AboAbonnieren

„Hart aber fair“Plasberg moderiert Kuschelkurs ohne Lösungen

Lesezeit 4 Minuten
Plasberg dpa

„Hart aber fair“-Moderator Frank Plasberg               

Köln – „Abgehängt und unverstanden: wie rief ist die Kluft zwischen Stadt und Land?“. Das war der Titel der „hart aber fair“-Sendung am Montag. Wird Politik nur noch für Menschen in der Stadt gemacht? Wie sehr sind die ländlichen Gebiete in Deutschland abgehängt und was kann getan werden, um diese Orte für junge Menschen attraktiv zu machen?

  1. Juli Zeh
  2. Marco Scheel
  3. Simon Pearce
  4. Jamila Schäfer
  5. Reint Gropp

„Die Diskrepanz zwischen Stadt und Land gefährdet unseren gesellschaftlichen Frieden“ mit diesem Statement startet die Autorin Juli Zeh in die Sendung und zieht direkt zu Beginn parallelen zum Jugoslawienkrieg. Dieser war ihrer Meinung nach auch ein Krieg zwischen Stadt und Land und nicht nur zwischen Religion und Ethnie.

Diese Diskrepanz findet sich ihrer Meinung nach auch häufig in der Sprache. Man nutze auf dem Land und in der Stadt häufig unterschiedliche Kommunikationstechniken. Auf die Rückfrage, wie sie das von ihr verwendete Wort Dystopie für Menschen auf dem Dorf übersetzen würde, antwortet die Bestseller-Autorin „Alles wird Scheiße“.

Alles zum Thema Hart aber fair

Die Abwesenheit der Grünen auf dem Land

Die stellvertretende Bundesvorsitzende der Grünen, Jamila Schäfer, sieht zudem ein unterschiedliches Miteinander. Während die Menschen auf dem Land ständig mit ihren Nachbarinnen und Nachbarn in Kontakt seien, war die Politikerin selbst das letzte Mal bei ebendiesen, als ihre Katze entlief. Für das Phänomen, dass die Grünen auf dem Land nicht so erfolgreich wie in urbanen Gebieten sind, hat der Unternehmer und Gründer von Nordwolle Rügen, Marco Scheel, eine Erklärung: „Bei uns finden die Grünen nicht statt“. Er kenne auch niemand, der mit ihnen sympathisiere.

Auch er sieht dabei die Macht der Worte, denn „Wenn Menschen das Gefühl haben, dass sie die politische Sprache nicht mehr verstehen (…) entsteht eine Trotzreaktion.“ Es folgte eine in die Tiefe gehende Diskussion über Baupolitik, Flächennutzungspläne und gravierende Unterschiede in Bebauungsplänen für Stadt und Land. Diese sehen die Studiogäste auch als sehr veraltet. Hierzu meint Scheel. „Die Baupolitik ist noch aus der Zeit, als man die Menschen in die Städte und in die Fabriken bringen wollte.“

Die Frage, ob der Markt es regelt

Der Wirtschaftswissenschaftler Reint Gropp sieht darin auch ein systemisches Problem: „Wir müssen weg von der Idee kommen, dass der Staat besser weiß, was gut ist als der Einzelne.“ Das konstatiert der Professor für Volkswirtschaftslehre der Uni Magdeburg sowie Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle. Dem widerspricht Jamila Schäfer jedoch stark. „Der Markt regelt das schon hat nicht funktioniert“ behauptet die Politikerin. Insbesondere, dass sich der Staat zurückgezogen habe, sei einer der Gründe, warum das Stadt-Land-Gefälle heute so groß sei.

Danach wurde das Thema Alltagsrassismus und der Unterschied auf dem Land und in der Stadt thematisiert. Dabei wurde aus Juli Zehs Roman zitiert, in welchem sich eine Figur mit einem Dorf-Nazi anfreundet. Angesprochen auf die Frage, ob die Autorin in ihrem brandenburgischen Dorf auch schon rassistische Aussagen mitbekommen und widersprochen habe, antwortet die Autorin, dass sie das von Menschen und Situationen abhängig mache und, ob sie Lust auf die Konfrontation habe.

Wenig Reibung, wenig Diskussion

Anders geht es in dieser Frage dem Schauspieler und Kabarettisten Simon Pearce. „Für mich ist diese Konfrontation schon da.“ Er könne sich als Person of Colour nicht aussuchen, ob er mit dem Nazi-Nachbar, ob am Dorf oder in der Stadt, reden möchte oder nicht. „Meine Entscheidung ist: ich laufe weg.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Alles in allem war die Diskussionsrunde am Montagabend mehr Kuschelkurs als eine harte politische Debatte. Die Gäste stützten sich gegenseitig in ihrer Argumentation und zeigten viel Verständnis für andere Positionen. Alles in allem gab es kaum Antworten auf die Frage, was passieren muss, um das Überleben der Dörfer und Kleinstädte zu sichern. Eine so wichtige Frage, auf deren Beantwortung von Seiten der Politik doch so viele Menschen in Deutschland hoffen. Wie und ob die neue Bundesregierung in der Lage sein wird, dieses Thema anzugehen – wird sich zeigen.