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Mao Fujita in KölnEin Spektakel, aber bei Mozart konnte man misstrauisch werden

Lesezeit 3 Minuten
Mao Fujita
sitzt am Klavier und spielt.

Mao Fujita am Klavier. In der Kölner Philharmonie war er besser ausgeleuchtet.

Der japanische Pianist Mao Fujita gab in der Philharmonie sein Köln-Debüt. Ein begeisternder Abend - allerdings mit mehr Noten als nötig.

In der Zugabe drehte Mao Fujita noch einmal so richtig auf. Wie ein Feuerwerk ließ er den Schlusssatz aus Beethovens Appassionata abbrennen, von Anfang an in rasantem Tempo, das sich in der Stretta noch einmal völlig mühelos, ohne Schwitzattacken steigerte. Keine Frage: Die pianistische Kunst des 25-jährigen Japaners, der jetzt in der Philharmonie sein Köln-Debüt gab, ist in jeder Hinsicht souverän. Dabei trumpft er nicht auf, zieht keine Show ab, wirkt im Auftritt eher schüchtern, gibt nicht den Berserker, der den Flügel an den Rand des Zusammenbruchs bringt. Auch sein Martellato ist allemal kontrolliert, tut dem „klassisch“ geformten Klangsinn des Vortrags und seiner geschmeidig-unaufdringlichen Eleganz keinen Abbruch.

Keine Frage, der junge Mann, der von Tokio nach Berlin übersiedelte, um sich dort bei Kirill Gerstein den letzten Schliff zu holen, hat eine gute Zukunft vor sich. Auf dem Weg lauert allenfalls die Gefahr eines zu selbstverständlichen Gelingens, das für den Widerstand, den große Musik dem interpretatorischen Zugriff immer entgegensetzt, keine ausreichend lange Antenne hat. Da kann man einstweilen freilich nur sagen: On verra!

Mao Fujita muss sich nur vor der Gefahr eines zu selbstverständlichen Gelingens in Acht nehmen

Etwas misstrauisch machen konnte allerdings die einleitende Mozart-Sektion mit den bekannten Variationen KV 265 (in Deutschland kennt man die Melodie zu dem Text „Morgen kommt der Weihnachtsmann“) und der Sonate KV 330. Gegen Fujitas Mozart-Stil ist im Prinzip nichts einzuwenden – er ist klar, luzide, beseelt im Cantabile, bringt auch die motivische Substanz der (linken) Begleithand angemessen zur Geltung. Er ist im Staccato nicht puppig und zeigt in Stauung und Lösung eine überzeugende Darstellung der Formdramaturgie.

Aber man hört viele Noten – und das irritiert –, die nicht in der Partitur stehen. Dabei geht es nicht nur um den Schmuck von Wiederholungen, sondern auch um Substanzielles – wozu neue chromatische Durchgänge nun eindeutig gehören. Dazu zeitigt die leichte Versetzung der Stimmeneinsätze gegeneinander immer wieder einen verzichtbaren manieristischen Effekt. Reicht Mozart Fujita nicht? Das wäre schade und eigentlich auch kaum verständlich – immerhin hat er mit einer Gesamteinspielung der Sonaten seine diskografische Visitenkarte abgegeben.

Danach ging es freilich respektheischend weiter: Beethovens düstere Variationen WoO 80 über ein kurzes chromatisch absteigendes Bassthema erstanden als ein kompaktes Ganzes und dennoch mit einem erstaunlichen Binnenreichtum an Charakteren und Farben zwischen Kontrapunkt und Opernszene. Es folgte eine Auswahl aus den 24 Preludes des von Fujita wiederentdeckten japanischen Komponisten Akio Yashiro, die dieser als 15-jähriger 1945 komponierte – als sein Heimatland im Sturm der beiden Atombombenabwürfe unterging. Davon merkt man der Musik wenig an – sie kreuzt Toccata und Nocturne, Chopin und Debussy mit japanischem Liedgut, Walzer und jazzig anmutendem Schlendern, bleibt bei Dur und Moll, verzichtet aber weitgehend auf die tonale Kadenzspannung. Eine interessante Kreuzung mit einem eigentümlich poetischen Reiz. Positiv gestimmt könnte man sagen: ein interessanter Kultur-Hybrid; kritisch: nicht Fisch, nicht Fleisch.

Nicht sehr bekannt ist auch Skrjabins h-Moll-Fantasie opus 28, die der Gast an den Schluss seiner Agenda gestellt hatte. Die ist wuchtig und zärtlich, virtuos und in ihrer „fetten“ Sinnlichkeit auch irgendwie dekadent, verlangt die orchestral auftrumpfende Ekstase mit großem Atem. Das ist und bleibt eine Herausforderung, die nicht jeder stemmen kann – wenn die Spannung nachlässt, ist die Wirkung weg. Fujita macht das alles aber schlicht großartig, er holt noch im dichtesten Getümmel das motivische Detail heraus, hält die Musik auch, ohne einzubrechen, bis zum Schluss unter Druck und Drive. Kein Wunder, dass danach viele Zuhörer begeistert aufsprangen.