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Ausstellung im Folkwang-MuseumAls Gerhard Richter auf den Hund kam

Lesezeit 4 Minuten
Gerhard Richter

Gerhard Richter in der Ausstellung „Gerhard Richter. Die Editionen“ im Museum Folkwang in Essen.

Essen – Mit Wolfi fing es an. So hieß der Schäferhund, dessen Foto Gerhard Richter im Familienalbum seiner damaligen Frau Ema fand. Richter nahm Wolfi in seinen Atlas möglicher Bildvorlagen auf und machte aus diesem Allerweltsmotiv „Familienhund im Garten“ seine erste, in einer Auflage von acht Stück verbreitete Edition. Das war im Jahr 1965 und damit so lange her, dass Gerhard Richter selbst wohl nicht mehr zu sagen weiß, warum es für Wolfi nicht zum Gemälde reichte. Stattdessen ging er als Siebdruck in Serie – und nur als bessere Fußnote in die Kunstgeschichte ein.

Als Richter in den 60er Jahren zum Künstler wurde, wollten beinahe alle die Kunst demokratisieren. Aus den USA kamen Andy Warhols Siebdrucke alltäglicher Motive und ermutigten die deutschen Künstler, außer an Unikaten auch an Auflagenwerken zu arbeiten. Um sich von klassischen Drucktechniken wie Holzschnitt abzugrenzen, stürzten sich Richter und Kollegen auf möglichst „kunstferne“ Verfahren wie Siebdruck und Offsetdruck. Als signierte, nummerierte „Drucksachen“ wurden diese zu deutlich günstigeren Preisen als die handgemachten Einzelstücke verkauft.

Gerhard Richters Edition als Versuchslabor

Wie so viele Utopien der 1960er Jahre haben sich auch die Erwartungen an die Edition mittlerweile abgekühlt. Die Welt ist durch erschwingliche Kunst weder besser noch schlechter geworden, aber für Richter blieb die Edition auch als Versuchslabor so attraktiv, dass er mittlerweile 173 davon herausgegeben hat. Allein die schiere Zahl hebt Richters Editionen aus dem Einerlei heraus, zudem spiegeln sie sein Werk in allen Spielarten wider. Man könnte mit ihrer Gesamtheit leicht eine ganze Retrospektive bauen, was dann auch schon mehrere Museen getan haben. Eine „richtige“ Gerhard-Richter-Retrospektive können sich ohnehin nur noch die ganz großen Kunsthäuser leisten.

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„Schweizer Alpen II – (Motiv A2)“ von 1969, Siebdruck auf Halbkarton

Jetzt setzt das Essener Museum Folkwang diese ein wenig aus der Not geborene Tradition mit der Gesamtschau der Richter-Editionen fort – und räumt dafür sogar die große Ausstellungshalle frei. Auf den ersten Metern begegnen einem die Werke aus der ersten, im Jahr 1970 ebenfalls im Museum Folkwang ausgerichteten Ausstellung der Editionen (es war die erste Museumsausstellung für Richter überhaupt), dann geht es nach Gruppen wie „Landschaften“, „Farbfelder“, „Menschenbilder“ und „Abstraktion“ geordnet weiter. Alles wie in einer großen Werkschau, und so wundert es einen nur ein wenig, dass Richters Editionen die im Nebensaal gezeigten Originale einer Maria Lassnig an Publikumsinteresse ausstechen.

Ganz und gar nicht „the real thing“

Im Grunde ist es traurig: Zwar multipliziert Richter in seinen Editionen ganz selten einfach nur berühmte Gemälde; und das Prinzip der Vervielfältigung gehorcht bei einem Künstler, der Fotografien abmalt, ja durchaus einer inneren Logik. Aber trotzdem folgt einem in Essen der Gedanke, dies sei eben ganz und gar nicht „the real thing“, auf Schritt und Tritt.

Dieses Gefühl hat Gerhard Richter übrigens selbst immer wieder in seine Editionen eingebaut, etwa indem er 128 Detailaufnahmen von einem Gemälde jeweils mit Ölfarbe übermalte und dem Serienprodukt etwas Einzigartiges verlieh. Oder indem er mit einem breiten Pinsel über die frischen Siebdrucke einer Edition wischte und jedes Blatt so seine individuelle Unschärfe bekam. Auch dabei war Wolfi der erste seiner Art.

Fotografien, Bücher, Poster – die Editionen von Gerhard Richter

Gerhard Richter vor Gemälde

Der Künstler Gerhard Richter vor einem Gemälde in seinem Atelier

Als Gerhard Richter seine ersten Editionen herausgab, waren seine Gemälde noch für kleines Geld zu haben. Es war also durchaus kühn von Richter, sich derart selbst mit einer „Billigalternative“ Konkurrenz zu machen, später wurde die Gattung Edition dann zu seinem Versuchslabor.

Die 173 Editionen Richters haben eine erstaunliche Bandbreite und spiegeln die Vielfältigkeit seines malerischen Werks. Es gibt von ihm Drucke, Fotografien, Künstlerbücher, Multiples, Poster und sogar Ölgemälde in Auflage, dabei experimentiert Richter oft mit Farbverfremdungen und Unschärfeeffekten oder er lässt abstrakte Motive mehrfach gespiegelt auf Wandteppichen wiederkehren. Anlässlich der Essener Ausstellung gab Gerhard Richter eine neue Edition heraus.

„Gerhard Richter. Die Editionen“, Museum Folkwang, Museumsplatz 1, Essen, Di.–So. 10–18 Uhr, Do.–Fr. 10–20 Uhr, bis 30. Juli. Das Begleitheft zur Ausstellung kostet 12,80 Euro.