In seiner vorletzten Spielzeit verzichtet GMD Roth auf ein Motto. Die Saison des Gürzenich-Orchesters hat dennoch viel zu bieten.
Gürzenich-OrchesterDas sind die Höhepunkte der neuen Spielzeit in Köln
Das Gürzenich-Orchester geht 2023/24 mit seinem Chefdirigenten François-Xavier Roth in dessen vorletzte Spielzeit in Köln. Deutet in der Agenda, die der GMD am Montag in der Philharmonie vorstellte, etwas auf den bevorstehenden Abschied hin? Allenfalls ein bisschen: Im vierten Abo-Konzert im Dezember interpretiert er – im Anschluss an die deutsche Erstaufführung von Mark Andres „Echografien“ – Bruckners achte Sinfonie. Damit ist sein Kölner Bruckner-Zyklus – er wird auch beim ortsansässigen Label myrios auf CD verewigt – schon vor der Zeit abgeschlossen.
Hat die kommende Saison ein Motto? „Nicht im engeren Sinn“, antwortet Roth, „es gibt nicht eine einzige Linie, sondern wir versuchen, unsere Identität weiter zu entwickeln – als ein Orchester für alle mit breitem Repertoire, mit Risiken und Tradition in der Programmation.“ Auffällig ist allemal der Schwerpunkt bei der Wiener Klassik, die in früheren Spielzeiten gelegentlich vernachlässigt wurde. „Das Orchester“, so Roth, „braucht die Arbeit an diesem Repertoire, das haben die Workshops gezeigt, die Riccardo Minasi während der Corona-Zeit bei uns gemacht hat.“ Minasi, mit seinem Ensemble Resonanz in der laufenden Saison Residenzkünstler von KölnMusik, wird mit den Gürzenichern im Benefizkonzert für die „Stadt-Anzeiger“-Aktion „wir helfen“ im Mai 2024 Sinfonien und Gesangsszenen der Wiener Trias Haydn, Mozart und Beethoven aufführen.
Zu den Abo-Konzerten ist der britische Klassik-Experte Ivor Bolton eingeladen, Brittens Tenor-Nocturne rahmende Haydn- und Beethoven-Sinfonien zu dirigieren. Mit Schuberts achter Sinfonie (zuzüglich Dutillieux' „Tout un monde lointain“ mit dem Cellisten Alban Gerhardt) bleibt auch die gefeierte Finnin Susanna Mälkki, die jetzt beim Kölner Orchester debütiert, noch im Bannkreis der Klassik.
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In seinen Abo-Konzerten widmet sich Roth verstärkt der Wiener Klassik
In seinen eigenen vier Abo-Konzerten widmet sich auch Roth selbst verstärkt dieser Epoche: Neben Bartók und Liszt erklingt im ersten Haydns 104. Sinfonie, im Mai-Konzert stößt ein neues Werk von Enno Poppe auf Mozart Sinfonie KV 201, während Anna Lucia Richter Gesangsszenen von Haydn und Mozart singt. Im Saisonabschluss-Konzert geht es indes mit Saint-Saens, Debussy und Ravels „Boléro“ „tres français“ zu, und im Januar führt Roth in der Philharmonie sowie in Paris und Hamburg erneut Zimmermanns „Soldaten“ auf, diesmal in der Regie von Calixto Bieito.
Auf den Cembalisten Mahan Esfahani folgt als Artist in Residence in 2023/24 der französische Pianist Alexandre Kantorow. Er spielt mit Roth Liszts zweites Klavierkonzert und das Ägyptische Konzert von Saint-Saens, außerdem Brahms' Klavierquintett in einem Kammerkonzert im Juni 2024. Bei Solisten und Gastdirigenten mischen sich Neukömmlinge und gute, alte Bekannte. Als Dirigent debütiert der Finne Tarmo Peltokoski, unter dem Jan Lisiecki Griegs Klavierkonzert (gerahmt von Salonen- und Sibelius-Werken) spielt. Benjamin Grosvenor kehrt zurück mit Prokofjews drittem Klavierkonzert (begleitet von Auszügen aus „Tristan und Isolde“ und Skrjabins „Poème de l'Ekstase“). Hier dirigiert die Chinesin Elim Chan, die beim Gürzenich-Orchester bereits früher für beträchtliches Aufsehen sorgte.
James Ehnes wartet unter Juanjo Mena mit Brahms' Violinkonzert auf, François Leleux kommt unter der Leitung von Andrés Orozco-Estrada wieder mit Martinus Oboenkonzert – es wird gerahmt von einem neuen Werk der Koreanerin Unsuk Chin und Mendelssohns Schottischer Sinfonie. Die russische Agenda bedient Roberto Trevino mit Strawinsky und Schostakowitsch (dazwischen das Bernstein-Violinkonzert mit Simone Lamsma), nicht mehr Gürzenich-Ehrendirigent Dmitrij Kitajenko. Das hat, wie versichert wird, nichts mit dem Ukraine-Krieg zu tun, sondern mit dem reduzierten gesundheitlichen Zustand des Altmeisters.
Im Juni-Abokonzert gelangt – ungewöhnlich genug – in Kooperation mit der Kölner Oper das Verdi-Requiem zur Aufführung. Wie stets gibt es etliche Sonderkonzerte, darunter das Festkonzert zur Saisoneröffnung mit Roth und dem „Bürgerchor“ (Strawinsky und Mahler), ein von Eberhard Metternich geleitetes Domkonzert (Reger und Milhaud), das südamerikanisch dominierte Silvesterkonzert unter Mariano Chiacchiarini und eine Matthäuspassion mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks unter Peter Dijkstra. Aber da wäre doch eigentlich – nach zwei Johannes-Passionen – the master himself fällig gewesen. „Eigentlich schon“, meint Roth, „aber es hat einfach nicht geklappt“.