Köln – Es gibt viele Tage, an denen Anna Hoffmann mit einem schlechten Gefühl nach Hause geht. „Ich denke oft, dass ich etwas vergessen habe“, sagt die 24-jährige Krankenschwester, die in der Uniklinik Köln in der Kindernotaufnahme arbeitet. Oft seien ihre Schichten unterbesetzt, müsse sie in wenigen Momenten entscheiden, welchem kleinen Patienten sie ihre Aufmerksamkeit zuerst schenkt. „Es rufen teilweise auch überlastete Leute die Pflegedienstleitung an und sagen: Ich kann nicht mehr.“
So wie Hoffmann geht es vielen Mitarbeitenden. Die Pflegekräfte streiken daher seit sieben Wochen für mehr Personal und Belastungsausgleich in den sechs Unikliniken in NRW. Die Gewerkschaft Verdi gibt sich zwar vorsichtig optimistisch, bald einen Durchbruch in den Verhandlungen mit den Kliniken zu erreichen. Vor allem, weil die Kliniken die Verhandlungen nur bis zum 24. Juni anvisiert hätten, sagt Gabriele Schmidt von Verdi NRW am Dienstag bei einer Pressekonferenz im Streikzelt an der Joseph-Stelzmann-Straße.
Neue Angebote der Kliniken lägen andererseits derzeit aber nicht auf dem Tisch. Die Verhandlungsführer der Kliniken halten sich weiterhin bedeckt. „Derzeit laufen intensive und ernsthafte Gespräche mit der Gewerkschaft in eng getakteten Terminen. Wir konzentrieren uns daher auch in den kommenden Tagen darauf, dass diese lösungsorientiert fortgesetzt werden“, sagte Timo Mügge, Sprecher der Uniklinik Köln, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Dienstag.
Vor gut einer Woche hatten die Arbeitgeber fünf zusätzliche freie Tage für Pflegende, die Patienten am Bett betreuen, in Aussicht gestellt. Nicht einbezogen sind aber alle anderen Bereiche wie etwa Krankentransport, Therapeuten, Mitarbeitende im Kreißsaal oder in der Notaufnahme. Schmidt forderte die designierte Landesregierung auf, zusätzliches Personal in allen Bereichen zu finanzieren. Denn die Krankenkassen zahlen nur für weitere Stellen im Pflegebereich am Bett. „Eine Klinik muss in allen Bereichen gedacht werden“, sagt Schmidt. Hake es in einem Bereich, seien auch die anderen betroffen.
Immerhin hätte es vor der Wahl Signale sowohl von allen demokratischen Parteien als auch vom amtierenden Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) persönlich gegeben, den Tarifvertrag Entlastung zu unterstützen. Nun müsse sich die designierte Landesregierung daran messen lassen. Als positiven Schritt wertete Schmidt, dass die Kliniken nun selbst mit den Streikenden verhandeln können, nachdem sie aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten waren. Andererseits hatte die Uniklinik Bonn jüngst versucht, den Streik per Gerichtsentscheid zu unterbinden.
Katastrophale Versorgung
„Die Patienten werden oft katastrophal versorgt, weil wir nicht mehr Zeit haben“, sagt Kinderkrankenschwester Carina Köster (33). Seit zehn Jahren ist sie in der Pflege, arbeitet derzeit auf eine Kinderintensivstation in der Kölner Uniklinik, auf der sich eigentlich vier Pflegekräfte um neun Mädchen und Jungen kümmern sollten. Weil sie aber nicht selten zu Noteinsätzen außerhalb der Station gerufen werden und zudem Patienten aus Geburtskliniken abholen müssten, seien sie oft stundenlang nicht auf der Station. Zu Lasten der Kollegen.
„Eigentlich ist das mein Traumjob“, sagt Köster, „ich will da nicht raus.“ Gleichzeitig beobachtet sie, dass 20 Prozent der Kollegen ausfallen, weil sie sich krank meldeten. Dies führe zu Überstunden, und dazu, dass man auf Pausen verzichte. Kollegin Annika Thürk hat bereits ihre Arbeitsstelle von 100 auf 75 Prozent reduziert. Eine Umfrage unter den Beschäftigten habe weiter ergeben, dass jeder und jede Zweite sich vorstellen könnte, mehr zu arbeiten, wenn die Arbeitsbedingungen besser wären.
Traumjob in Gefahr
Caro Heitmann, die nach einem Nachtdienst in der Notaufnahme der Uniklinik Essen nach Köln gekommen ist, erzählt, wie sie einmal zwei Teenager im Schockraum zusammen mit Kollegen von der Intensivstation und dem Spätdienst betreute habe. In dieser Zeit sei keine Pflegekraft in der Notaufnahme gewesen, wo nicht selten Patienten mit ernsten Erkrankungen wie Schlaganfällen oder Herzattacken ankommen. „Mir bricht es das Herz“, sagt sie. „Wenn wir nicht genügend Personal haben, dann sterben Patienten. So wie es jetzt ist, ist es untragbar.“
Die Mitarbeitenden seien bereit zu Lösungen, die sich in einem Tarifvertrag niederschlagen sollen. Wenn es sein müsse, würde man aber den Streik aufrechterhalten. Um dies ins Bild zu setzen, haben die Pflegenden vor dem Streikposten knapp zwei Dutzend Zelte aufgebaut, die sie im Notfall auch benutzen wollen.