Düsseldorfer SchauspielhausArmin Laschet, Burghart Klaußner und der superdröge Brecht
- Vor 50 Jahren eröffnete Bernhard Pfaus schön geschwungener Bau am Gustaf-Gründgens-Platz.
- Zum Festakt beschwor der NRW-Ministerpräsident die Kraft des kritischen Theaters.
- Die anschließende Premiere von „Leben des Galilei“ ödete jedoch nur an.
Düsseldorf – „Ich höre“, raunt ein alter Kardinal ins Bühnendunkel, „dieser Herr Galilei versetzt den Menschen aus dem Mittelpunkt des Weltalls irgendwohin an den Rand.“ Eine Kränkung, die man nicht auf sich beruhen lassen kann, egal, was Faktenlage und Augenschein diktieren.
Zur 50-Jahr-Feier seines schön geschwungenen Theaterbaus am Gustaf-Gründgens-Platz hat das Düsseldorfer Schauspielhaus das „Leben des Galilei“ auf den Spielplan gesetzt, Bertolt Brechts erstaunlich verständnisvolles Porträt des Mannes, der die Menschheit von ihrem Thron gestoßen und ins kalte Licht der Aufklärung gestellt hat. Und diese unbequeme Wahrheit sogleich widerruft, als es darum geht, die eigene Haut zu retten.
Postfaktische Zeiten
Man versteht, warum Wilfried Schulz, Düsseldorfs glücklich agierender und äußerst beliebter Intendant, just dieses doch eher dröge Brecht-Stück als Jubiläumsinszenierung ausgesucht hat: Das zähe Ringen um die wissenschaftlich beglaubigte Wahrheit ist doch just der Stoff für unsere postfaktischen Zeiten. Und der Zuschauer darf sich in Holz gebrannte Sentenzen mit nach Hause nehmen wie: „Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher!“ Mit kluger Selbstverachtung ausgesprochen von Burghart Klaußner, dem bekanntesten Gesicht des Düsseldorfer Ensembles.
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Gerade noch hatten Ministerpräsident Armin Laschet, Oberbürgermeister Thomas Geisel und auch der Hausherr in ihren Festreden die kritische Kraft des Theaters beschworen, hier nun konnte man sie in der Regie Lars-Ole Walburgs live erleben. Der stand selbst zehn Jahre lang einem Staatstheater (in Hannover) vor und weiß, wie man staatstragend inszeniert.
Bedeutungsschwer wirft ein riesiges Fernrohr schräges Licht in das hohe, schwarz vertäfelte Halbrund, das Olaf Altmann entworfen hat. Im Lichtkegel wälzt sich Galilei, Nutzer und Opfer der Erfindung, die er aus den freier atmenden Niederlanden kopiert und als seine eigene ausgegeben hat. Fortan muss er seine Entdeckung der planetaren Bewegungen um die Sonne vor tumben Mitbürgern, ängstlichen Akademikern und mit Daumenschrauben drohenden Inquisitoren verteidigen.
Während das Theaterpublikum die dramatische Ironie genießen darf – und sich um so vieles aufgeklärter fühlen, als die im Mittelalter feststeckenden Personen des Stückes, die Regisseur Walburg denn auch größtenteils als stocksteife Grüppchen auf der kulissenlosen Bühne verteilt, so sie nicht an deren Rand stehen und zu live geloopten Cello-Klängen die anklagenden Lieder Hanns Eislers vortragen: Und es bewegt sich nichts.
Ratlos steppend
Lea Ruckpaul bringt als übereifriger Schüler des Astronomen noch am ehesten Leben ins Lehrtheater, später lässt Walburg sie Regieanweisungen steppen, was dann um einiges ratloser wirkt.
Verschenkt sind die Chancen, den Text abseits seiner alleroffensichtlichsten Anklänge an die Gegenwart zu befragen. Ja eigentlich wirkt dieses Düsseldorfer Aufführung so orthodox, als hätte sie Brecht selbst in den 1950er Jahren am Schiffbauerdamm für interessierte Deutsch-Leistungskursgruppen inszeniert. Das war eventuell exakt das, was man zum Jubiläum am Gründgens-Platz zeigen wollte: Theater als Simulacrum einer populären Idee von „Theater“.
Betrachtet man die neue Nachbarschaft des Schauspielhauses, den begrünten Gebäudeblock des Architekten Christoph Ingenhoven (der auch die Sanierung des Bernhard-Pfau-Baus verantwortete) und Daniel Libeskinds Kö-Bogen I, so ist das Theater vom Rand in den Mittelpunkt der Stadt gerückt.
Wenigstens diese Kränkung wurde durch die neue Faktenlage also wiedergutgemacht.