Stadtwerke-AffäreWas geschah wirklich zwischen Reker und Börschel?
Köln – Die Aufarbeitung der Stadtwerke-Affäre nimmt eine bemerkenswerte Wendung. In diesen Tagen steht nicht mehr der gescheiterte Deal zwischen den Fraktionsspitzen der SPD, der CDU und der Grünen im Vordergrund, sondern eine ganz andere Frage: Sollte Oberbürgermeisterin Henriette Reker möglicherweise viel früher über den Postenklüngel informiert gewesen sein, als sie die Öffentlichkeit glauben lässt?
Mehr und mehr rückt ein Gespräch in den Fokus, das Reker acht Tage vor der entscheidenden Sitzung im Aufsichtsrat, in ihrem Büro mit dem SPD-Fraktionschef Martin Börschel führte. Am 9. April trafen sich die beiden Politiker in Rekers Büro im Rathaus zum Meinungsaustausch, anfangs noch begleitet von zwei Mitarbeitern, die dann später den Raum verließen. Wurde die Vergabe des hochdotierten Managerpostens an Börschel bei der Gelegenheit thematisiert?
Hätte Reker den Deal womöglich früher stoppen können, als erst zur Sitzung des Aufsichtsrates am 17. April? Fragen, die sich derzeit nur schwerlich beantworten lassen, da bei solchen vertraulichen Zusammenkünften üblicherweise weder Zeugen anwesend sind, noch Protokolle gefertigt werden.
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Beide äußerten sich bislang nicht
Fakt ist, dass es über den Inhalt des Gesprächs sich widersprechende Darstellungen der jeweiligen Pressesprecher gibt. Es habe ein Gespräch „zwischen dem SPD-Fraktionsvorsitzenden und der Oberbürgermeisterin gegeben, wie es das immer mal wieder im Rahmen eines kontinuierlichen Austausches gibt“, sagte Rekers Sprecher Alexander Vogel dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die zu dem Zeitpunkt längst geplante Besetzung der Stadtwerke-Geschäftsführung sei aber nicht zur Sprache gekommen.
Statements im Wortlaut
SPD-Pressestelle
„Zu Inhalten vertraulicher Gespräche mit der Oberbürgermeisterin nimmt Herr Börschel grundsätzlich keine Stellung. Könnte man sich auf die Vertraulichkeit nicht verlassen, wären in Zukunft Erörterungen über wichtige politische Fragen oder wesentliche Angelegenheiten in städtischen Beteiligungsgesellschaften, insbesondere Personalien, mit dem Ziel der Konsensfindung nicht mehr möglich. Das kann niemand wollen. Die Oberbürgermeisterin hat sich bislang persönlich nicht geäußert. Die Äußerungen ihres Sprechers widersprechen jedoch unserem Kenntnisstand. Demnach stand die Oberbürgermeisterin trotz ihres vorherigen Wissens einer Bestellung von Herrn Börschel nicht ablehnend gegenüber. Eine ablehnende Haltung hat sie Herrn Börschel gegenüber in keinem der geführten Gespräche artikuliert, weder vor dem 17.4. noch danach.“Brian Schneider,Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,SPD-Fraktion
Presseamt
Alexander Vogel,Presseamtsleiter
Ein Sprecher der SPD-Fraktion hält dieser Äußerung eine andere Behauptung entgegen. „Ich habe andere Informationen über den Inhalt des Gesprächs“, sagte er. Aussage gegen Aussage – eine der beiden Version kann nicht stimmen. Weder Reker noch Börschel, die es beide wissen müssen, äußerten sich persönlich zu Inhalten des Termins.
Sollte die Oberbürgermeisterin vorab eingeweiht gewesen sein in die Personalabsprachen, ließe sich zweierlei folgern: Entweder hätte sie die Brisanz des Deals und dessen verheerende Wirkung nicht sofort erkannt – oder sie hätte den Vorgang für eigene Zwecke nutzen wollen. Indem sie den Vorgang später stoppte und transparente Besetzungsverfahren forderte, stärkte die Stadtchefin ihre Position gegenüber den Fraktionen. Mehr noch, sie sammelte kräftig Pluspunkte bei den Bürgerinnen und Bürgern.
Aussage gegen Aussage
Belege dafür gibt es jedoch nicht. Reker betonte mehrfach, sie habe bis zum Tag, an dem der Aufsichtsrat der Stadtwerke Börschel hätte wählen sollen, keine Informationen gehabt. Es habe zwar Gerüchte gegeben. Aber: „Ich kann doch nicht auf Grundlage von Gerüchten handeln, zumal manche auch noch unplausibel sind.“ Sie habe vage gehört, „dass Herr Börschel Geschäftsführer bei den Stadtwerken werden soll“ – dabei habe es gar keine Stelle gegeben. „Dass das alles in einem Aufwasch beschlossen werden sollte“, habe sie nicht erkennen können, sagte Reker.
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Der an dem Postenklüngel beteiligte Grünen-Ratsherr Jörg Frank soll dem Vernehmen nach seinen Fraktionskollegen einen Tag vor der beabsichtigen Wahl Börschels gesagt haben, die Oberbürgermeisterin sei über die Postenpläne informiert, halte sich aber raus.
Frank zählt zu den wenigen, die Rekers Rolle genau beschreiben könnten. Eine Stellungnahme war von ihm bislang indes nicht zu erhalten. Mit Verwunderung nahmen allerdings seine Fraktionskollegen Anfang Mai zur Kenntnis, dass sich Rekers persönliche Referentin mit einem Brief in die Diskussion einmischte. Die Vertraute Rekers, die Grünen-Mitglied ist, warb dafür, Frank als wichtigen Verhandlungsführer noch mindestens ein Jahr als Geschäftsführer im Amt zu belassen – obwohl der Delegiertenrat der Partei zwei Tage zuvor dessen Rückzug bis zum Ende der Sommerpause verlangt hatte. Die Fraktion solle ihre „Verantwortung für die Amtszeit der Oberbürgermeisterin“ bedenken.
Öffentlich und im Stadtrat hatte Reker die an ihrem Widerspruch gescheiterte Postenvergabe als Rückfall in überwunden geglaubte Klüngelzeiten bezeichnet; ein Vorgang, angesichts dessen man „nur sprachlos sein kann“. Sollte sich die parteilose Stadtchefin über Umwege möglicherweise intern für Frank, einen der Strippenzieher, eingesetzt haben? Das sei „kein Brief im Auftrag der OB, sondern eine private Meinungsäußerung gewesen“, sagt Rekers Sprecher Alexander Vogel.
Im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ äußerte sich Reker kürzlich zu personellen Konsequenzen in den Reihen der Grünen. Die Ratsfraktion der Grünen habe zu entscheiden, wie lange Frank Geschäftsführer bleibt. „Aber ich denke, sie ist so klug, dass sie sich nicht von heute auf morgen von dem erfahrenen Fraktionsgeschäftsführer, der ja auch Stratege und Vordenker ist, verabschiedet, ohne einen Nachfolger zu haben.“ Ein fast schon überraschendes Lob für einen, den die OB zuvor öffentlich abgewatscht hatte.