Der Wiener Pianist gastierte mit dem ersten Klavierkonzert von Johannes Brahms in Köln. Es war ein Abend ohne teutonische Schwere.
Rudolf Buchbinder in KölnEine Brahms-Aufführung von herausragender Qualität

Der Wiener Pianist Rudolf Buchbinder gastierte in der Philharmonie.
Copyright: Marco Borggreve
Am Mittwoch spielt er in Rom drei Mozart-Konzerte an einem Abend, eine Woche darauf in Las Palmas alle fünf Beethoven-Konzerte an zweien. Und gleichsam auf der Durchreise zu diesen pianistischen Herkules-Taten saß Rudolf Buchbinder nun noch im WDR-Abokonzert in der Kölner Philharmonie beim monumentalen ersten Klavierkonzert von Johannes Brahms am Flügel. Mit fast 78 Jahren ist der große Wiener Pianist so aktiv wie eh und je, unvermindert souverän im technischen Zugriff wie in der musikalischen Gestaltungskraft.
Brahms’ vollgriffiger Klaviersatz wirkte bei Buchbinder angemessen groß, aber nie dick. Der Klang war von der Tiefe bis in den Diskant klug gestaffelt und aufgeschlossen. Die markant herausgearbeiteten Basslinien kamen fast ein wenig didaktisch daher, aber auf diese Weise löste der Pianist das massive Fundament der Musik sehr überzeugend in Struktur und Bewegung auf.
Buchbinder ist immer Klassizist, auch wenn er die Romantiker unter den Händen hat
Buchbinder ist immer Klassizist, auch wenn er die Romantiker unter den Händen hat. Bei den Doppeloktaven der Kopfsatz-Durchführung hielt er sich auffällig zurück; aber was zunächst wie Vorsicht klang, entpuppte sich doch schnell als bewusste Zurückhaltung. Er ließ die Musik lieber federn als donnern - in perfekter Übereinstimmung mit dem WDR Sinfonieorchester, das unter Leitung seines Chefdirigenten Cristian Măcelaru so zügig wie schwungvoll über die Schwerpunkte im Sechsvierteltakt hinwegmusizierte.
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Surfen statt ackern: Dieses Konzept ging auch im ausgesprochen trennscharf und durchsichtig gespielten Finale auf. Dazwischen, in den weiten Melodiebögen und schwebenden Klangflächen des Adagio-Mittelsatzes, fanden Solist und Orchester zu fast kammermusikalischer Subtilität, zu einer idealen Verschmelzung in Klang und Melos.
Alles in allem war das eine Aufführung von herausragender Qualität, ein Brahms-Spiel von beeindruckender Tiefe und Weite, aber ganz ohne teutonische Schwere. Die war auch in Buchbinders Zugabe denkbar fern, einer hinreißenden Johann-Strauß-Paraphase, die den Saal in einen glitzernden Sprühnebel aus Alt-Wiener Charme und seidiger Walzer-Eleganz tauchte.
So virtuos wie die erste Konzerthälfte endete, gestaltete sich auch die zweite. In Béla Bartóks Konzert für Orchester gab Cristian Măcelaru seinen Musikern alle Gelegenheit, mit vitaler Bravour zu punkten. Die rhythmische Feinzeichnung war nicht überall ungetrübt, aber der Spirit stimmte auf der ganzen Linie. Vor allem der kratzige Humor im „Giuoco delle coppie“ und das leicht schwankende Sentiment im „Intermezzo interrotto“ waren charakterstark nachgezeichnet. Der Maestro wählte durchweg sehr sportliche Tempi, vor allem im Finale, bei dem sich die Streicher in einen wirbelnden Bienenschwarm verwandelten.