Zwei Tage nach der Explosion auf dem Hohenzollernring kommt es auf der Ehrenstraße zur nächsten Explosion. Während die Sorge der Anwohner steigt, prüft die Polizei Zusammenhänge.
Nächste Explosion in KölnAnwohner auf der Ehrenstraße zwischen Angst und Frust – eine Spur führt nach Amsterdam
Der Mann versuchte noch zu retten, was nicht mehr zu retten war: Kurz nach 5 Uhr morgens stürmt ein Obdachloser, der sich zur Tatzeit auf der Ehrenstraße aufhielt, in das brennende Bekleidungsgeschäft Lfdy. Er greift nach Hosen und Hemden und versucht, damit die Flammen zu ersticken. Ein Video zeigt den ebenso gefährlichen wie verzweifelten Einsatz des 39-Jährigen.
Drei Stunden später, als Polizei und Feuerwehr die Flammen längst gelöscht haben, untersuchen Ermittler das ausgebrannte Geschäft. Ein Sprengstoffspürhund sucht in dem rußgeschwärzten Gebäude zwischen Glassplittern nach Hinweisen, eine 3D-Kamera zeichnet den Tatort auf.
Ermittler gehen wohl von Zusammenhang zwischen Explosionen in Köln aus
Nur zwei Tage nach der Explosion vor der Diskothek Vanity am Hohenzollernring hält ein weiterer Anschlag die Kölner Innenstadt in Atem. Am Mittwochmorgen ist nur 350 Meter von der Diskothek entfernt der nächste Brandsatz detoniert. Verletzt wurde niemand, nur der 39-jährige Mann hat bei seinem Rettungsversuch eine Rauchgasvergiftung davongetragen, teilte die Polizei später mit.
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Nun fahnden die Ermittler nach einem etwa 1,80 Meter großen und schlanken Mann. Er soll die gläserne Eingangstür des Ladens auf der Ehrenstraße eingeschlagen und eine Einkaufstüte mit einem Brandsatz im Geschäft platziert haben. Sekunden später stand der Eingangsbereich des Geschäfts in Flammen. Danach soll er über die Albertusstraße in Richtung Magnusstraße geflüchtet sein. So berichten es Zeugen. Videoaufnahmen von Überwachungskameras sind bisher anders als bei dem Anschlag auf dem Hohenzollernring nicht bekannt. Die Polizei bittet weitere Zeugen, sich bei ihr zu melden.
Die Hintergründe sind bisher noch unklar. Doch wie es heißt, gehen die Ermittler von einem Zusammenhang zwischen der Explosion auf der Ehrenstraße und der Explosion auf dem Hohenzollernring zwei Tage zuvor aus. Bei beiden Taten soll das gleiche Sprengmaterial zum Einsatz gekommen sein, heißt es.
Anwohner zwischen Sorgen und Frust
Zu einer weiteren Explosion ist es außerdem vor wenigen Wochen bereits vor einer anderen Filiale des Düsseldorfer Franchise-Unternehmens Lfdy gekommen – und zwar am 24. August in Amsterdam. Die Amsterdamer Polizei bestätigt das auf Anfrage: „Es gab eine Explosion gegen 4 Uhr morgens. Die Hintergründe sind noch Teil der Ermittlungen“, sagte ein Sprecher der Amsterdamer Polizei. Am Tatort hätten die Ermittler Rückstande eines „sehr gefährlichen und illegalen Feuerwerkskörpers“ gefunden. Auch das Unternehmen selbst bestätigt den zweiten Anschlag in Amsterdam in einem Statement bei Instagram. Man sei nach wie vor „unter Schock“, und stehe in Kontakt mit den Behörden in Deutschland und den Niederlanden. „Wir hoffen, dass diese feigen Taten schnell aufgeklärt werden.“ Wie genau die Explosionen in Köln und Amsterdam wiederum zusammenhängen, ist noch unklar.
Unter Anwohnern und Geschäftsleuten rund um die Ehrenstraße macht sich nach den beiden Explosionen derweil eine Mischung aus Sorgen und Wut breit. Vor den Polizeiabsperrungen bilden sich immer wieder Trauben besorgter Anwohner, viele Geschäfte, auch außerhalb des abgesperrten Bereichs, öffnen ihren Laden am Mittwoch erst gar nicht. „Ich habe 35 Jahre lang frei und entspannt in dieser Stadt gelebt, das kann ich jetzt nicht mehr“, sagt etwa Angelika Kader. Seit Jahrzehnten betreibt sie einen Friseursalon direkt zwischen den beiden Anschlagsorten, sie selbst wohnt gegenüber vom Lfdy. „Verängstigt und geschockt“ sei sie. „Ich werde auf jeden Fall die Sicherheitsmaßnahmen in meinem Laden ändern müssen.“
Auch Max G. wohnt mit seiner Frau und seinem eineinhalb Jahre alten Kind direkt gegenüber des Bekleidungsgeschäftes. „Der Knall hat uns aus dem Schlaf gerissen. Mit der Tat am Montag im Hinterkopf bin ich instinktiv zum Fenster gelaufen und habe dort dann die Flammen gesehen.“ Für ihn sind die Anschläge der Höhepunkt einer Entwicklung, die er und seine Nachbarn schon länger beobachten: „Die Kriminalität hier auf der Straße hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, wir fühlen uns als Familie immer unsicherer – und jetzt das.“ Auch als Familienvater würde er das Leben mitten in der Großstadt zwar schätzen.„Aber so langsam denken wir darüber nach, umzuziehen. Die Sicherheit meiner Familie steht an erster Stelle.“
Dirk Nonnenbroich, Inhaber des Luxus-Modegeschäfts „Chevignon“ auf der Ehrenstraße, ist vor allem frustriert. Auch für ihn steht die Tat stellvertretend „für einen stetigen Verfall über die letzten Jahre hier auf der Straße.“ Probleme mit Kriminalität und Obdachlosigkeit würden stetig zunehmen: „Das ist hier die Visitenkarte Kölns. Solche Vorfälle sind fatal für das Image der Stadt. Wo ist da die Polizeipräsenz? Wo ist die Oberbürgermeisterin, die sich schützend vor die Menschen stellt?“
Mariella A. übt sich derweil in Zweckoptimismus, als sie gemeinsam mit ihrem Hund ein paar Stunden nach der Tat aus ihrer Wohnung auf die Ehrenstraße tritt. „Natürlich ist das beunruhigend. Aber Kriminalität gibt es in jeder Großstadt.“ Sie selbst fühle sich durch die Polizei geschützt. Außerdem: „Es werden auch wieder bessere Zeiten kommen, hier auf der Straße.“ Zumindest versuche sie daran zu glauben, „allein für die Psychohygiene“.