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Art BaselGesellschaftskritik und das ganz große Geld

Lesezeit 4 Minuten
Besucher fotografieren das große Bild. Darauf ist der Künstler am Bug eines brennenden Schiffs zu sehen.

Jam Proximus Ardet, the last video des Künstlers Adel Abdessemed während der Art Basel

Das Geschäft läuft rund bei der Art Basel, auch weil dieser Kunstmarktplatz der Superlative engagierte Kunst und den kritischen Zeitgeist zu integrieren weiß.

Alljährlich die gleiche Häutung. Die beschauliche Schweizer Stadt Basel, Sitz riesiger Pharmagiganten wie Hoffmann-La Roche, ist eigentlich der letzte Ort, an dem man den internationalen Kunst-Jetset vermuten würde. Dank der Messe Art Basel erlebt man aber für eine kurze Zeit ein Wunder, wenn sich das sonst eher öde Pflaster in eine quirlige Kunstmetropole verwandelt.

Weil die Ergebnisse der großen Frühjahrsauktionen in New York zuletzt gemischt ausgefallen waren, fürchtete manch einer der Händler unter den 285 angereisten Galerien ein Abflauen des Kunstmarktes auch an diesem Marktplatz, traditionell der Zufluchtsort für die Spitzenklasse wiedererkennbarer Trophäen schlechthin. Inflation, hohe Zinssätze, konfrontative Politik und ein anhaltender Krieg schienen das Verbrauchervertrauen geschwächt zu haben.

Auch Michael Ballack und Jil Sander sind in der Art Basel

„Niemand wusste so recht, was ihn in dieser Woche erwarten würde“, sagte der neue globale Geschäftsführer der Art Basel, Noah Horowitz, am ersten VIP-Preview-Tag am Dienstag, betonte aber auch, dass das Flagschiff am Rheinknie „die wichtigste jährliche Veranstaltung auf dem globalen Kunstmarkt“ und ein „Barometer der Branche“ sei. Und so konnte man sich auch auf den Ansturm der Besucher verlassen, vor allem aus China reisten überproportional viele Sammler und Sammlerinnen an. Mit von der Partie waren auch wichtige Akteure der Kunstbranche wie Cecilia Alemani, die künstlerische Direktorin der vergangenen Kunstbiennale von Venedig. Oder Prominenz wie Ex-Fußballer Michael Ballack und Mode-Ikone Jil Sander.

Alles zum Thema Gerhard Richter

Die Befürchtungen eines „kühleren“ Markts erwiesen sich als verfrüht, denn bereits in den ersten Stunden war die Nachfrage nach Blue Chips im sieben- und achtstelligen Bereich groß. Gerhard Richters Skulptur „STRIP-TOWER“ (2023) verkaufte David Zwirner für 2,5 Millionen US-Dollar. Auch viele Künstlerinnen seiner Galerie konnten von dem Kaufrausch profitieren, darunter Bridget Riley, Elizabeth Peyton oder Alice Neel, von der das Porträt „Eddie“ von 1968 für 2,8 Millionen US-Dollar den Besitzer wechselte, der höchste Preis unter den genannten Frauen.

22,5 Millionen für Spinnen-Skulptur von Louise Bourgeois

Das teuerste verkaufte Werk war eine riesige Spinnen-Skulptur von Louise Bourgeois aus dem Jahr 1996 bei Hauser & Wirth, die für 22,5 Millionen US-Dollar an einen US-Sammler ging. Die britische Galerie White Cube konnte auf Augenhöhe auch nicht klagen. Hier sorgte der Verkauf von Gemälden eines Georg Baselitz und Anselm Kiefer bereits für Einnahmen von 6,2 Millionen Euro, gefolgt von einem Mark Bradford, der allein 4,5 Millionen US-Dollar in die Kasse strömen ließ.

Das teuerste Werk, ein 60 Millionen Dollar schweres Rothko-Gemälde in Sonnenuntergangstönen, blieb bei Acquavella Galleries jedoch unverkauft. Das galt auch für einen Picasso für 25 Millionen US-Dollar bei Landau und ein Joan Mitchell-Triptychon im Wert von 14 Millionen US-Dollar bei Pace. Als Hinweis auf eine Krise sollte man diese Zurückhaltung trotzdem nicht deuten, denn viele teure Werke werden erfahrungsgemäß am zweiten und dritten Tag verkauft.

Kölner Galerie Buchholz verkauft Gemälde von Anne Imhof

Bis Ende des ersten von zwei Preview-Tagen entfielen auf sechs der Top-Galerien 175 Millionen US-Dollar Verkaufsgewinn, wobei allein Hauser & Wirth einen Umsatz von 57 Millionen US-Dollar meldete. Die Berliner Galerie Sprüth Magers konnte da trotz großer Namen nicht mithalten, punktete aber mit dem genreübergreifend arbeitenden deutschen Star Anne Imhof, von dem sie die unter anderem aus einem schwarz lackieren Motorrad bestehende Installation „My Own Private Idaho“ von 2022 neben kleineren Arbeiten der Künstlerin für 250 000 Euro verkaufte.

Auch die Kölner Galerie Buchholz hatte Imhof im Gepäck. Das ebenfalls am ersten Tag verkaufte Gemälde „Blue cloud“ (2023) erfreute sich wegen der psychedelischen Farbgebung großer Aufmerksamkeit, vielleicht auch, weil man das türkis-rot-grüne Wolkengemisch für eine apokalyptische Explosion halten konnte.

Künstler Adel Abdessemed erinnert an das Sterben im Mittelmeer

Um diesen zeitkritischen Faden fortzuspinnen, empfahl sich der Gang in die Nachbarhalle 1.1. Traditionell ist der Sektor für Kunst im XXL-Format ein Publikumsrenner. Was mitunter schräge Blüten trägt, wenn sich die hier versammelten Positionen geradezu darin überbieten, sämtliche Problemzonen der Welt abzubilden, während nebenan das große Geld geschaufelt wird. Inflation, Energiekrise, Migration, Krieg bestimmten hier die Ausrichtung der Kunst.

Gleich am Eingang ließ ein brennendes Schiff auf einem Riesenbildschirm keinen Zweifel daran, dass die Zeiten nicht die besten sind. Am Bug stand resigniert der aus Algerien stammende und in Paris lebende Künstler Adel Abdessemed, im Rücken das Mittelmeer, auf dem sich täglich Tragödien abspielen. Das aufrüttelnde Statement war bei der Galleria Continua aus San Gimignano für 850 000 Euro zu haben.

US-Künstler greift Debatte um Reiterstandbild des Südstaaten-Generals Robert E. Lee auf

Während der Österreicher Markus Schinwald in seinem Pavillon „Panorama“ historische Schlachtengemälde mit Computerpixeln verfremdete, griff der US-amerikanische Künstler Adam Pendleton in einem aggressiv geschnittenen Video die Debatten um ein Reiterstandbild des Südstaaten-Generals Robert E. Lee in Virginia auf.

Einen Ausgang aus der Untergangsstimmung bot das wunderbar verspielte, 54-minütige Video „Doors“ von Christian Marclay. Der in den USA lebende Auslandsschweizer hat Filmszenen sich öffnender und schließender Türen gesammelt und neu montiert. Mal stolpert man in einen Film noir, in dem eine Frau gerade furchteinflößend beim Anblick ihres Mörders zu schreien beginnt, mal gemeinsam mit John Malkovich in ein spätbarockes Boudoir aus dem Film „Gefährliche Liebschaften“. Das labyrinthische Kommen und Gehen ist erfrischend, intelligent und jede eingeforderte Geldsumme wert.

Zur Veranstaltung

Art Basel, Messeplatz, bis 18 Juni.

www.artbasel.com