Die Kölner Podcasterin Franziska Knost ist im Alter von 41 Jahren am Donnerstag, 10. Februar, gestorben.
Aus dem Archiv: Lesen Sie hier noch einmal das Interview mit ihr über ihren Podcast, in dem sie über die tödliche Krankheit berichtet.
Köln – In ihrem WDR-Podcast „Sick of it – Statements einer Sterbenden“ erzählt die freiberufliche Sprecherin Franziska Knost (41) , die mit ihrem Mann und Sohn in der Südstadt lebt, sehr persönlich von ihrem Leben mit mehreren Krebserkrankungen und den Barrieren, die ihr dadurch in den letzten 20 Jahren begegnet sind.
Frau Knost, was bewirkt die seltene Genmutation, die Sie in sich tragen?
Sie begünstigt verschiedene Krebserkrankungen. Ich habe mit 20 Lymphdrüsenkrebs bekommen und wenig später Hautkrebs. Bei einer speziellen Untersuchung wurde die Mutation festgestellt. Wenn man an Krebs erkrankt, bedeutet das aber normalerweise nicht, dass eine Erkrankung nach der nächsten kommt. Ich bin wirklich ein spezieller Fall. Das ist mir wichtig zu betonen, weil ich erlebe, dass es viel Angst auslöst, wenn man über Krankheiten und speziell über Krebs spricht.
Wissen Sie, wie viel Lebenszeit Ihnen noch bleibt?
Ich habe schon vor Jahren aufgehört, nach konkreten Prognosen zu fragen, weil es dann immer doch anders kam als erwartet. Zum Beispiel, weil die Medizin dann doch mit einer neuen Therapie um die Ecke kam. Aber Bauchspeicheldrüsenkrebs ist eine sehr aggressive Form, und ich habe die Diagnose seit Mai. Ich muss jederzeit damit rechnen, dass es rapide bergab geht.
Der Podcast Talk mit K
Das ausführliche Gespräch mit Franziska Knost können Sie hier oder auf allen gängigen Podcast-Plattformen wie Apple Podcasts, Spotify oder Deezer hören. Suchen Sie dort dazu nach „Talk mit K“ oder „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Unter anderem finden Sie dort auch Interviews mit Kasalla, Frank Schätzing, Mark Benecke und vielen interessanten Kölner Corona-Experten.
Wenn Sie dem Podcast folgen, verpassen Sie keine der künftigen Ausgaben.
Ich habe mich gegen Therapien entschieden, die es durchaus gibt, um die Lebenszeit zu verlängern. Wahrscheinlich würde ich noch viel mehr ausprobieren, wenn ich nicht schon so viel durchlitten hätte. Ich mache eine Chemotherapie, von der ich hoffe, dass sie mich ein bisschen stabil hält. Gerade geht es mir einigermaßen gut. Ich nehme Schmerzmittel und das Essen fällt mir unfassbar schwer. Das ist schon eine sehr große Einschränkung der Lebensqualität. Aber ich muss nicht im Krankenhaus sein, wovor ich in diesen Corona-Zeiten ziemlich Horror hätte.
Sie haben Ihre Jugend in dem Bewusstsein verbracht, das Sie völlig gesund sind. In welchem Moment hat sich das für Sie umgedreht?
Schon die erste Krebs-Diagnose war ein Schock. Nach dem Schock kam die Sinnsuche. Krankheit als Weg und so ein Blabla. Das lehne ich mittlerweile wirklich komplett ab. In der Krankheit steckt für mich kein größerer Sinn oder eine Aufgabe, das ist mir einfach passiert. Ich habe jegliche Esoterik verloren im Lauf der Jahre.
In Ihrem Podcast erzählen Sie sehr offen von Ihrer Geschichte, Ihren Ängsten, aber auch dem, was Sie als Kranke traurig und wütend macht. Wie kam es zu dem Podcast?
Das war kurz nach der Diagnose, als ich wusste, dass ich richtig am Arsch bin. Da kam mir dieser Wunsch, eine Form zu finden für meine Kritik daran, wie in unserer Gesellschaft mit Kranken und Behinderten umgegangen wird. Ich wollte meiner Wut und Traurigkeit ein Ventil geben. Als ich über ein Konzept nachgedacht habe, fiel mir auf, wie häufig die gut gemeinte Frage kommt, was ich in meiner verbleibenden Zeit erleben möchte. Was jetzt noch auf meiner Liste stehen würde an Wunsch-Zielen oder Erlebnissen. Das hat mich so wütend gemacht, dass ich für den Podcast statt einer Bucket-List eine Fuck-it-List erstellt habe - Dinge, auf die wir aus meiner Sicht alle verzichten könnten -auch ohne Todesdrohung im Nacken.
In Filmen wollen Todkranke gerne noch ein letztes Mal ans Meer oder Fallschirm springen.
Sorry, aber aus meiner Sicht ist das leider alles Quatsch. Am Ende stirbt der Kranke im Film dann am besten noch am Meer, einfach und schmerzlos. Ich möchte niemandem absprechen, dass er für sich so eine Liste noch erstellt, aber für mich ist wichtig, was ich nicht mehr möchte. Unbedingt dazu gehören wollen als ein Beispiel, und zwar zu den Gesunden. Auch das Thema, unbedingt begehrenswert sein zu müssen. Dieses Streben nach Selbstoptimierung ist zwar ein Problem für alle, aber für eine kranke Frau noch viel schlimmer. Bei Haarausfall, Gewichtsverlust und Operationsnarben stresst das wirklich maximal.
Sie wollten zu den Gesunden gehören, auch als Reaktion auf unbewusste Diskriminierung. Können Sie ein Beispiel nennen?
Keine Person möchte offensichtlich verletzend sein, aber es fängt beim Sprachgebrauch an. Wenn zum Beispiel ständig gesagt wird, Hauptsache gesund, schließt das mich und alle anderen chronisch kranken Menschen aus. Ich sehe mich auch nicht als Kämpferin oder irgendwie stark mit Blick auf meine Krankheitsgeschichte. Die Krankheit ist auch nur ein Aspekt meines Lebens. Sobald ich aber davon erzähle, überlagert das quasi alle anderen Aspekte meiner Persönlichkeit. Es gibt keinen Raum mehr, anders gesehen zu werden. Das macht sich niemand bewusst, aber das passiert einfach. Und deshalb ist der Umfang in unserer Gesellschaft mit Krankheit und Behinderung oft so klischeehaft.
Haben Sie ein weiteres Beispiel?
Wenn mein Sohn im Kindergarten auch nur irgendwie auffällig war, hieß es, klar, das Kind hat Verlustangst, ist ja normal in Ihrer Situation. Ich kann das noch nicht mal abstreiten, aber ich fand es extrem übergriffig, weil es Zweifel produziert und mich gezwungen hat, immer zu beweisen, dass ich eine super gute Mutter bin. Oder dass ich eine supertolle Partnerin sein muss, weil es ja eine wahnsinnige Bürde ist, mit mir als kranker Frau zusammen zu sein. Bis zum Podcast fühlte ich mich mit meinen Gefühlen allein, aber die Reaktionen darauf zeigen mir, dass es vielen kranken Menschen anscheinend so geht, dass sie sich ausgeschlossen fühlen - auch durch mitleidige Bewunderung.
Würde ich Sie auf einer Party kennenlernen würde und Sie würden mir von Ihrer Krankheit erzählen, würde ich wohl auch nachfragen.
Das würde ich niemals auf einer Party direkt sagen. Ich wurde aber mal auf einer Party begrüßt von jemandem, den ich gar nicht kannte: Ach, du bist die, die den Krebs besiegt hat? Man ist sehr schnell die Kranke, die den Krebs besiegt hat, was bei mir ja noch nicht mal stimmt. Diese ganze Sieges- und Kampfrhetorik lehne ich ohnehin komplett ab.
Den Krebs besiegen, ihn bekämpfen, das sind sehr gängige Metaphern, wenn es um die Krankheit geht.
Das stimmt: Zumindest in meinen Ohren klingt es trotzdem zynisch oder kann zynisch klingen. Als man mir am Anfang gesagt hat, dass ich es schaffe und stark bin, fand ich das noch tröstlich. Aber ich will mich nicht als Kämpferin sehen, die am Ende ihres Lebens doch verloren hat. Das wird meinem Leben nicht gerecht. Es gibt so viele Menschen, die, so wie ich die letzten 20 Jahre, MIT chronischen Erkrankungen leben. Damit muss man einen Umgang finden, auch in der Sprache. Eine Kämpferin, die gesiegt hat, das ist einfach fernab der Realität, selbst wenn man die Krankheit überwunden hat.
Weil auch mitschwingt, dass man nicht genug gekämpft hat, wenn man sterben muss?
Ungewollt ja. Das soll jetzt hier aber bitte keine Anleitung zum Thema sein, wie man mit kranken Menschen spricht. Auch mein Podcast ist das nicht. Das ist meine persönliche Perspektive. Es gibt Dinge, die mich stören und andere Personen vielleicht gar nicht.
Wenn Sie neue Freundschaften schließen, ist die Krankheit aber irgendwann Thema.
Klar, die gehört ja zu meinem Leben. Aber auch da merke ich, dass das viele schnell überfordert, was ich nachvollziehen kann. Trotzdem kritisiere ich es, dass diese Rhetorik so weitergetragen wird und die Krankheit als Besonderheit auf einen Sockel gestellt wird, entweder auf den Mitleids- oder den Helden-Sockel. So kann kein normaler Umfang damit stattfinden.
Welche Frage hätten Sie gerne öfter gehört?
Eine konkrete Frage habe ich nicht, aber ich wünsche mir einen offeneren Umgang mit Krankheit und Behinderung als Teil des Lebens. Sehr viele Menschen in Deutschland sind chronisch krank. Das gibt es ein großes Spektrum von Rückenschmerzen über Depressionen bis Krebs. Und obwohl es so omnipräsent ist, wird es so klischeehaft behandelt. Es gibt weder einen Raum für Fragen noch für Austausch. Kranke und behinderte Menschen haben gefühlt keine Lobby. Aktivistinnen und Aktivisten, die sich für Inklusion einsetzen, müssen viel mehr gehört werden.
Im Moment sind Krankheit und Tod durch die Corona-Krise sehr gegenwärtig. Menschen mit schwachem Immunsystem leiden unter der Pandemie noch viel mehr, weil sie sich besonders schützen müssen. Wie ist das bei Ihnen?
Als Corona anfing, habe ich auf Instagram öffentlich gesagt, dass ich zur Risikogruppe gehöre, weil ich krank bin. Das war aus der Motivation heraus, ein Bewusstsein zu schaffen für Solidarität. Vielen Menschen ist nicht bewusst, wie viele Menschen zu Risikogruppen gehören. In der Zeit vor der Impfung habe ich mich komplett abgekapselt, meine Familie auch. Da habe ich gespürt, dass meine Krankheit große Konsequenzen für mein direktes Umfeld hat. Da kam dann auch wieder das sehr starke Gefühl auf, eine Bürde zu sein. Für mich ist absolut absurd, dass sich Menschen nicht impfen lassen, gerade weil es so viele Menschen gibt, die sich nicht impfen lassen können. Ich bin zum Glück geimpft, aber habe ein schlechtes Immunsystem und darum große Sorge, mich zu infizieren. Vor allem habe ich Sorge, dass Menschen, die jetzt im Krankenhaus sein müssen, keinen Besuch empfangen können, dass sie einsam sind. Ich habe Angst, dass mir das passieren wird.
Macht Sie der Gedanke wütend, dass Ungeimpfte die Krankenhäuser stark belasten und Ihre Situation schwieriger machen?
Ich versuche nicht darüber zu urteilen. Es bringt mir nichts, sie zu beschimpfen. Ich versuche, sie zu verstehen, aber es fällt mir schwer. Das Gefühl, die Wut, dass ich sterben muss, an andere weiterzugeben, das habe ich nicht. Ich habe auch nicht den Gedanken: Warum bin ich krank und andere nicht?
Wie sprechen Sie mit Ihrem Sohn darüber, dass nicht mehr viel Zeit miteinander bleibt?
Wir gehen da sehr intensiv und offensiv mit um, auch mit Unterstützung von außen. Er ist ja auch mit meinen Krankheiten aufgewachsen.
Im Podcast erzählen Sie, dass Sie sich dieser Gesellschaft nicht mehr zugehörig fühlen, auf dem Rückzug sind. Woran merken Sie das?
Auch wenn ich das im Podcast gesagt und dabei geweint habe, empfinde ich das jetzt gar nicht mehr so. Ich kann schon lange keine Party mehr feiern, ich merke, dass ich meine Ruhe brauche. Es bringt nichts mehr, mit Freunden essen zu gehen und Wein zu trinken, was ich früher so gerne gemacht habe, weil ich es auch kräftemäßig nicht mehr schaffe. Ich fühle mich nach wie vor nicht mehr zugehörig, aber das ist ein Stück weit auch okay. Ich fühle mich sicher mit meiner Familie und mit meinen Freundinnen. Das ist das, was ich jetzt brauche. Ich fühle mich aufgehoben im Kreis meiner Liebsten.