Köln – Uwe Hoffmann ist einer von mehreren Hundert Fluggästen, die allein am vierten Juli-Wochenende ihren Flug am Flughafen Köln/Bonn verpasst haben. Als er mit seiner Tochter nach sieben Stunden Wartezeit vor dem Sicherheitscheck endlich zum Gate durfte, war der Flug nach Griechenland längst weg. Andere Fluggäste warteten doppelt so lange wie der Kölner und seine Tochter vergeblich vor der Sicherheitskontrolle.
Anwälte uneins über Chancen von Klagen
Um nicht den ganzen Urlaub zu verlieren, buchte Hoffmann am nächsten Tag einen neuen Flug. Die Pauschalreise startete schließlich mit vier Tagen Verspätung nach vielen Stunden Wartezeit am Flughafen in Düsseldorf. „Im Endeffekt hatten wir 30 Prozent weniger Urlaub, 50 Prozent höhere Kosten und unglaublich viel Stress.“ Ein Anwalt habe ihm gesagt, dass er zwar gegen die Bundespolizei oder gegen den Veranstalter klagen könne, die Aussichten aber gering seien. „Der Anwalt sagte, er bekomme jeden Tag zehn bis 20 Anfragen zu dem Thema, lehne aber alle ab.“
Der Kölner Reiserechtler Malte Hotes macht Betroffenen wie Hoffmann dagegen Hoffnung. Im Fall von extrem langen Wartezeiten vor den Sicherheitschecks könnten Geschädigte die Bundespolizei (und damit den Staat) mit „sehr guten Aussichten auf Erfolg“ verklagen. Am einfachsten sei eine Klage, wenn die Fluggäste die Ankunftszeit, das Warten in er Schlange und den verpassten Flug genau dokumentiert hätten.
„Fotos helfen genauso wie die Auskünfte von Mitreisenden, die die gleichen Erfahrungen gemacht haben, und später als Zeugen dienen können.“
Urteil des OLG Frankfurt lässt Kläger hoffen
Hotes verweist auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom Januar, das klarstellt: Wer wegen zu langwieriger Sicherheitschecks einen Flug verpasst, kann vom Staat sein Geld für Flug und Übernachtung zurückverlangen. Zwei Frauen hatten ihren Fernflug in die Dominkanische Republik verpasst, obwohl sie wie vorgeschrieben 90 Minuten vor Schließung des Gates an der Sicherheitskontrolle waren.
Am Schalter eingecheckt hatten die Frauen knapp drei Stunden vor dem Abflug. Das hätte ausreichen müssen, urteilte das Gericht. Ein anderer Kläger, der 55 Minuten vor Abflug vor dem Sicherheitscheck eingetroffen war, erhielt nicht Recht.
Viele Betroffene in Köln/Bonn könnten demzufolge Schadensersatz von der Bundesrepublik Deutschland verlangen. Anders sei es, wenn ein Flug gar nicht erst stattfinde. „Dann ist bei Pauschalreisen der Veranstalter haftbar zu machen“, informiert Hotes. „Wenn ein ausgefallener Flug zu einer Verkürzung des Urlaubs führt, können diese Tage zu 100 Prozent im Preis gemindert werden. Auch einen Ersatzflug muss der Veranstalter dann zahlen.“
Flughafen in der Regel nicht haftbar
Nicht haftbar zu machen sei in der Regel der Flughafenbetreiber, so Reiserechtler Hotes. Obwohl der für die Koordination aller Unternehmen vor Ort verantwortlich ist.
Die Verbraucherzentrale berät momentan viele Betroffene in Köln und NRW, die wegen überlanger Wartezeiten ihre Urlaubsflüge verpasst haben. „Die Anfragen haben merklich zugenommen und wir erwarten, dass es noch mehr werden“, sagt Jan Philipp Stupnanek, Reiserechtsexperte der Verbraucherzentrale NRW. „Eine Dokumentation der Lage vor Ort, zum Beispiel durch Screenshots oder Aussagen von Mitreisenden, ist für die spätere Geltendmachung von Ansprüchen ratsam“, sagt Stupnanek.
Flugärger-App der Verbraucherzentrale
Helfen könne vielen Geschädigten die „Flugärger-App" der Verbraucherzentrale, ein kostenloses Tool, mit dem mögliche Ansprüche berechnet und entsprechend bei der Fluggesellschaft geltend gemacht werden können, so Stupnanek. Die App hilft bei Verspätungen, Gepäckverlust und Flugausfällen. Mit Hilfe von Flug-Datenbanken und Abfragen an den Nutzer erzeugt sie ein Anschreiben mit möglichen Forderungen, die nur noch abgesendet werden muss.
Helfen können auch auf Verbraucherthemen spezialisierte Kanzleien, die zum Teil mit kostenlosen Online-Checks die Chancen auf Schadensersatzansprüche prüfen.