Köln – Ein regelrechtes Chaos hatten etwa hundert Aktivisten der linken Szene im Stadthaus Deutz angerichtet. Sie schleppten Sofas, eine mobile Suppenküche und eine Tischtennisplatte ins Foyer des Gebäudes, eine Soundanlage sorgte für laute Musik. Dann stürmte eine Gruppe die Büros des Baudezernenten. Ein mutmaßlicher Teilnehmer der Aktion stand dafür am Mittwoch vor dem Amtsgericht.
Anklage: Hausfriedensbruch und Diebstahl
Hausfriedensbruch und Diebstahl wurde einem 26-Jährigen vorgeworfen. Mit etwa 20 weiteren Personen soll er Ende Januar 2019 die Räume des Baudezernenten aufgesucht haben. Die Aktivisten verteilten Luftschlangen und Konfetti und hinterließen ein weißes Pulver – das sich als ungefährlich herausstellte. Der Angeklagte soll bei der Gelegenheit vier Streifenkarten der KVB eingesteckt haben.
Ziel der Erstürmung sei es gewesen, auf die drohende Schließung des Autonomen Zentrums (AZ) am Eifelwall und der drei Bauwagenplätze in Ehrenfeld, Nippes und Mülheim sowie die fehlende Gesprächsbereitschaft der Stadt aufmerksam zu machen, sagte ein Sprecher der Aktivisten damals. „Sojaschnitzeljagd“ sollen die Aktivisten die wilde Aktion genannt haben.
Bengalos auf dem Dach gezündet
Auf dem Dach zündeten Teilnehmer Bengalos und enthüllten ein großes Transparent. Wände und Aufzüge wurden mit Sprühkreide und Filzstiften beschmiert, laut Mitarbeitern sollen auch Behördenakten aus einem Fenster im 15. Stock geworfen worden sein. Eine Hundertschaft der Polizei stoppte die Aktion letztlich. Die Beamten nahmen die Personalien der Teilnehmer auf.
Der Angeklagte, ein Call-Center-Mitarbeiter aus Hagen, räumte beim Prozess in Saal 22 des Kölner Amtsgerichts lediglich seine Teilnahme an einem „kritischen Stadtspaziergang“ ein, der am Bahnhof Deutz gestartet sei. „Ich war nicht im Büro oder im Vorzimmer des Dezernenten“, ließ der Angeklagte über seine Verteidigerin erklären. Die Vorwürfe wies er entschieden zurück.
Polizeibeamte fanden Diebesgut bei Angeklagtem
Der 26-Jährige war ins Visier der Ermittler geraten, nachdem die im Vorzimmer des Dezernenten gestohlenen KVB-Tickets bei ihm aufgefunden worden waren. Der Angeklagte erklärte, diese von einem Tisch im Foyer des Stadthauses an sich genommen zu haben, so auch etwas zu Essen und Cola. In der Annahme, die Veranstalter hätten dies alles für die Teilnehmer bereitgestellt.
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Er habe zumindest nicht vorsätzlich etwas gestohlen, meinte der Angeklagte. Augenzeugen für einen Diebstahl im Büro gab es tatsächlich nicht. Laut Richter Daniel Menzel wurde eine Sekretärin im Baudezernat „von der Meute überrannt“ und habe sich nicht einzelne Gesichter gemerkt. Die Dame war eigentlich als Zeugin geladen, tauchte aber offenbar unentschuldigt nicht im Gericht auf.
Dass ein anderer die KVB-Fahrkarten im Foyer ausgelegt haben könnte, dafür sprach laut Richter die Tatsache, dass weitere Tickets in der Halle herumlagen. „Da tue ich mich schwer, die Einlassung des Angeklagten zu widerlegen“, sagte Menzel. Ein Hausfriedensbruch sei nicht erfüllt, wenn sich der Angeklagte, wie er sagt, nur im frei zugänglichen Bereich des Stadthauses aufgehalten habe.
Aktivist muss Geldauflage zahlen
Gleichwohl könnte sich der Demo-Teilnehmer einer Unterschlagung strafbar gemacht haben, meinte der Richter. Denn grundsätzlich dürfe man herumliegende KVB-Tickets nicht einfach einstecken. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft regte daraufhin die Einstellung des Verfahrens an, allerdings gegen die Zahlung einer Geldauflage im unteren dreistelligen Bereich.
Nachdem der Hagener erklärt hatte, erst kürzlich einen Job bei der Impfhotline des Landes angenommen und noch hohe Schulden bei seiner Krankenkasse zu haben, einigten sich die Parteien auf die Einstellung des Verfahrens wegen geringer Schuld gegen 100 Euro. Auf Wunsch des Protokollführers geht das Geld an eine Stiftung, die Lebensräume von Orang-Utans erhält.