Ein Überwachungsvideo zeigt, wie der Täter am Montagmorgen auf dem Hohenzollernring einen Sprengsatz zündet.
Arbeiter leicht verletztExplosion vor Nachtclub in Köln – War es wieder die „Mocro-Mafia“?
Es ist 5.47 Uhr am Montagmorgen, als ein Mann mit weiß-blauer Jacke und einer Kapuze über dem Kopf eine helle Tüte oder Tasche in der schmalen überdachten Passage zwischen dem Club Vanity und der Butlers-Filiale am Kölner Hohenzollernring abstellt. Seelenruhig zieht der Mann ein Feuerzeug aus der Tasche seiner dunklen Hose. Er entzündet einen Gegenstand, legt ihn brennend auf der Tüte ab, die jetzt an der Wand vor dem Vanity steht, und rennt davon. Sechs Sekunden später gibt es eine Explosion. Auf einem Überwachungsvideo, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, ist sie als greller Lichtblitz zu erkennen. Die Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen.
Ein Mitarbeiter des Hausmeisters des Gebäudes wird leicht verletzt, er habe ein Knalltrauma erlitten, heißt es. Der 53-Jährige war kurz vor der Explosion im Treppenhaus des sechsgeschossigen Gebäudes beschäftigt und hatte die fremde Person draußen bemerkt. Er trat in die Passage, um nachzusehen, was sie da tut. Als der Verdächtige den Brandsatz zündete und flüchtete, wollte der Hausmeister ihm zuerst hinterherrennen, zögerte aber, weil er an dem brennenden Gegenstand hätte vorbeilaufen müssen. Die Tüte explodierte, und der 53-Jährige ging hinter einer großen Mülltonne in Deckung.
Köln: Obdachloser schläft wenige Meter neben dem Sprengsatz
Möglicherweise bewahrte ihn das vor schwereren Verletzungen. Ein Rettungswagen brachte ihn ins Krankenhaus. Ein Obdachloser, der auf dem Boden in der Passage schlief, wurde wach und flüchtete auf die Straße. Die Polizei weiß nicht, wer der Mann ist – und ob auch er verletzt wurde.
Alles zum Thema Feuerwehr Köln
- Unser Adventskalender Das erste und wichtigste „Türchen“ am Dom
- Kurz und kompakt Die Meldungen des Tages aus Oberberg am Donnerstag
- Reul stellt Lagebild NRW vor 7000 Straftaten gehen auf das Konto krimineller Clans – ein Höchststand
- Leserbriefe zu Ford Erinnerungen an gute Zeiten
- „Vielen Sterbenden die Hand gehalten“ Drei Frauen engagieren sich in Köln ehrenamtlich gegen Einsamkeit
- Person verletzt Zugverkehr am Kölner Hauptbahnhof nach Notarzteinsatz wieder freigegeben
- Eltern-Kind-Café Salz-Spielplatz in Leverkusen soll Kinderkrankheiten lindern – Experte skeptisch
Zwei Stunden nach der Explosion ist der Tatort abgesperrt. Fensterscheiben sind zerborsten, Scherben sind quer über Geh- und Radweg bis auf die Fahrbahn des Hohenzollernrings geflogen. Von der Decke der Passage hängen lose Bauteile herab. Zwei Polizistinnen mit Bauhelmen fotografieren die Umgebung, Brandermittler der Kölner Polizei und Sprengstoff-Experten des Landeskriminalamts (LKA) suchen nach Spuren und befragen Zeugen.
Der Geschäftsführer des Vanity läuft vor dem Club auf und ab, er telefoniert fast ununterbrochen. Die Polizei habe ihn um kurz vor sechs Uhr angerufen, berichtet Hamid Nuri später. Seit mehreren Jahren führt er das Vanity am Ring, er sei sofort hergekommen. „Da gehen einem tausend Sachen durch den Kopf: Haben wir irgendwo Fehler gemacht oder nicht? Keine Ahnung.“ Der Laden sei Sonntagabend geschlossen gewesen. „Es war eigentlich alles okay, wir haben zufriedene Gäste, alles war tiptop.“ Da die Passage offen und für jeden zugänglich sei, wisse er nicht, ob die Tat gezielt dem Vanity gegolten habe, sagt Nuri. Drohungen oder Auseinandersetzungen habe es nicht gegeben. „Dass wir Feinde hätten, wäre mein letzter Gedanke.“
Sprengstoffexplosionen vor Häusern sind ein häufig eingesetztes Drohmittel niederländischer Drogenbanden, auch bekannt unter dem Begriff „Mocro-Mafia“ – Gruppierungen der organisierten Kriminalität, die sich vorwiegend aus Marokkanern, gebürtigen Niederländern, aber auch Personen anderer Nationalitäten zusammensetzen. „Mocro“ ist niederländischer Slang für Marokkaner. Außer einer Entführung in Rodenkirchen, die auf das Konto der Kartelle gehen soll, gab es seit Juli mehrere Explosionen vor Hauseingängen in Köln-Mülheim, Buchheim und Zündorf, aber auch in Düsseldorf, Duisburg und Engelskirchen. Hintergrund sind Konflikte mit anderen Rauschgift-Händlern.
Der Gedanke, dass die Täter jetzt auch auf den Ringen zugeschlagen haben, liegt nahe. Ein Polizeisprecher betont, die Ermittlungen befänden sich noch ganz am Anfang. „Wir schließen nichts aus.“ Umgekehrt gesprochen: Konkrete Hinweise auf einen Zusammenhang zur „Mocro-Mafia“ gebe es derzeit nicht.
Köln: Zusammenhang mit niederländischen Drogenbanden wird geprüft
Ähnlich äußert sich auch die Staatsanwaltschaft. Zurzeit führe man im Zusammenhang mit den Sprengstoffexplosionen seit Juli und der Entführung etwa 25 Ermittlungsverfahren gegen mehr als 20 Beschuldigte, teilt Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer mit. Zwölf Verdächtige säßen in Untersuchungshaft. Mit dem Begriff „Mocro-Mafia“ tue man sich bei der Staatsanwaltschaft im Übrigen schwer. „Bislang ist keiner der von uns bei Gericht beantragten Beschlüsse – etwa zur Durchsuchung von Wohnungen – auf das Bestehen einer kriminellen oder mafiösen Vereinigung gestützt worden, da hierzu bislang eindeutige Beweise fehlen“, sagt Bremer.
Zwar gebe es Bezüge zu in den Niederlanden wohnenden Personen. „Wie aber die genauen Verbindungen ausschauen, ist unklar und Gegenstand intensiver Ermittlungen. Wir können das derzeit noch nicht abschließend einschätzen.“
Derweil stehen Mitarbeiterinnen und Angestellte aus dem Bürohaus am Hohenzollernring am Montagvormittag erst einmal vor verschlossenen Türen, die Polizei lässt niemanden hinein. In den oberen Etage sind Büros verschiedener Unternehmen untergebracht. Nach hinten hinaus gibt es auch ein paar Wohnungen.
Unterdessen fahndet die Polizei nach dem Mann, der den Sprengsatz gezündet hat. Nicht nur auf den Überwachungsvideos in der Passage ist er zu sehen, auch die Polizeikameras auf den Ringen haben aufgenommen, wie er zum Tatort gegangen und anschließend von dort in Richtung Friesenplatz geflüchtet ist. „Gestochen scharf“ seien die Bilder, heißt es. Zeugen werden gebeten, sich unter der Rufnummer 0221/229-0 bei der Polizei zu melden.