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Jack White in KölnEine Naturgewalt fegt durch das Palladium

Lesezeit 4 Minuten
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Jack White bei seiner „The Supply Chain Issues Tour“ im Palladium in Köln.

Köln – Der Mann fackelt nicht lange. Einer Naturgewalt gleich fegt der Rock’n’Roll durch die Halle. Jack White ist zurück – sehr laut, sehr stark. Die erste halbe Stunde des ersten Konzerts seiner „The Supply Chain Issues Tour“ in Deutschland hat so gar nichts mit irgendwelchen „Problemen in der Lieferkette“ zu tun.

Das Tempo, mit dem der Ausnahme-Gitarrist mit einer dreiköpfigen, famosen Band im Palladium zur Sache geht, erinnert eher daran, dass hier jemand die vielleicht kurze Atempause in Pandemie-Zeiten ohne Kompromisse für das nutzen will, was er zwei Jahre lang vermisst hat. Die Songs gehen ineinander über, für Moderationen hat er keine Zeit. Irgendwann mitten im Konzert begrüßt er seine Kölner Fans mit zwei Sätzen, sagt so etwas wie, dass es gut ist, zurück zu sein. Das muss an gesprochenen Worten heute reichen.

Immer wieder Songs aus der Zeit mit den „White Stripes“

Nach einer wilden halben Stunde zum Start gönnt er seinem ebenfalls ausgehungerten Publikum die erste Erholungspause mit zwei ruhigeren Stücken. Die Liebe ist ein egoistisches Ding, singt er, bevor er darüber nachdenkt, was wäre, wenn er morgen sterben würde. „If I die tomorrow“ ist die aktuelle Single, mit der Jack White andeutet, wie sein kommendes Album klingen wird. Folk-Pop statt Hardrock – die Suche nach dem Besten geht genau wie seine fortwährende Selbstfindung weiter. In den 90 Minuten auf der Bühne präsentiert er die ganze Spannbreite seines bisherigen Schaffens: Immer wieder gibt’s Songs aus der Zeit mit den „White Stripes“, „Steady as she goes“ von seiner Band Ranconteurs darf natürlich nicht fehlen.

Jack White überschreitet musikalische Grenzen

White zitiert sich durch die Rockgeschichte und würdigt mit „Power of my Love“ Elvis Presley. Bei vielen Songs klingt er nach Led Zeppelin. Wenn er schreit und singt, erinnert das an Robert Plant. Der Unterschied: Die britischen Superstars aus grauen Vorzeiten brauchten Plant als Sänger und Jimmy Page an der Gitarre, um das über die Rampe zu bekommen, was Jack White alleine kann.

Der Mann aus Detroit mit neun Geschwistern, der mal überlegt haben will, Priester zu werden, überschreitet viele musikalische Grenzen: Harter Rock trifft auf Hip Hop, Blues auf Experimentelles, Country auf schräge Klangkollagen mit fein ausziselierten Gitarren-Soli. Ein guter Song braucht immer eine gute Idee – bei Jack White sind diese Ideen fast immer handwerklich perfekte, aber wenig komplizierte Ton- und Grifffolgen.

So wie bei seinem Hit „Seven Nation Army“, der durch das Nachsingen und Umtexten in den Fußballstadien zum Welthit wurde und im Palladium als letzte Zugabe begeistert. Fünf Töne reichten dafür. Jack White ist der unangefochtene Meister des Gitarren-Riffs. Und die spielt er an diesem Abend auf einer Unzahl von Instrumenten. Der Mann, der sie bringt, vorher stimmen muss, und dann wieder wegträgt, hat einen sehr anstrengenden Job.

Handys müssen draußen bleiben

Man kann nur vermuten, was die erzwungene Bühnen-Auszeit in einer Pandemie für jemanden wie Jack White bedeutet hat. Doch anders als andere ist der fleißige Amerikaner nicht in ein tiefes Loch gefallen, sondern hat gleich zwei Alben geschrieben und aufgenommen. Bei manchem Titel hat er alle Instrumente selbst eingespielt. Im April erschien das großartige Album „Fear of Dawn“. Und während er dieses kraftvolle Stück Musik mit einer Tour promotet, wird die Veröffentlichung des wohl deutlich ruhigeren Albums mit dem wunderbaren Titel „Entering Haeven alive“ bereits vorbereitet. Noch diesen Sommer soll es erscheinen.

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Das Palladium ist in Pandemie-Zeiten angenehm gefüllt. Es ist Platz für den ein oder anderen größeren Ausfallschritt und ein bisschen Pogo vor der Bühne. Die Halle teilt sich offenbar in zwei Gruppen an Zuschauern – die Zuschauerinnen sind klar in der Minderheit – die alle vor Beginn des Konzerts ihre Handys in speziellen Taschen verplomben lassen mussten. Auch das stundenlange Handyverbot ist eine besondere Erfahrung. Vorne wird wild gefeiert, während sich im hintern Teil die staunenden Bewunderer von Jack Whites Gitarrenkunst versammeln.

Viele sehen aus, als wenn sie selbst im Keller oder in irgendwelchen Proberäumen Gitarre spielen und sich hier einmal vorführen lassen wollen, was man mit diesem Instrument so alles machen kann. In die Sphären, die sie nie erreichen werden, führt sie der Virtuose auf der Bühne ohne jede Arroganz. Jack White ist ein Rock’n’Roller ohne Rock’n’Roll-Allüren, der sich am Ende seiner Show mit gefalteten Händen voller Respekt und Demut vor seinem Publikum verbeugt.