Köln – Eigentlich sollte es in der „Hart aber fair“-Ausgabe von Montagabend vorrangig um die tausenden, womöglich bald Millionen Geflüchteten aus der Ukraine gehen - und wie man ihnen in Deutschland helfen kann. „Millionen sind auf der Flucht – wie weit stehen Europas Arme offen? Zeigen wir diesmal unser freundliches Gesicht auf Dauer?“ waren die Fragen, mit der die Sendung angekündigt wurde. Größtenteils ging es dann aber doch um ein mögliches weiteres militärisches Eingreifen der EU und der Nato. Ein ukrainischer Gouverneur sendete einen eindrucksvollen Appell.
Weiterhin diskutierte Moderator Frank Plasberg mit:
- Saskia Esken,
- Katja Kipping
- Vassili Golod
- Markus Kaim
Flüchtlinge als Druckmittel Russlands gegen Europa
Zu Beginn der Sendung wurden die ukrainischen Flüchtlinge weniger aus einer humanitären, als aus einer politischen und strategischen Perspektive heraus betrachtet. Politikwissenschaftler Markus Kaim sagte, dass „Vertreibung und Flucht zu einem russischen Kriegsziel“ werden könnten, um Druck auf Europa aufzubauen und es zu spalten. Die zunehmende Brutalität und Rücksichtslosigkeit gegenüber der ukrainischen Zivilbevölkerung durch die russische Armee zeige, dass „wir noch fürchterliche Bilder sehen werden.“
Davon ausgehend diskutierte die Runde vor allem über ein mögliches weiteres Eingreifen der EU und der Nato. SPD-Vorsitzende Saskia Esken betonte, mit den Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet habe man bereits „bisherige rote Linien in der deutschen Außenpolitik überschritten.“ Sie habe zwar immer noch Hoffnung auf eine diplomatische Lösung, man sehe aber auch, dass rationale Herangehensweisen bei Putin langsam an ihre Grenzen stoßen würden. Auf Nachfrage Plasberg wollte Esken den Einsatz von Nato-Soldaten auf ukrainischem Gebiet nicht ausschließen. „Man kann nichts mehr ausschließen, wir wissen nicht, wie sich die Situation weiter entwickelt.“
Einsatz von Massenvernichtungswaffen als rote Linie
Als möglichen Auslöser für ein derartiges Eingreifen in den Krieg wurde mehrfach der drohende Einsatz von chemischen oder biologischen Massenvernichtungswaffen seitens der russischen Regierung genannt, so auch vom Journalisten Vassili Golod. Dieser musste spontan vom WDR-Studio in Köln in das Büro von Plasberg umziehen um an der Sendung teilzunehmen - ein Corona-Test hatte kurz vor der Sendung positiv angeschlagen.
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Die eindrücklichsten Momente der Sendung gehörten dann aber Sergiy Osachuk, Gouverneur und Militärchef der westukrainischen Stadt Tschernowitz, der zugeschaltet wurde. Auf Deutsch forderte er ein „Ende der schönen Diplomatie“ und weitere militärische Unterstützung von Deutschland und der EU, vor allem mit Waffenlieferungen. „In Europa brennt das Haus“, sagte Osachuk, „und wenn das Haus brennt, müssen keine Reinigungskräfte kommen, sondern die Feuerwehr. Die Versorgung der Flüchtlinge ist wichtig, aber ist nur eine Bekämpfung der Folgen des Krieges. Wir müssen an die Brandursache gehen.“
Auch wenn die Vergleiche mit dem Zweiten Weltkrieg unpassend zum Sendungstitel vielleicht „unfair“ seien, sehe er Parallelen. „Wie viele Ukrainer müssen noch geopfert werden, damit nach dem Krieg alle Kränze für uns niederlegen?“, so der Gouverneur.
Kipping sieht Flüchtlingssituation noch am Anfang
Sicherheitsexperte Kaim riet allerdings weiterhin davon ab, eine Flugverbotszone für Russland über der Ukraine auszusprechen. „Bei allem Verständnis für ukrainische Perspektive, das hieße konkret das Abschießen russischer Flugzeuge und den Beschuss von Radaranlagen auf russischem Gebiet“, so Kaim. Auch er betonte, dass man in Woche Drei des Krieges aber noch nichts für die Zukunft ausschließen könne.
Katja Kipping, die als Integrationssenatorin in Berlin für die angekommenen Geflüchteten zuständig ist, äußerte sich am meisten zur Bewältigung der immer weiter ansteigenden Flüchtlingszahlen. Um das eigentliche Thema der Sendung ging es verstärkt erst in der letzten halben Stunde. „Das ist alles erst der Anfang“, sagte Kipping. Man müsse sich noch auf viel, viel höhere Geflüchtetenzahlen einstellen. Die Hilfsbereitschaft der Deutschen sei allerdings erstaunlich. Um auf das eingestellt zu sein, was noch komme, brauche es jetzt aber einen Verteilungsschlüssel des Bundes, um die Menschen in ganz Deutschland unterzubringen. „ Es kann nicht alles in Berlin und in anderen Großstädten stattfinden“, sagte auch Saskia Esken.
Die Versorgung der Geflüchteten würde dadurch außerdem besser. Auf die Frage Frank Plasbergs an Vassili Golod, ob viele der Geflüchteten denn in die Ukraine zurückkehren möchten, sagte dieser: „Ja! Sobald sie die Möglichkeit haben, in eine freie Ukraine zurückzukehren, werden das viele tun“, so der Journalist. „Es ist nur die Frage, wann das der Fall sein wird.“