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Klimaneutralität bis 2035Kann Köln dieses Ziel wirklich schaffen?

Lesezeit 4 Minuten
Techniker montieren Photovoltaikmodule auf dem Dach eines Wohnhauses.

Im Jahr 2035 möchte Köln klimaneutral sein. Die Verwaltung hat sich selbst Verpflichtungen auferlegt, zum Beispiel den Ausbau von Photovoltaik. (Symbolbild)

Köln möchte in wenigen Jahren klimaneutral sein. Die Aufgabe ist gigantisch, denn in der Vergangenheit wurde viel Zeit vergeudet. Ist das noch zu schaffen?

Das Jahr 2035 hört sich immer noch an wie ferne Zukunft. Es liegt auch in der Zukunft, aber allzu fern ist sie beileibe nicht mehr. In 13 Jahren schon möchte Köln klimaneutral sein. „Es ist zu schaffen“, hatte Oberbürgermeisterin Henriette Reker zuletzt gesagt. Dieser Satz impliziert allerdings auch, dass Köln die ohnehin ambitionierte Zielmarke reißt. Denn der Einfluss von Rekers Verwaltung ist beschränkt.

Alle müssen mitziehen, nicht nur die Ämter der Stadt. Kölnerinnen und Kölner genauso wie Industrie und Wirtschaft oder die Menschen in der Region. Und das weitestgehend freiwillig, inklusive der Bereitschaft zum Verzicht und oftmals auch zu nicht geringen Investitionen.

Der Kampf um Flächen ist erbarmungslos

Seit der vergangenen Kommunalwahl sind Umweltthemen nicht mehr nur ein Anhängsel des Sozialdezernats. Es gibt mit William Wolfgramm einen eigenen Beigeordneten für Klima, Umwelt, Grün und Liegenschaften. Dass Liegenschaftensangelegenheiten nicht Markus Greitemanns Baudezernat zugeordnet sind, zeigt eine deutliche Verschiebung der Prioritäten. Auch Bauen ist klimarelevant, diese alte Erkenntnis manifestiert sich in der neuen Verwaltungsstruktur. Der Kampf um die raren Flächen ist erbarmungslos. Alle wollen ihr Stück Köln, und das durchaus zurecht.

Die Wohnungswirtschaft, weil sie dringend benötigten Wohnraum schaffen will. Die Kultur, weil sie nicht von Bauprojekten verdrängt werden will. Oder die Wirtschaft, weil sie expandieren und Arbeitsplätze sichern will, was wiederum immens wichtige Gewerbesteuereinnahmen bringt. Das alles geht allerdings mit einer Flächenversiegelung einher. Und der möchte Dezernent Wolfgramm mit einem „Masterplan grün“ einen Riegel vorschieben. Der Plan, im Rat vorerst noch vertagt, soll unter anderem Grünflächen und Frischluftschneisen sichern.

Die Verwaltung hat sich selbst Verpflichtungen auferlegt, zum Beispiel den Ausbau der Photovoltaik (PV) auf ihren Gebäuden zu forcieren. Und für private Hausbesitzer stellt die Stadt – zusätzlich zu anderen Fördertöpfen etwa vom Bund – einen eigenen Subventionsetat von 20 Millionen Euro für die energetische Sanierung, der erneuert werden soll, wenn die ersten Millionen vergeben wurden. Die Stadt kann hier nur Anreize schaffen, die Solartechniker müssen Immobilieneigentümer schon selbst bestellten. Denn beim Weg der Abkehr von fossiler und der Erzeugung eigener Energie auf Kölner Boden ist PV ein wesentlicher Faktor, von dem zurzeit aber nur ein kleiner Bruchteil in Köln ausgeschöpft wird.

Bauen ist indes nur ein Bereich, der unter Umweltgesichtspunkten gesehen werden muss. Auch Projekte in Wirtschaft, Digitalisierung oder Verkehr müssen den Klimaschutz voranstellen. Klimawende geht nicht ohne Verkehrswende, aber wie schwer das im Verkehr ist, zeigt die Debatte um die Ost-West-Achse der Stadtbahn. Der Ausbau des Öffentlichen Nahverkehr ist ein Kernpunkt auf dem Weg zur Klimaneutralität. Aber seit Jahren schon zieht sich dieses eine Projekt.

Eine Bürgerbeteiligung brachte tausende Eingaben, die geprüft werden mussten. Die politischen Parteien stehen sich unvereinbar gegenüber in der Frage, ob es einen Tunnel oder eine oberirdische Lösung geben soll. Nicht einmal die Ratsbündnispartner Grüne (Straßenbahn) und CDU (U-Bahn) können sich einigen. Wenn hier einmal eine Übereinkunft erzielt wurde, wird es verdammt eng mit 2035.

Immerhin gedeiht das Radwegenetz. An vielen Stellen entstehen neue Abschnitte, Radspuren, Fahrradstraßen, wenngleich es noch ein weiter Weg ist zum flächendeckenden Netz, besonders in den Außenbezirken. Rad und Fußverkehr bekommt mehr, das Auto weniger Raum. Bei den Ladesäulen für E-Autos hingegen hat Köln im Vergleich zu anderen Städte noch eklatanten Nachholbedarf.

Viel Strategie, zu wenig Aktion

Was zu tun ist, um überhaupt eine Chance auf Klimaneutralität bis 2035 zu haben, steht in einer umfangreichen Studie, die OB und Umweltdezernent gemeinsam mit renommierten Forschern kürzlich präsentierten. Es ist ein hunderte Seiten starkes Strategiepapier, aus dem die Stadt bis zum Sommer einen Katalog mit konkreten Maßnahmen ableiten und vorstellen will.

Und das ist genau der Punkt: Es ist bislang viel Strategie und immer noch zu wenig Aktion. All den Studien und Masterplänen, Arbeitskreisen und Runden Tischen, so nötig sie für ein koordiniertes Vorgehen auch sind, sind bislang zu wenig Taten gefolgt. Natürlich gibt es Strukturen und Prozesse, die jede noch so ambitionierte Kommune einhalten muss. Aber es wird bereits viel Zeit vertan, auch, weil sich die Politik mitunter gegenseitig blockiert und der Verwaltung ins Handwerk hineinregiert.

Köln ist auf dem Weg zur Klimaneutralität, das ist gewiss. Ob sie bis 2035 gelingt, wahrlich nicht.


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