Alexander Melnikov überraschte beim Gürzenich-Konzert in der Kölner Philharmonie mit einem romantisierten Mozart-Programm.
Alexander Melnikov in KölnAuch dieser Mozart sollte gestattet sein

Der russische Pianist Alexander Melnikov gastierte in der Kölner Philharmonie.
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Mozarts d-Moll-Fantasie KV 397 blieb Fragment, also unvollendet. Der Freund Maximilian Stadler stoppelte nach seinem Tod noch ein paar hastige Schlusstakte an, in welcher Form das Werk dann auch siegreich seinen Weg in die Klavierstunde fand. Alexander Melnikov, der Solist des jüngsten Gürzenich-Konzerts in der Kölner Philharmonie, legte in der Zugabe ein Bekenntnis zur Unfertigkeit ab und ließ das Stück mit dem noch von Mozart notierten Spannungsakkord enden, also wie eine unbeantwortete Frage sozusagen in der Luft hängen.
Auf Anhieb mutet dieser Mozart bei Alexander Melnikov sonderbar an
Das durfte man programmatisch verstehen: Das Fragment ist eine Kunstform aus romantischem Geist, und romantisierend bis romantisch ist in der Tat die Mozart-Auffassung des russischen Starpianisten. Das zeigte sich gleich beim Einstieg in die Fantasie, wo er die Arpeggien als eine wogend-raunende Klangfläche anlegte. Auf Anhieb mutet das sonderbar an, denn Melnikov ist zugleich ein Matador der historischen Aufführungspraxis. So konnte man Mutmaßungen darüber anstellen, wie er wohl die Fantasie wie auch das vorangehende Klavierkonzert KV 466 in der nämlichen Tonart auf dem Hammerflügel gespielt hätte.
Auch dort, im Konzert, ging es immer wieder romantisch zu: So geriet gleich die Solointroduktion des ersten Satzes quasi-improvisatorisch, frei ausschwingend unter Inanspruchnahme ziemlich extremer Lizenzen in Tempo- und Ausdruckswahl. Klar, in den orchesterbegleiteten Stellen konnte Melnikov das aus Koordinationsgründen so nicht durchziehen, aber eine Tendenz zum poetischen Verklingen und Verdämmern, auch – im zweiten Satz – zur Gestaltung der Reprise als fernes Erinnerungsbild war auch hier unverkennbar.
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Melnikov verzichtete auf die überfrachteten, leider immer noch viel gespielten Beethoven-Kadenzen
Nun muss man diesen Stil nicht unbedingt mögen, aber eine romantisierende Mozart-Darstellung sollte gestattet sein – zumal dann, wenn sie sich auf spielerisch so hohem Niveau, so konzentriert und ohne Virtuosengehabe vollzieht. Melnikov tut auch da auch im gestalteten Detail manches Gute: Die Verzierungspraxis in der Romanze etwa geriet schön und angemessen, der in der Partitur überlieferte skelettierte Klavierpart ist zweifellos nicht der Weisheit letzter Schluss. Der Solist verzichtete auch dankenswerterweise auf die überfrachteten und unpassenden, leider immer noch vielgespielten Beethoven-Kadenzen.
Am Pult stand mit dem Briten Ivor Bolton gleichfalls ein Mann der historischen Aufführungspraxis, der vom am Sonntagmorgen gut aufgelegten Orchester auch einen entsprechenden Grundsound einforderte: mit scharfen Konturen, harten Streicher/Bläser-Kontrasten, aktiven Begleitstimmen, einem schlank-dramatisierten Klangbild, teils auch leicht angezogenen Tempi, etwa im ersten Satz von Mozarts abschließender Es-Dur-Sinfonie KV 543. Gerade diesem Werk jedenfalls bekam das alles recht gut. Rätselhaft blieb allemal, dass und wie die Musiker mit Boltons Schlag so gut zurechtkamen. Der verzittert sich mitunter völlig unnötig in einer engmaschig-nervösen Kleinteiligkeit. So etwas müsste die Adressaten doch eigentlich kirre machen.
Besonders fiel das in der selten gehörten ersten Sinfonie von Carl Maria von Weber zu Beginn des Konzerts auf. So richtig überzeugen konnte das Stück des 20-Jährigen übrigens nicht, der „Freischütz“-Komponist ist da noch kaum zu ahnen. Die Erfindung bleibt unspezifisch, die Melodik kurzatmig, die Dramaturgie der Form irgendwie statisch und flügellahm. Bolton gab da viel feurigen Input und entfachte doch allenfalls eine künstliche Hitze.