In zehn Tagen bot das Acht Brücken Musikfestival mit rund fünfzig Konzerten ein vielfältiges Programm. Ein Rückblick.
Acht Brücken Festival17.000 Menschen besuchen die Konzerte
Während zehn Tagen bot das Kölner Festival Acht Brücken in rund fünfzig Konzerten sagenhaft viel Musik. Die Veranstaltungen wurden von 17.000 Besuchern wahrgenommen und mobilisierten auch Publikum, das sonst eher keine Konzerte neuer Musik besucht. Unter dem schwammigen Motto „Musik oder Nichts“ wurde indes alles und nichts geboten. Neben neuer Musik und 33 Uraufführungen gab es auch einigen „Beifang“ bei Techno, Jazz, Pop, Electronica, Soft-Classic, Neo-Romantik, Beethoven und Bruckner. Intendant Louwrens Langevoort betont „die Musik von Jetzt“. Doch einfach alle Musik geht auf Kosten von erkennbarer Programmatik und überregionaler Ausstrahlung.
Für Profil sorgten indes Meilensteine des Klangkomponierens nach 1960, darunter zentrale Werke von György Ligeti und Helmut Lachenmann, dessen „Got Lost“ und „Accanto“ ebenso großes wie begeistertes Auditorium fanden. Den Gipfel bildete im Abschlusskonzert Gérard Griseys 1985 vollendeter Riesenzyklus „Les espaces acoustiques“.
Acht Brücken Festivals mit Komponistin Rebecca Saunders
Vom Bratschensolo über Kammer- und Ensemblemusik steigert sich eine Obertonskala während sechs Sätzen zur eruptiv aufstrahlenden Supernova mit Ensemble Modern, IEMA-Ensemble und Junger Deutscher Philharmonie unter Leitung von Ingo Metzmacher. Zu dieser rauschhaften Klangentfaltung passte auch das zehn Werke umfassende Porträt von Rebecca Saunders. Die 1967 in London geborene Komponistin müsste eigentlich Sounders heißen, weil bei ihr alles Sound ist und – gemäß dem Festivalmotto – sonst nichts.
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Ihre geht es um die Gestaltung von Klängen, Farben, Dichte- und Bewegungsgraden. Allenfalls Textfragmente von Samuel Beckett deuten inhaltliche Aussagen an. Dieser Ästhetizismus ist bewundernswert und zugleich defizitär, denn er ist weitgehend frei von historischen Tiefendimensionen, gesellschaftlichen Zusammenhängen, kulturellen Kontexten und politischen Implikationen.
Sopranistin Juliet Fraser im Kölner Musikfestival
Man versinkt in den wahlweise sanften, harten oder schroffen Klängen. Doch sobald die Stücke verhallt sind, klingt nichts mehr davon nach. Die Musik ist fraglos schön in dem Sinne, dass sie einfach keine Fragen aufwirft, weder im Besonderen auf ihren Sonorismus bezogen noch im Allgemeinen hinsichtlich neuer Musik und deren aktueller Rolle in Kunst und Gesellschaft.
Saundersʼ achtzigminütige Raumperformance „Yes“ von 2017 zelebrierte das Ensemble Musikfabrik mit der sagenhaften Sopranistin Juliet Fraser als wahres Hochamt des Hörens. Die Leitung hatte der Dirigent und Komponist Enno Poppe, Partner von Saunders und künftiger Porträtmusiker bei Acht Brücken 2024.
Orchester der Hochschule für Musik und Tanz tritt bei „Acht Brücken“ auf
Von allen Seiten des Sartory-Saals tönten Instrumentalklänge und Sprachfetzen vom zartesten Flüstern über kaskadenartig ausgestoßene Konsonanten zu brutalem Hämmern und orgiastischem Aufwallen. Inmitten der expressiven Spitzentöne, harten Schläge und mit der Hand vor dem Mund erstickten Sprach- und Gesangslauten saß das Publikum wie im tagträumenden Stream of Conciousness der Molly Bloom aus dem letzten Kapitel von James Joyces „Ulysses“.
Einer exzellenten Aufführung von Saundersʼ „Void“ durch das von Susanne Blumenthal bestens einstudierte und geleitete Orchester der Hochschule für Musik und Tanz Köln mit den jungen Schlagzeugsolisten Moritz Koch und Alejandro Sarriegui folgte die Uraufführung von Tom Belkinds „Com Pulse Im Pulse“. Der Kompositionsstudent ließ Schalltrichter, Saiten und Lautsprecher durch Alu- und Plastikfolien dämpfen und knistern. Der anfangs tiefenentspannte Apparat wurde dann entpackt, um immer intensiver zu atmen bis hin zu heftigem Keuchen. Am Ende versank dann alles wieder in rauschenden Lautsprecherzuspielungen und mit Schneebesen bespielten Streichinstrumenten.
Raschèr-Saxophone Quartet spielt mit dem Gürzenich Orchester
In Michael Pelzels „Carnatic Pandora“ ließ Geigerin Carolin Widmann leise Unisono-Doppelgriffe zu Schwebungen aufrauen und schließlich in Mehrklänge verzweigen. Mit der Entfaltung des Klangs öffnete sich zugleich der Raum durch im Saal verteilte Streicher. Heraus kam jedoch nur epigonaler Neo-Scelsi, gleichwohl brillant gespielt von der Basel Sinfonietta unter Leitung von Peter Rundel.
Eigenständiger geriert Bernhard Ganders „Evil Elves: Level Eleven“ für das Raschèr-Saxophone Quartet und Gürzenich Orchester unter François-Xavier Roth. Die in hoher Lage wimmernden Saxophone wurden hier blockweise vom Tutti mit schreienden Clustern, wilden Repetitionen und Rasereien überfahren, bis sich die „bösen Elfen“ ihrerseits ins Tutti schlichen, um es von innen auszuhöhlen.