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Hubertus Heil bei „Hart aber fair“„Dann ist das Gesundheitssystem dicht“

Lesezeit 6 Minuten
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Talkshow-Moderator Frank Plasberg

Köln – „Bis Corona vorbei ist“: Der Sockel dieser Durchhalteparole ist nicht erst in den vergangenen Wochen bröckelig geworden. Ob härter oder lighter, der Lockdown hält an. Deshalb lässt es sich Frank Plasberg nicht nehmen, am Montagabend in seiner Sendung „Hart aber fair“ die aktuelle Gefühlslage in Deutschland etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Es geht um Menschen, die um ihre finanzielle Existenz bangen, die unter der Einschränkung von Kontakten leiden. Aber auch um die, die sich bislang einigermaßen schadlos durch die Pandemie manövrieren konnten – und es trotz ungewisser Zukunft schaffen, positiv nach vorne zu schauen.

Die Gäste

  1. Dr. Carola Holzner
  2. Kirstin Vietze
  3. Jan Weiler
  4. Hubertus Heil (SPD)
  5. Prof. Dr. Monika Sieverding

Die Diskussion

Mit „Punkt. Aus. Fertig.“ startet Frank Plasberg nach einstündiger Handball-Verspätung in die Sendung. Für Corona-Maßnahmen und Lockdown gilt das natürlich nicht. Innerhalb der eigenen vier Wände staut sich immer mehr an. „Die Hoffnung ist enttäuscht worden, dass es Ende des Jahres dann auch vorbei sein könnte mit dem Lockdown“, erklärt Psychologin Monika Sieverding den „steigenden Druck auf dem Kessel“, wie Plasberg es nennt. Eine klare Ansage an die Politik: Die mit Aussicht auf ein schnelles Lockdown-Ende gereichte Hand hätte nicht gereicht werden dürfen. Dabei gibt es genug harte Fakten, die Hoffnung und Freude machen können. „Anstatt, dass wir uns freuen, dass es nun eine Impfung gibt, zermatern wir uns gegenseitig, weil es nicht schnell genug geht. Und das tut uns als Gesellschaft nicht gut.“

Verständlich jedoch, dass sich nicht jeder an die positiven Nachrichten klammern kann. In vierter Generation führt Kirstin Vietze ihren Friseursalon in Berlin. Die „normalen“ Probleme einer Mutter in der Pandemie („Ich höre 60 Mal am Tag das Wort Mama“), obwohl schon groß genug, wirken nahezu wegwischbar gegenüber den Existenzängsten. „Ich schlafe immer schlechter“, sagt Vietze. Corona-Hilfen habe sie beantragen wollen, doch selbst mit der Hilfe eines Anwalts stand unter dem Strich stets eine Null. Der Jurist habe nur den Kopf geschüttelt. „Die Corona-Hilfen sind nicht branchengerecht gestaltet“, kritisiert Vietze. Kein Wunder, dass die Regie Arbeitsminister Heil während dieser langen Antwort auf die Frage „Wie geht es Ihnen?“ mehr als nur einmal einblendet. Der wird dann auch direkt von Frank Plasberg in den Ring gebeten. Und der gibt sich für einen Politiker sehr offen und ehrlich. Er gibt zu: „So etwas bedrückt mich. Wir haben Lücken, es sind Hilfen zu spät angelaufen.“ Klare Worte.

Anders ist das bei der Diskussion, wie mit Geimpften in Zukunft umgegangen wird. Wird es „Privilegien“ geben? Hubertus Heil sagt, die Debatte darüber werde es geben. Jan Weiler hat zu dem Thema eine klare Meinung. Er hat im September ein Buch veröffentlicht, wollte auf Lesereise gehen. In 60 Städten wollte er auftreten, am Ende wurden es zwei. „Sammeln muss man jetzt nicht. Aber fast die Hälfte meines Einkommens ist weg.“ Er erwartet allerdings eine schnelle Entscheidung, wie mit Geimpften umgegangen werden wird. Und seine Erwartung an diese Entscheidung ist eindeutig: „Die Diskussion finde ich gegenüber Künstlern und Kulturschaffenden zynisch – und gegenüber Friseuren natürlich auch.“

Das Reaktanzphänomen

„Meine Redaktion hat mich schon gewarnt, dass Sie dieses Wort in den Raum werfen würden“, sagt Frank Plasberg mit einem Schmunzeln zu Monika Sieverding. Es geht um das Reaktanzphänomen. Sieverding erklärt: Werden Maßnahmen getroffen, die aber nicht begründet werden, werden Menschen versuchen, diese zu umgehen. Sieverding appelliert aber auch wieder, sich nicht zu sehr an diesen negativen Nachrichten von Hochzeitsfeiern und Partys herunterziehen zu lassen. „Diejenigen, die sich nicht an die Maßnahmen halten, sind eine kleine Minderheit, die durch Meldungen gepusht wird und deshalb größer wirkt, als sie ist.“

Die Debatten springen von einem Punkt zum nächsten, es bleibt kaum Zeit, um über ein Thema grundlegend zu diskutieren. Zu vielfältig sind die Probleme. So sagt Heil, in der Pandemie sehe man „unter dem Brennglas, was in Deutschland gut läuft und was schlecht läuft.“ Die Digitalisierung sei beispielsweise „verschlampt“ worden. Eine Antwort darauf gibt es nicht, zu schnell kommt das nächste Thema. Carola Holzner benennt einen wichtigen Punkt, indem sie erläutert, wie viele Fragen sie von Bekannten bekommt. Sie kritisiert die Kommunikation der Politik, es fehle an Aufklärung. Plasberg verpasst es hier, Heil darauf antworten zu lassen. Natürlich braucht es viele Themen, um einen annähernd vernünftigen Überblick über die Gefühlslage zu bekommen. Doch ab und an drückt Plasberg zu sehr aufs Tempo.

Auch, um zum Thema „Zero Covid“ zu kommen. Die Idee, für einige Wochen alles still zu legen und die Corona-Zahlen so in den absoluten Keller zu bekommen, vertritt auch der Kölner Gastronom Daniel Rabe. Er hatte Anfang Januar einen offenen Brief an die Politik geschrieben. „Weitere Monate werden wir nicht durchhalten“, sagt er. Rabe fordert: Kitas und Schulen müssten geschlossen werden, „es kann nicht sein, dass Büros noch voll sind“, die Auslastung in Bussen müsse runter, die Bundesliga aufhören zu spielen. Jan Weiler gefällt die Idee. „Das hat meine Sympathie. Es wird nicht als gerecht empfunden, was gemacht wird. Ich darf in einem Flugzeug sitzen, wo alle essen und reden. Aber nicht in einer Oper, wo alle still sind. Wenn es nach mir geht, können wir alles zwei, drei Wochen zu machen.“

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Dem tritt Hubertus Heil entgegen: „Wir können nicht die Kitas schließen und keine Notfallbetreuung anbieten. Dann ist das Gesundheitssystem dicht.“ Carola Holzner stimmt ihm zu: „Ich kann die Kinder natürlich nicht mit in die Klinik bringen. Und wenn bei uns nur 20 Prozent der Leute ausfallen, weil sie ihre Kinder betreuen müssen, dann können wir nicht weitermachen.“

Auch immer wieder im Blickpunkt: Die Spieler der Fußball-Bundesliga. Und ihre rasierten Nacken und Seiten der Köpfe. Monika Sieverding erklärt den immer wieder aufkommenden Ärger über die Fußballprofis: „Soziale Vergleichsprozesse gibt es immer. Man vergleicht sich mit anderen, denen es besser geht, dann fühlt man sich schlechter. Dann gibt es häufig auch Neid.“ Aber: „Ich glaube, die hätten jetzt auch mal mit langen Haaren Fußball spielen können“, findet Kirstin Vietze.

In der Schlussrunde fragt Plasberg seine Gäste, was sie in der Pandemie über sich gelernt hätten. Belastbarkeit, das Behalten von Positivität, das Reflektieren anderer Aussagen werden genannt. Oder auch einfach nur, ein guter Hausmann zu sein. So schließt eine stimmungsmäßig eher negative Runde mit einem positiven Ende. Und mit einem ganz sympathisch klingenden Vorschlag von Jan Weiler: Alle Schülerinnen und Schüler sollten keine Prüfungen absolvieren müssen, ihre Abschlüsse mit der Note 2,8 bestehen. „Mich hat doch auch noch nie jemand nach meinem Durchschnitt gefragt.“