Die neue Ausstellung mit Ferdinand Franz Wallrafs Schriftstücken ist ein Pflichtbesuch für Bücherwürmer.
200 Jahre Wallraf in KölnWas für Schätze hat dieser Drache bewahrt?
„Der Knabe zeigte großen Lerneifer und eine merkwürdige Liebe zu Büchern, deren er nicht genug in sein Dachstübchen schleppen könnte, um sie dort mit Gier zu verschlingen.“ Es klingt nicht so schmeichelhaft, wie Wilhelm Räderscheidt hier den jungen Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) beschreibt.
Doch er blieb sich treu. Und einige Bücherschätze, die Wallraf im Verlauf seines Lebens sammelte, sind jetzt in einer Ausstellung zu sehen. Im Rahmen des Wallraf-Jahres zeigen die Universitäts- und Stadtbibliothek Köln und das Historische Archiv mit Rheinischem Bildarchiv die Ausstellung „Ein Buch ist ein Ort. Wallrafs Bibliothek für Köln.“ Sie ist vom 11. April bis zum 9. Juni im Historischen Archiv am Eifelwall zu sehen, jeden Mittwoch um 16 Uhr finden öffentliche Führungen statt. Der Eintritt ist frei.
„Ein Buch ist ein Ort“ zeigt Wallrafs Sammlung
Die Ausstellung erzählt anhand der historischen Schriftstücke nicht nur Wallrafs Biografie, sondern auch einen spannenden Teil der Geschichte Kölns. Als Rektor der Universität erlebte er, wie Köln als freie Reichsstadt unter Napoleon französisch wurde. Das bedeutete nicht nur das Aus für die Universität, sondern im Zuge der Säkularisierung auch für viele Klosterbibliotheken. Da die Franzosen Kunst und Bücher in ihren Besitz brachten, versuchte Wallraf zu retten, was zu retten war.
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Eine vergleichbare Sammelwut findet man wohl nur in Elias Canettis „Die Blendung“. Für die Hauptfigur Peter Kien ist jeder Bücherkauf eine Rettungsaktion, nur in seiner Privatbibliothek sind die Bücher seinem Empfinden nach sicher. Aber die Geschichte des Sammlers ist seit dem Mythos um den Bibliotheksbrand in Alexandria eng verknüpft mit der Zerstörung. So gilt Ferdinand Franz Wallraf zwar als großer Sammler, aber nicht als großer Bewahrer. Zudem brachte er auch beschädigte Bücher in seinen Besitz. Schon Goethe monierte den chaotischen Zustand der Sammlung: „Wie ein Drache bewahrt er diese Schätze, ohne zu fühlen, daß Tag für Tag etwas Treffliches und Würdiges durch Staub und Moder, durch Schieben, Reiben und Stoßen einen großen Theil seines Werths verliert.“
Wallrafs Bibliothek musste erst gerettet werden
Der Ausstellung ging also eine große Rettungsaktion voraus. Eine Vitrine zeigt Werkzeuge aus der Restauration und Gegenstände, die an den Chemieunterricht erinnern. Sogar ein kleines Lego-Labor ist zu sehen. Eine andere zeigt die Restauration an den Büchern: Mit Vorher-Nachher-Bildern sieht man, wie aus schimmelbefallenen und zerfledderten Seiten lesbare Texte gemacht wurden. In Laienaugen wirkt es wie ein wahres Wunder.
Entsprechend sehenswert sind die Exponate der Ausstellung. Viele Texte bezeugen Wallrafs schlechte Handschrift, sehr ordentlich ist aber das „Madame“, das er seinem Brief an Kaiserin Joséphine, Napoleons Gemahlin, voranstellte. Er hatte die Kaiserin persönlich durch den Dom geführt, die auf seinen Appell hin für die Restaurierung des Dreikönigsschreins spendete. Beeindruckend sind auch die zwei großen Kölner Bilderbibeln, die aus dem 15. Jahrhundert stammen und zu den ersten volkssprachlichen Bibeln gehören. Alles, was mit Köln zu tun hatte, fand seinen Weg in seine Sammlung.
Der studierte Mediziner und Botaniker besaß auch Bücher zu seinen Studienfächern, in einigen liegen noch die von ihm getrockneten Pflanzen. „Das heißt, da mussten die Restauratorinnen auch mal ganz andere Arten von Blättern restaurieren“, scherzt Christiane Hoffrath. Sie hat gemeinsam mit Christine Feld die Ausstellung kuratiert und zeigt eine besondere Gabe dafür, ihr immenses Wissen niederschwellig zu verpacken und die richtigen Anekdoten herauszugreifen. Eine Führung ist sehr empfehlenswert. Wer auf seinem Lebensweg nicht nur Bücher, sondern auch schöne Erfahrungen sammelt, sollte das Historische Archiv besuchen.
Zur Veranstaltung
Zum 200. Todestag von Ferdinand Franz Wallraf ist eine ganze Reihe von Veranstaltungen über das Jahr hinweg geplant. Alle Informationen gibt es hier.