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Von „Stromberg“ bis „Himmel und Kölle“Warum niemand Kölns fleißigsten Comedy-Autor erkennt

Lesezeit 6 Minuten
Dietmar Jacobs

Dietmar Jacobs schreibt unter anderem für Jürgen Becker, Richard Rogler und die „Heute-Show“.

Dietmar Jacobs schreibt seit Jahrzehnten erfolgreich Comedy und Theaterstücke. Aktuell läuft sein „Kardinalfehler“ im Theater am Dom.

Sie sind wohl einer der fleißigsten Comedy-Autoren Deutschlands und das schon über Jahrzehnte: Drehbücher für „Pastewka“, „Stromberg“ und „Mord mit Aussicht“, Bühnenprogramme für Jürgen Becker, Thomas Freitag und Richard Rogler, Texte für die Satire-Sendungen „Extra 3“, „Heute-Show“ und „Mitternachtsspitzen“, Co-Autor des Musicals „Himmel und Kölle“ und des aktuellen Stücks „Kardinalfehler“ im Theater am Dom. Wie schafft man das?

Ich fand schon als Schüler Thomas Freitag toll, ich war ein echter Fanboy. Andere hatten AC/DC-Poster an der Wand, ich einen Kabarettisten. Das war natürlich extrem uncool. Aber ich bin schon als Jugendlicher immer ins Düsseldorfer Kom(m)ödchen gegangen, das ich bis heute liebe. Mit 20 hatte ich dann meine eigene Kabarett-Truppe „Rattenpack“.

Es sind kleine Momente, die mich überraschen oder berühren und die ich dann notiere oder ins Handy spreche
Dietmar Jacobs

Und dann schrieben Sie Mitte der 1990er Jahre die erste deutsche Sitcom „Das Amt“. Sie sind ein Pionier.

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Damals kam das Privatfernsehen in Deutschland auf und brachte die amerikanischen TV-Formate mit. Ich hatte allerdings zehn Jahre lang gar keinen Fernseher. Ich habe mir dann einen gekauft und die ganzen Soaps und Krawall-Talkshows geguckt. Und gedacht: Die Welt geht unter. All der Trash und die Schreierei. Aber die Sitcoms (Kurzform für situation comedy, die Red.) wie zum Beispiel „Eine schrecklich nette Familie“ oder „Frazier“ fand ich sehr gut. Denn die sind eigentlich wie Theater. Oder wie mein Freund Jochen Busse sagt: „Sitcom ist, wenn ich irgendwo sitz und einer kommt.“ Ich habe mich dann bei der sogenannten „Schreibschule“ der Filmstiftung NRW mit einem Script für das „Amt“ beworben. Es meldete sich sofort ein Produzent, der gleich 13 Folgen haben wollte. Das gäbe es heute gar nicht mehr.

Bill Mockridge, Armin Riahi und Hartmut Volle (v.l.) im Stück „Kardinalfehler“ im Theater am Dom

Bill Mockridge, Armin Riahi und Hartmut Volle (v.l.) im Stück „Kardinalfehler“ im Theater am Dom

Woher bekommen Sie Ihre Ideen?

Die Anregung zum „Amt“ kam von meiner Frau, die damals in einem Amt arbeitete und mir davon viel erzählte. Grundsätzlich entstehen die meisten Ideen aber durch Beobachtung. Ich gehe viel spazieren, beobachte Leute. Wobei ich mich nicht hinsetze wie ein Verhaltensforscher und Menschen „ausspioniere“. Es sind kleine Momente, die mich überraschen oder berühren und die ich dann notiere oder ins Handy spreche. Als wir mit unseren damals kleinen Töchtern nach Riehl zogen, haben wir zum Beispiel festgestellt, dass es dort Windeln für Senioren zu kaufen gibt, aber keine Babywindeln. Außerdem gibt es drei Bestatter. Ein älterer Stadtteil eben, aber sehr schön. Und ich lese jeden Tag Zeitung.

Von meinen Ideen werfe ich oft 80 Prozent weg, bis ein Stück fertig ist
Dietmar Jacobs

Aber wie schafft man so einen großen Output?

Das wirkt immer so viel. Aber wenn ich 200 Tage im Jahr jeweils nur eine Seite schreibe, habe ich am Ende des Jahres etwa zwei Theaterstücke fertig. In drei Jahren wären dann sechs Stücke irgendwo unterwegs, denn die laufen ja oft länger und an unterschiedlichen Häusern in Deutschland. So entsteht dann schnell der Eindruck: Der schreibt ja dauernd und alles.

Also schreiben Sie fast jeden Tag?

Ja. Zum Schreiben gehört natürlich viel Selbstdisziplin, weil es ja nichts gibt, was einen zwingt zu arbeiten, außer der Abgabetermin. Und es gibt oft Momente, in denen man auf der „Flucht vor dem Schreiben“ seine Bücher alphabetisch ordnen möchte oder fünfmal guckt, was im Kühlschrank ist. Aber ich schreibe auch wirklich gerne. Das leere Blatt und der blinkende Cursor sind natürlich immer eine Herausforderung. Aber es gibt ein paar Tricks: Abends mit etwas aufhören, von dem man weiß, wie es weitergeht. Dann ist man am nächsten Tag gleich im Flow. Und: Immer sofort etwas hinschreiben, damit der Cursor nicht lange blinkt. Schreiben bedeutet dazu auch Wegschmeißen. Von meinen Ideen werfe ich oft 80 Prozent weg, bis ein Stück fertig ist. Es ist ein dauerndes Verdichten.

Szene aus dem Musical „Himmel und Kölle“ in der Volksbühne am Rudolfplatz.

Szene aus dem Musical „Himmel und Kölle“ in der Volksbühne am Rudolfplatz.

In „Himmel und Kölle“ haben Sie die gerade aktuelle Verwahrlosungsdiskussion thematisiert. Sie wollten sich an Ihrer Heimatstadt „abarbeiten“, sagten Sie.

Ich bin zwar nicht in Köln geboren, aber ich habe den größten Teil meines Lebens hier verbracht und liebe diese Stadt. Mein Co-Autor Moritz Netenjakob und ich haben wie viele andere Kölner dieses ambivalente Gefühl: Tiefe Liebe aber auch beständiges Ärgern, warum hier so vieles nicht funktioniert.

Im tiefsten Dreck, da strahlt der Jeck
Zitat aus „Himmel und Kölle“

Im Stück gibt es den schönen Reim: „Im tiefsten Dreck, da strahlt der Jeck.“ Das drückt doch eigentlich alles aus, oder?

Ja, denn es ist das, was die Stadt am Ende lebenswert erhält. Wir sind nicht Gelsenkirchen mit Dom. Irgendetwas gibt es hier, was die Seele der Stadt ausmacht. Jeck sein, anders sein wollen, Herz haben, sich immer wieder hochkämpfen. Aber ich glaube auch, dass die Grenze zwischen Toleranz und Verwahrlosung oft sehr unscharf gezogen wird. Ich fand die Aussagen von Frau Reker im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sehr bemerkenswert. Ich weiß nicht, ob es gut ist, in diesen Zeiten einen solchen Offenbarungseid zu leisten. Es ist politisch kein kluger Move, den Menschen zu sagen: Es gibt eigentlich niemanden, der etwas verändern kann.

Was ist für Sie das Lebenswerte an Köln?

Köln lebt auch durch die vielen kleinen Kulturräume, durch die Subkultur, eigenartige Musik, Experimente. Da spürt man den Puls. Durch Kürzungen in diesem Bereich geht sehr viel verloren.

Sie sind Jahrgang 1967. Wird das Publikum, für das Sie schreiben, dadurch zwangsläufig auch älter?

Das hängt vom Kontext ab. Ich schreibe fast jede Woche für „Extra 3“, das wird von vielen jungen Leuten geschaut, viel mehr über social media als linear. Da ist immer wieder die Herausforderung: Treffe ich da den richtigen Ton? Da ist es sehr gut, dass wir ein gemischtes Autorenteam haben, in dem auch Jüngere vertreten sind. Wenn ich einen Gag mache, in dem Rudi Carrell vorkommt, dann fragen die: Wer ist Rudi Carrell? Und manchmal machen die jungen Kollegen Anspielungen auf Serien, die ich erst googeln muss. Da muss man die Balance halten. Ich will jedenfalls kein Opa-Schreiber sein.

Warum treten Sie nicht mehr selbst auf?

Das war mir irgendwann viel zu aufwändig. Wenn ich einen Auftritt-Termin hatte, hatte ich den ganzen Tag schlechte Laune, außer bei dem Auftritt selbst und beim Applaus. Ich hatte keine Lust hinzufahren und keine Lust wegzufahren. Dann ist es irgendwann 23.30 Uhr und du hängst in einer Tanke in Dinslaken und isst zwei Bounty und eine Bifi. Dann denkt man doch: Was soll das? Und außerdem war ich als Spieler sicher auch nicht gut genug. Ich schreibe lieber für Leute, die das besser können.

Aber ist das nicht ein bisschen ärgerlich, dass Sie die Ideen haben und die anderen damit berühmt werden?

Nein, ich finde es super, dass man mich auf der Straße nicht kennt. Wenn ich mal mit Prominenten, für die ich schreibe, unterwegs bin und die ständig angesprochen und nach einem Selfie gefragt werden, denke ich immer: Wie schön, dass ich hier sitze und keiner weiß, wer ich bin.