In der Kölner Philharmonie gab es am vierten Adventssonntag ein ganz besonderes Konzert: Die Stücke wurden vorher über eine Wunschliste der Besucherinnen und Besucher ausgewählt und mitgesungen werden durfte auch.
Philharmonie KölnWeihnachtskonzert mit Wunschzettel und zum Mitsingen
Die Musik schwillt an, es wird immer lauter. „O du Fröhliche“ klingt es von vorne, von hinten, von der Seite. Der Weihnachtsklassiker steht als Abschluss auf dem Wunschzettel der Philharmonie-Besucherinnen und -Besucher. Am vierten Adventssonntag hat das Gürzenich-Orchester unter der Leitung von François-Xavier Roth gemeinsam mit dem neu gegründeten Kölner Bürgerchor zu einem neuen Format eingeladen: dem Wunschzettelkonzert. Dabei konnte vorher darüber abgestimmt werden, welche Lieder gespielt werden sollen. Und die Zuhörer durften nicht nur vorweg aktiv sein, sondern auch bei ausgewählten Stücken mitsingen.
Die Auswahl des ersten Stückes scheint erstmal abwegig: die Ouvertüre zu „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck. Nicht weihnachtlich, nicht mal winterlich. In ihrem zarten Aufbau, dem Zusammenspiel von Violinen und Querflöten, hat die Ouvertüre aber etwas Besinnliches, märchenhaftes, das dann doch in die weihnachtliche Stimmung passt.
Violinistin Diana Tishchenko überzeugt bei Vivaldis „Winter“
Zu Vivaldis „Winter“ aus den „Vier Jahreszeiten“ tritt Diana Tishchenko auf die Bühne – ihr Bogen fliegt scheinbar völlig unangestrengt über die Seiten, die ukrainische Violinistin überzeugt sowohl in den dramatischen, schier gehetzten Teilen, als auch im ruhigen.
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Bei Tschaikowskys „Nussknacker“ – genau genommen der Ouvertüre, dem Marsch und dem Tanz der Zuckerfee – fällt Roths unverkennbar gefühlvolle und leichte Art des Dirigierens besonders auf. Mit seinen tänzelnden Bewegungen könnte der Besucher fast meinen, dass der Dirigent gleich sein Podest verlässt und stattdessen den Nussknacker gibt.
Neben den instrumentalen Stücken spielt das Gürzenich Orchester beim Weihnachtskonzert auch Stücke mit dem Bürgerchor gemeinsam. Der beweist bei seinem zweiten Konzert in der Philharmonie sein Können – bei „Hallelujah“ aus „Der Messias“ von Georg Friedrich Händel erreicht etwa der Sopran ohne zu wanken beachtliche Höhen auf der Tonleiter.
Und dabei singen im Bürgerchor nur „janz normale Leute“, wie Moderator und Komiker Martin Zingsheim betont. Der begleitet humoristisch durch das Programm, auch Roth muss sich bei Zingsheims Ausführungen mehrfach sichtlich zusammenreißen: Aus dem Publikum sieht man nur seinen Rücken, die bebenden Schultern und den leicht eingezogenen Kopf.
Zingsheim nimmt Bach und Orchestermitglied aufs Korn
So meint Zingsheim etwa in seiner Anmoderation zu Bachs „Air“, dass der langgezogene Ton zu Beginn ein Resultat von Sekundenschlaf sei. Bach sei einfach zu beschäftigt gewesen und über seinen Noten eingeschlafen, aus einem Tintenfleck wäre dann das heute bekannte Werk entstanden.
Und nicht nur Bach nimmt Zingsheim, der auch selbst Musiker ist, aufs Korn, auch das Orchester wird Opfer seines Schabernacks: Bei „A christmas festival“, einem Weihnachtslieder-Medley in einem Arrangement von Leroy Anderson, dürfe Lukas endlich seine Schlittenglöckchen rausholen. „Da weiß er, dass sich das jahrelange Musikstudium gelohnt hat“, schließt der Komiker.
Zugegeben: So komisch und clever (es fallen auch satirische Kommentare auf die deutsche Scheinheiligkeit in Bezug auf das Umweltbewusstsein) Zingsheims Moderationen auch sein mögen – ein bisschen weniger tut es auch. Und sein Kurzinterview mit Roth, der da von seiner Weihnachtstradition in Paris erzählt, war zwar interessant, in der Pointe aber deutlich zu aufgesetzt. Roth erzählt, dass sein Vater in Kirchen Orgel spielt, was sehr langwierig sein könne. Und er dürfe nur kurz Flöte spielen. „Weihnachten war als Kind und auch heute als Mann immer das gleiche“, sagt er. Und deshalb sei „Il est né“ sein Lieblingslied, das wurde immer als letztes gespielt. Und wie der Zufall es will, hat das Publikum auch dieses Lied ausgewählt.
Selbst singt das Publikum drei, beziehungsweise mit Zugabe vier Stücke: „Tochter Zion, freue dich“, „Es ist ein Ros’ entsprungen“, „O du Fröhliche“ und „Stille Nacht, Heilige Nacht“. Wer bei ersteren beiden noch unsicher ist, kann immerhin bei Letzteren mithalten. Dazu schleicht jeweils Michael Ostrzyga auf die Bühne, der den Bürgerchor einstudiert hat, und dirigiert das Publikum. Und eines muss gesagt sein: Enthusiasmus und Klang sind in keiner Weise vergleichbar zum gerne mal schiefen und unorganisierten Kirchengesang an Weihnachten.