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Lob für Kölner Ehrenstraße„Guardian“ gibt Tipps für „Deutschlands entspannteste Stadt“

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Blick in die Ehrenstraße

Blick in die Ehrenstraße

Wer kommt und wer geht auf der Ehrenstraße? Und warum eine britische Zeitung sie empfiehlt.

Die britische Tageszeitung „Guardian“ gab vor kurzem Tipps für einen 48-Stunden-Aufenthalt in „Deutschlands entspanntester Stadt“ Köln. Neben dem Brauhaus Päffgen und dem Kolumba-Museum wurde natürlich auch eine „main shopping route“ empfohlen. Und das war die Ehrenstraße. Der Ruf dieser im Vergleich doch sehr kleinen Straße hat sich längst international herumgesprochen.

„Die Ehrenstraße ist die angesagteste Straße in Köln“, bestätigt Christian Heuchert, Teamchef für die Einzelhandelsvermietung in Köln beim Maklerunternehmen JLL. Die Schildergasse ziehe mit ihren Fast-Fashion- und Weltmarken vor allem sehr junge Leute und Besucher aus dem Umland an. Auf der Ehrenstraße mit dem individuelleren Angebot tummelten dagegen sich vor allem social-media-affine, tendenziell etwas ältere und besser verdienende Kunden, die bereit seien, auch etwas höhere Preise zu zahlen.

Ehrenstraße ist die stabilste Straße Kölns

„Die Ehrenstraße ist die stabilste Straße in Köln, was Nachfrage und Vermietung angeht“, sagt Heuchert. „Köln bleibt neben der Hauptstadt die größte Fashion-Metropole Deutschlands. Für viele internationale Konzepte ist daher der erste Schritt in Deutschland entweder nach Berlin oder Köln.“

Alles zum Thema Ehrenstraße

An diesem Wochenende hat zum Beispiel die französische Marke Cabaia, die vegane Rucksäcke und Reise-Accesssoires anbietet, hier ihren ersten Shop in Deutschland eröffnet. Die Gründer erzählen, dass sie Straßen in München, Düsseldorf, Berlin und Stuttgart selbst abgegangen seien. „Aber die Ehrenstraße war die beste, die Nachbarschaft mit Birkenstock und Samsonite sehr gut.“ Außerdem habe man festgestellt, dass aus dem Bereich Köln bereits sehr viele Online-Bestellungen kommen, die Marke also schon ein bisschen bekannt sei. Zielgruppe: Vor allem berufstätige Frauen zwischen 25 und 45 Jahren, die die Taschen für das „urban adventure“ brauchen.

Neu eröffnet hat das französische Taschen-Unternehmen Cabaia ihren ersten Laden in Deutschland. Die Ehrenstraße war die erste Wahl.

Neu eröffnet hat das französische Taschen-Unternehmen Cabaia ihren ersten Laden in Deutschland. Die Ehrenstraße war die erste Wahl.

Als Pilotprojekt zog es auch die niederländische Schmuckmarke My Jewellery hierher, die auf der Ehrenstraße ihren ersten Shop in Deutschland eröffnete. Neu hinzugekommen ist auch Miller & Marc, ein Brillenkonzept aus Madrid. Köln ist also ein gutes Pflaster. Vergangenes Jahr eröffnete die Marke Birkenstock, die in Köln ihren Firmensitz hat, aber bis dahin noch kein Geschäft, einen Pop-up-Store. Der ist aber so aufwendig gestaltet, dass die Vermutung nahe liegt, dass er dauerhaft bleiben wird. „Die Marke möchte hier einfach präsent sein“, sagt Christian Heuchert.

Das möchten durchaus auch große Filialisten wie Hunkemöller und H&M. H&M, wegen Fast Fashion in der Kritik, macht das geschickt: Der Konzern ist mit seinen „High End Labels“ COS, Weekday, And Other Stories und Arket auf der Ehrenstraße mehrfach vertreten. Auch die Marke Calvin Klein zog vor kurzem von der Schildergasse auf die Ehrenstraße, weil sie hier offensichtlich die Nachbarschaft attraktiver findet.

Zimtschnecken und Milchreis machen die Ehrenstraße instagrammable

Fester Bestandteil der Ehrenstraße sind seit einiger Zeit Läden mit aufwendigem Gebäck und kunstvollem Süßkram. Es gibt inzwischen vier davon: das Cinnamood mit dekorierten Zimtschnecken, Cookie-Couture mit verzierten Keksen, Hector’s Rolling Buns (nochmal Zimtschnecken) und Rocket Rice mit Milchreis-Variationen. Alles sehr bunt und sehr stylisch. „Die sind alle instagrammable, das verbreitet sich über die sozialen Medien sehr schnell“, sagt Heuchert.

Seit kurzem gibt es einen Kiosk auf der Ehrenstraße.

Seit kurzem gibt es einen Kiosk auf der Ehrenstraße.

Neu ist allerdings auch ein Kiosk des Unternehmens Veni, wie es ihn bereits auf der Schildergasse gibt. Ein profaner Kiosk auf diesen teuren Meilen, das schien lange undenkbar, wird aber als Serviceangebot für Passanten gewertet. Auf eine andere Vermietung ist JLL dagegen sehr stolz: 2020 vermittelte JLL den Einzug des Café de Paris in die ehemaligen Räume des 4Cani – und das entwickelte sich nach einer Millioneninvestition zu einem angesagten Sehen- und Gesehen-Werden-Spot, einschließlich kreisender Luxuswagen in der „Monaco-Kurve“ rund um das Café.

Auch einen Kiosk gibt es jetzt auf der Ehrenstraße

Ein Café mit großer Terrasse, überschaubare Ladenflächen zum Experimentieren, einige erhaltene Altbaufassaden – die kleine Ehrenstraße hat viel, was Hohe Straße und Schildergasse nicht bieten können. „Die Umsätze werden im Erdgeschoss gemacht. Da hat die Ehrenstraße die besten Voraussetzungen“, so Heuchert. Die oft mehrstöckigen Flächen auf der Schildergasse etwa müssen derzeit aufwendig umgebaut werden, um die Gebäude neu nutzbar zu machen. Dass die Ehrenstraße seit einiger Zeit autofrei ist, hat ebenfalls positive Auswirkungen. Von Donnerstag bis Samstag ist hier am meisten los. Dann bilden sich regelmäßig lange Zimtschnecken-Schlangen, in der Straße ist kaum ein Durchkommen.

Sichtbarer Leerstand herrscht zurzeit allerdings im ehemaligen Ladenlokal der Modefirma Diesel und in den ehemaligen Räumen des Computerspezialisten Gravis im markanten Eckhaus am Willy-Millowitsch-Platz. An beiden Weitervermietungen arbeitet JLL. Sorgen macht dem Makler das nicht. Und sie erklären: Im Hintergrund tut sich oft viel, auch wenn in den Schaufenstern noch nichts angekündigt ist. Die neuen Mieter wollten in der Regel nicht schon monatelang vorher auf Plakaten ihr Kommen ankündigen. Denn dann verpuffe oft die Werbewirkung oder die Passanten könnten den Eindruck bekommen, da liefe etwas nicht rund. Deshalb werbe man meistens erst kurz vor der Eröffnung.

Nachfolger für zwei weitere prominente Mieter gleich im Anschluss auf der Breite Straße sind bereits gefunden. In die Räume von Café Fromme, das nach 132 Jahren schloss, wird eine skandinavische Fair-Kaffee-Kette einziehen und die ehemalige Bento Box wird für Boring Burgers umgebaut. Der Burgerladen ist ein weiteres Unternehmen der Gründer von Cinnamood und soll im August öffnen. „Mit diesen beiden neuen Mietern wird das Lebensgefühl der Ehrenstraße quasi in die Breite Straße, die bisher eher von älterem Publikum geprägt war, hineinverlängert“, so Christian Heuchert.

Die Klage, dass von den einst vielen inhabergeführten Geschäften auf der Ehrenstraße nur noch wenige übrig geblieben sind – unter anderem das Käsehaus Wingenfeld (jetzt Käsehaus Legrand) und der Leder-Shop Safak – ist bekannt. Doch der wirtschaftliche Druck auf einer so begehrten Straße, die selbst vom „Guardian“ wärmstens empfohlen wird, ist für die ganz Kleinen wohl einfach zu groß.