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„Zwei Kaffee, bitte!“Kölner Krankenpfleger: „Drogensüchtig ist man ein Leben lang“

Lesezeit 3 Minuten
Zu sehen ist ein Mann in einem Café, der vor sich einen Kaffee und ein Stück Kuchen auf dem Tisch stehen hat.

Ralf Rother ist für die Drogensubstitution in einer Kölner Hausarztpraxis zuständig.

Ralf Rother ist in einer Kölner Hausarztpraxis für die Drogensubstitution zuständig. Sucht betrifft alle Gesellschaftsschichten.

Mein heutiger Gesprächspartner hat beruflich mit Menschen zu tun, die „weitgehend abgelehnt“ werden. Die „keine wirkliche Lobby haben“ und damit auch keine Fürsprecher. Die anders, als etwa kranke Kinder „eher Ekel als Mitleid“ hervorrufen und die vielfach als „am Rande der Gesellschaft stehend“ betrachtet werden. Aber gerade Letzteres treffe nicht zu, sagt Ralf Rother. Drogenabhängigkeit, das weiß er aus seiner täglichen Praxis, betrifft alle Gesellschaftsschichten.

Die Wohlhabenden unter den Konsumenten hätten lediglich das Privileg, sich möglichst reinen Stoff besorgen und leisten zu können und trügen daher nicht die deutlichen Zeichen des körperlichen Verfalls, die einem beispielsweise am Neumarkt begegnen, wo die Verelendung sichtbar und offen zutage tritt.

Etliche drogenabhängige Patienten sind zwischen 50 und 75 Jahre alt

Ralf Rother hat mit dieser Klientel allerdings keine Berührung, sondern mit einem anderen Personenkreis zu tun – darunter auch etlichen Patienten, die bereits zwischen 50 und 75 Jahre alt sind. Er selbst ist 54 Jahre alt, gelernter Krankenpfleger, und arbeitet – nachdem er sich früher lange um aidskranke Menschen gekümmert hat – in einer Kölner Hausarztpraxis. Dort ist er für die Drogensubstitution zuständig. „Sie haben Patienten, die Mitte siebzig und noch immer heroinabhängig sind?“, frage ich.

„Süchtig ist man ja ein Leben lang“, entgegnet mein Gegenüber. Unter seinen Patienten seien allerdings wenige, „die gespritzt haben oder spritzen würden“, sondern die Droge auf andere Weise konsumiert hätten; darunter auch eine Frau von Anfang 70, die regelmäßiger kokste oder Ecstasy schlucke, „um wieder ein bisschen mehr Energie zu kriegen“.

Drogenabhängige sind machtlos gegen das Verlangen

In der Praxis erlebe man immer wieder Leute, „bei denen man nicht denken würde – oder sehen könnte – dass die süchtig sind oder waren. „Leute, die raus aus der Szene sind, ein normales Leben führen, aber weiterhin ihr Substitut benötigen.“ Rother berichtet von der Gefahr und von der Angst, dass das Suchtverlangen wiederkommt. Ein Verlangen, gegen das der Abhängige machtlos sei.

„Drogenabhängigkeit ist ja kein selbst gewähltes Vergnügen. Das ist eine Sucht. Und Sucht bedeutet: du hast keine Wahl!“ Vielen Außenstehenden, betont Rother, sei dieser Umstand nicht hinreichend klar. Bei Süchtigen gebe es keinen Entscheidungsspielraum im Sinne von: Kaufe ich heute Schwarzbrot oder Weißbrot?

Die meisten sind sehr dankbar und freundlich
Ralf Rother über seine drogensüchtigen Patienten

„Wie könnte man Ihrer Ansicht nach die Haltung der Bevölkerung gegenüber diesen Menschen ändern und verbessern?“, frage ich. „Indem man Drogensucht als Krankheit akzeptiert.“ Ähnlich, wie das allmählich auch bei psychischen Erkrankungen wie der Depression der Fall sei.

Rother ist nicht nur dafür zuständig, dass die Patienten ihr Substitut erhalten. Teilweise hilft er den Betreffenden auch, ihr Leben zu organisieren und dem Tag Struktur zu geben. Er begleitet und unterstützt. „Aber ich bin nicht die Mutti, die kriegen von mir auch schon mal 'nen kleinen Tritt!“– „Und sind dann sauer?“, frage ich. „Nein, die meisten sind sehr freundlich und dankbar für Hilfe."

Krankenpfleger hält nichts davon, Cannabis zu verbieten

Vielfach steckten die Leute ja nicht nur in einer Drogen-Abhängigkeit, sondern benötigten zudem Psychopharmaka, um von ihrem hochgepuschten Zustand wieder runterzukommen, um überhaupt schlafen zu können. Ich frage Rother, ob er die Drogengeschichte seiner Patienten kenne, und ob in den meisten Fällen tatsächlich Cannabis die Einstiegsdroge war, wie es vielfach als Argument gegen die geplante Freigabe angeführt wird.

Mein Gegenüber schüttelt den Kopf. „Cannabis würde ich eher als Beiwerk sehen.“ Er halte im Übrigen gar nichts vom weiteren Verbieten. „Cannabis ist inzwischen viel zu sehr verbreitet – in allen Schichten. Nur sehe man das nicht, da der Anwalt oder Banker anders, als die jungen Leute im Park, in gepflegtem Rahmen in seiner Immobilie kiffe. In den Augen meines Gesprächspartners ist die Unterscheidung zwischen Alkohol als Genussmittel gegenüber der sogenannten Droge Marihuana „eine Doppelmoral hoch drei“. Bei jedem Weinfest im Winzerdorf gehe es nicht um ein gutes Tröpfchen, sondern ums kollektive Besäufnis“.