AboAbonnieren

„Hart aber fair“ zur PreisexplosionBörsenexpertin Kohl liest Politikern die Leviten

Lesezeit 4 Minuten
Kohl Haf

ARD-Börsenexpertin Anja Kohl ist bei „Hart aber fair“ zugeschaltet. 

Köln – Bei „Hart aber fair“ stand am Montagabend mal wieder ein Verbraucherthema auf dem Programm. „Deutschland ist Teuerland geworden“, leitet Frank Plasberg mit einem griffigen Statement ein. Gering- und Mittelverdiener würde angesichts der durch den Ukraine-Krieg verursachten Preissteigerungen ein „Schock“ treffen. Zu Gast sind Christian Dürr (Fraktionschef FDP), Anja Kohl (ARD-Börsenexpertin), Jens Diezinger (Vater von fünf Kindern), Gitta Connemann (CDU, Mittelstandsunion) und Jürgen Hinkelmann (Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks).

Ob das von der Regierung beschlossene Entlastungspaket denn die Folgen der Inflation etwas abmildern könne, fragt Plasberg. Anja Kohl ist pessimistisch. Zu befürchten sei, dass die Mineralölkonzerne die Preise für Benzin und Diesel pünktlich vor dem 1. Juni, wenn die temporäre Senkung der Mineralölsteuer in Kraft tritt, noch einmal kräftig erhöhen, so Kohl. Die Inflation sei im übrigen gekommen, um zu bleiben.

Plasbergs Redaktion rechnet Entlastungen für Familie Diezinger aus

Erzieher Diezinger sagt, er müsse momentan 260 Euro mehr pro Monat für Lebensmittel ausgeben. Sprit- und ab Herbst auch Heizkosten kommen noch hinzu. Er muss genau aufs Geld schauen, und auch seine fünf Kinder haben das Sparen bereits verinnerlicht. Die Situation der Familie wird ausführlich beleuchtet: Wieviele Geschenke es zu Weihnachten gibt, ob noch ein Nordsee-Urlaub drin ist. Plasberg will wissen, wieviel von den Entlastungen denn bei ihm ankomme. Diezinger ist etwas nervös und verstrickt sich in Auskünften zur Schulmittel-Befreiung in seinem Heimat-Bundesland Rheinland-Pfalz. Klar wird aber, dass er keine großen Erleichterungen spürt, da er bei bisherigen Entlastungen knapp oberhalb der Bemessungsgrenze lag.

Alles zum Thema Hart aber fair

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Redaktion hat für den Familienvater gerechnet: 1.100 Euro mehr sind insgesamt für Familie Diezinger durch Maßnahmen wie Energiepauschale und Kinderbonus zu erwarten. Diezinger wünscht sich aber langfristige Entlastungen, keine punktuellen, und wird dabei von Connemann unterstützt, die die Einkommenssteuer senken möchte. Connemann keilt in Richtung Ampel: „Von einem 9-Euro-Ticket in überfüllten Bussen und Bahnen haben wir auf dem Land wenig. Wir brauchen richtige Entlastungen!“

Anja Kohl prangert Tatenlosigkeit der Politik an

Die CDU-Politikerin bekommt Gegenwind von Wirtschaftsexpertin Kohl. Die Union habe es in 16 Jahren Regierungsverantwortung ja offenbar nicht geschafft, eine umfassende Reform durchzuführen. „Herr Diezinger verdient im Verhältnis zu wenig“, bringt sie es auf den Punkt. Er habe einen verantwortungsvollen Beruf, und es sei eine komplette Schieflage bei den Einkommensverhältnissen entstanden, Die Inflation würde nun den Effekt verstärken.

Kohl geht mit den Politikern hart ins Gericht: Es drohten soziale Verwerfungen, wenn die Preise, insbesondere für die Lebenshaltung, weiter stark steigen, die Löhne aber nicht. Wie eine klassische Wirtschaftsliberale klingt das ganz und gar nicht bei Kohl.

Kohl vermutet Preisabsprachen der Discounter

Familienvater Diezinger vergleicht die Kosten, die beim Wochendeinkauf für seine Familie entstehen, genau. Er hat den deutlichen Eindruck, dass die Supermärkte und Discounter sich bei den Preiserhöhungen absprechen. Kohl bestätigt seine Sichtweise: „Der Lebensmittelbereich wird von einer Art Oligopol kontrolliert“, so die Börsenexpertin. Hierzulande seien es die Discounter. Die Preiserhöhungen seien nicht mehr nachzuvollziehen. Man sollte den Konzernen auf die Finger schauen, der Staat sei hier gefragt.

Leider vertieft Plasberg dieses interessante Thema nicht, sondern unterbricht die Diskussion für einen langen Einspieler mit einem Filmbeitrag von Kollegin Brigitte Büscher, die die Ukraine besucht hat. Sie porträtiert eine Landwirt-Familie, die zur Hälfte in der Ukraine und in Deutschland lebt. Interessant, aber die Diskussion gleitet ab in Richtung Lieferketten und Ernährungssicherheit.

FDP-Politiker Dürr bleibt blass. Er verteidigt das Entlastungspaket der Koalition, lässt aber auch ziemlich deutlich durchblicken, dass er sich mehr steuerliche Entlastungen wünschen würde.

Fazit der Talkrunde: Ein lahmer Austausch von Argumenten, die man alle schon gehört hat. Eine „Stimme des Volkes“ in Gestalt von Erzieher Diezinger, die üblichen Schuldzuweisungen zwischen den Politikern und ein Moderator, der zwar weniger als sonst populistische Stimmung verbreitet, der Diskussion aber auch keinen Schwung verleihen kann. Im Gedächtnis bleiben die üblichen Phrasen wie: „Vom Brutto bleibt zu wenig Netto" oder „Am Ende des Geldes ist noch zu viel Monat übrig“.