Der Zweckverband go.Rheinland schlägt Alarm. Sollte die Deutsche Bahn die geplante Digitalisierung des Bahnknotens Köln verschieben, werde man beim geplanten Ausbau um Jahrzehnte zurückgeworfen – zum Schaden der Kunden.
„Schlag ins Gesicht“DB stellt Ausbaupläne für Bahnknoten Köln infrage – Was das bedeutet
Verzögert und oder stoppt die Deutschen Bahn gar den längst begonnenen Ausbau und die Digitalisierung des Bahnknotens Köln? Bleibt der Hauptbahnhof mit mehr als 1200 Zugfahrten täglich noch über Jahre die Verspätungsfalle des Westens? Aussagen mehrerer Führungskräfte aus der Vorstandsetage des Staatskonzerns haben die Verkehrsverbünde und Verkehrspolitiker im Rheinland in Alarmbereitschaft versetzt.
Dass die Bahn bis 2030 der Generalsanierung von 41 Hochleistungskorridoren und einer kontinuierlichen Pflege des Bestandsnetzes Vorrang einräumt, stößt auf Zustimmung. „Mit Erstaunen und Verärgerung“ habe man hingegen zur Kenntnis genommen, dass sich Berthold Huber, DB-Vorstand für Infrastruktur, „dafür ausgesprochen hat, Leistungen im Regionalverkehr zu kürzen und obendrein notwendige Ausbau- und Digitalisierungsvorhaben im Bahnknoten Köln zu stoppen“, heißt es in einem Offenen Brief an den Gesamtvorstand des DB-Konzerns, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ exklusiv vorliegt.
„Die Digitalisierung kann man sich sparen, wenn das Bestandsnetz nicht funktioniert“, hatte Huber jüngst vor Journalisten in Berlin gesagt. „Wichtig ist, dass wir das angehen, was unsere Kunden am meisten quält und wir kein Geld ausgeben für Dinge, die in zehn oder 15 Jahren vielleicht wirksam werden.“
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Bei überlasteten Bahnknoten wie in Köln müsse man auch über Angebotskürzungen im Nahverkehr sprechen. Der Fernverkehr nutze nur 15 Prozent aller Trassen, die zur Verfügung stehen. „Es ist der Regionalverkehr, der die Bahnknoten zufährt und verstopft.“
Was bedeutet das für die Pendler im Rheinland? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Die Bahn macht den Regionalverkehr für den größten Teil der Verspätungen und Zugausfälle verantwortlich. Stimmt das?
In dem Offenen Brief räumen die Vertreter von go.Rheinland, der als Aufgabenträger den Regionalverkehr organisiert, und die Verkehrspolitiker ein, „dass es insbesondere in den Ballungsräumen zu vielen Verspätungen und Zugausfällen im Nahverkehr kommt.“ Das liege aber nicht an zu vielen Fahrten, sondern am Personalmangel, defekten Zügen und der veralteten Infrastruktur. Auch müsse der Nahverkehr immer wieder verspäteten Fernverkehrszügen Vorfahrt gewähren. „Das Signal an die Menschen in der Region zu senden, der ÖPNV sei zu Gunsten des Fernverkehrs zu vernachlässigen, verurteilen wir aufs Schärfste“, heißt es wörtlich.
Zu viele Züge, zu wenig Platz – das ist eines der größten Probleme im Bahnkoten Köln. Darf sich die Deutsche Bahn in den Verteilungskampf bei der Trassenvergabe überhaupt einmischen?
„Nein“, sagt Norbert Reinkober, Geschäftsführer von go.Rheinland. Alle Eisenbahnverkehrsunternehmen, egal ob im Fernverkehr, Nahverkehr oder Güterverkehr unterwegs, müssten ihre Trassenwünsche anmelden. Über die Vergaben entscheide die Bundesnetzagentur. „Dabei darf es zu keiner Wettbewerbsverzerrung kommen. Nur weil nicht alle Wünsche erfüllt werden können, darf man den Nahverkehr nicht benachteiligen, bloß weil der angeblich die Knoten vollfährt“, so Reinkober.
Wie kann man diesen Konflikt lösen? Schließlich muss die Bahn mit dem Fernverkehr Geld verdienen.
„Wie sich die DB gerade aufstellt, halte ich eine Trennung von Bau und Betrieb für absolut erforderlich“, sagt Reinkober. „Die DB-Tochter InfraGO arbeitet gemeinwohlorientiert; der Fernverkehr aber muss Gewinne einfahren.“ Das sei ein Interessenkonflikt. Die Forderung nach einer Bevorzugung des Fernverkehrs beweise, dass der DB-Konzern nicht neutral agiere.
Was müsste sich die Deutsche Bahn tun, um die Regeln einzuhalten?
Wenn eine Strecke chronisch überlastet ist, so dass dort nicht alle Züge fahren können, muss sie bei der Bundesnetzagentur eine Überlastungsanzeige abgeben und ein Konzept erarbeiten, wie man die Strecke nicht nur saniert, sondern den Engpass durch Ausbau beseitigen kann. Darum muss sich dann die Bundesregierung kümmern und der DB den Auftrag erteilen.
Wie viele Überlastungsanzeigen hat die Bahn schon abgegeben?
Bundesweit 24, davon liegen vier im Rheinland.
Welche Strecken sind betroffen?
Es geht um die Strecken zwischen dem Kölner Hauptbahnhof und Köln-Mülheim, von dort weiter über Düsseldorf und Duisburg bis Dortmund, um die Trasse zwischen Hürth-Kalscheuren über Bonn bis Remagen und den Abschnitt von Stolberg bis Aachen.
Sind das nicht alles Strecken, die auf der Sanierungsliste der Bahn bis 2030 stehen?
Das stimmt. Die Vertreter von go.Rheinland befürchten aber, dass die Sanierung wegen fehlender Mittel zulasten der Ausbau- und Digitalisierungsvorhaben im Rheinland geht.
Bei der S-Bahnlinie 13 zwischen Köln und Bonn sei das bereits der Fall. Dort habe die Bahn entschieden, die Planungen für eine neue Brücke in Troisdorf einzustellen. „Jahrzehnte der Vorplanung werden damit zunichtegemacht“, heißt es in dem offenen Brief. „Das wirft die Entwicklung der gesamten Region um Jahre zurück, zumal sich Unternehmen im Vertrauen auf die Schaffung dieser wichtigen rechtsrheinischen Nord-Süd-Verbindung bereits dort angesiedelt haben.“
Die Bahn sagt, sie könne alles gleichzeitig stemmen. Also Netz und Bahnhöfe sanieren, den Neu- und Ausbau und die Digitalisierung vorantreiben. Stimmt das?
Zunächst die Fakten. Pro Jahr stehen zwischen 2025 und 2027 insgesamt 11 bis 13 Milliarden für die Sanierung von insgesamt 13 Korridoren und 300 Bahnhöfen zur Verfügung. Dieses Geld ist abgesichert.
Jeweils zwei Milliarden für die Digitalisierung und den Neu- und Ausbau müssen auf einzelne Projekte bezogen noch durch den Aufsichtsrat am 18. Dezember freigegeben werden.
Warum ist man bei go.Rheinland dann so skeptisch?
Weil die konkreten Aussagen des Bahnvorstands völlig anders klingen: „Die Digitalisierung kann man sich sparen, wenn das Bestandsnetz nicht funktioniert. Neubaustrecken, die auf ein altes Streckennetz treffen, machen die Probleme nur noch größer.“
Deshalb warnt go.Rheinland in dem Offenen Brief vor den Folgen. „Der Stopp der Digitalisierungsvorhaben im Knoten Köln und Knoten Aachen würde dazu führen, dass man nach der Sanierung des Bestandsnetzes weiterhin in zentralen Ballungs- und Knotenräumen mit einer veralteten Technik unterwegs wäre“, heißt es. „Dies hätte zur Folge, dass wir sowohl national als auch europaweit von einer kompatiblen digitalen Entwicklung im Nah- und Fernverkehr abgeschnitten wären. Darüber hinaus wäre der dringend notwendige und angestrebte Ausbau der Kapazitäten im Knotenbahnhof Köln auf unabsehbare Zeit ungewiss.“
Das sei „ein Schlag ins Gesicht für die Menschen dieses bevölkerungsreichsten Bundeslandes, da gerade diese Vorschläge insbesondere den ländlichen Raum von den Möglichkeiten einer guten Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln abschneidet. Hiergegen werden wir uns mit vereinten Kräften auf allen politischen Ebenen zur Wehr setzen. Es kann und darf nicht sein, dass die Ziele des Fernverkehrs zunehmend auf dem Rücken der täglich Millionen Bahnpendlerinnen und -pendler ausgetragen werden sollen.“
Und was erwartet man vom DB-Vorstand in Berlin?
Die Fraktionen im Zweckverband go.Rheinland haben einen Katalog mit sieben Forderungen aufgestellt: 1. Alle im Rheinland in Planung befindlichen Vorhaben müssen fortgeführt werden. 2. Die Digitalisierung des Bahnknotens muss so fortgeführt werden, dass die S-Bahnen in kürzerem Abstand fahren können. 3. Alle Pläne über Kürzungen im Schienenverkehr müssen mit den Gremien vorab besprochen werden. 4. Der Nahverkehr darf nicht zugunsten des Fernverkehrs ausgedünnt werden. 5. Die DB InfraGO muss sich bahnpolitisch neutral verhalten. 6. Die Sanierung der Hochleistungskorridore im Rheinland muss zeitnah mit allen Betroffenen abgestimmt werden. 7. Der Ausbau der S 13 muss nach diesen Arbeiten ohne Einschränkungen fortgesetzt werden.