niederländischen Kartelle gehen, ist fraglich.

In dieser Villa in Rodenkirchen beendete ein SEK der Polizei am Freitagabend (5.7.2024) eine Geiselnahme.

In dieser Villa in Rodenkirchen beendete ein SEK der Polizei am Freitagabend (5.7.2024) eine Geiselnahme.

Wenn es nicht oder nicht in allen Fällen die „Mocro-Mafia“ gewesen sein sollte – wer sonst kommt für die Explosionen infrage?

Ermittler schließen nicht aus, dass Sprengstoffanschläge inzwischen nicht mehr nur von niederländischen Kartellen, sondern auch von anderen Tätern aus dem Bereich der organisierten Kriminalität angewendet werden. Oftmals geht es dabei um Rauschgifthandel. Fest steht: Alle Anschläge in Köln galten ganz gezielt einer Wohnung oder einem Geschäft und wurden nachts und frühmorgens verübt – auch ein Grund dafür, dass bislang nur wenige Personen leicht verletzt wurden. Die Ermittler gehen davon aus, dass es den Tätern – zumindest bislang – nicht darum ging, größtmöglichen Schaden anzurichten, sondern darum, ihren Kontrahenten ein Zeichen zu setzen.