Dokomotive Plattform veranstaltet Filmvorführungen an ungewöhnlichen Orten: im Bergwerk, im Tropenhaus, im Landgericht. Ebenfalls mit dem Kölner Kulturpreis geehrt: das Musik-Ensemble electronic ID.
Kölner Kulturpreis für Junge InitiativenFilme im Bergwerk und im Tropenhaus schauen
Dass man zu einer Filmvorführung festes Schuhwerk anziehen soll, ist wohl eine der ungewöhnlicheren Aufforderungen an Filmliebhaber. Die Vorführungen der „Dokomotive Plattform“ führen einen mitunter ins Bergwerk oder ins Tropenhaus, so etwa für die Doku „Sonne unter Tage“.
Nun hat das Filmkollektiv den Kölner Kulturpreis als „Junge Initiative“ gewonnen. Seit 2016 verleiht der Kölner Kulturrat Preise in dieser Kategorie. Dafür zugelassen sind künstlerische Projekte, die junge Kunstschaffende fördert, präsentiert oder vernetzt. Die Projekte sind dabei entweder in Köln beheimatet oder werden von Kölnerinnen und Kölnern geleitet. Dieses Jahr gibt es neben Dokomotive Plattform auch einen zweiten Sieger: das Musik-Ensemble „electronic ID“, das multimediale Musikperformances inszeniert. Die Auszeichnung ist mit 5.000€ dotiert.
Kölner Kulturpreis zeichnet Junge Initiativen aus
Die Filmschaffenden von „Dokomotive Plattform“ vereint die Liebe zum künstlerischen Dokumentarfilm. Die Plattform hat eine Streaming-Seite, auf der sie ihre Dokus präsentiert. In einem dazugehörigen Diskursvideo kann man sich weiter in den Film vertiefen. Für die Dokus muss man eine Leih- oder Kaufgebühr zahlen, die Diskursvideos sind frei verfügbar.
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Ein besonderes Highlight sind aber Vorführungen, die sie an ungewöhnlichen Orten mit Bezug zum Film durchführen. Ihr Konzept nennen sie „embedded cinema“. Neben der Vorführung im Bergwerk haben sie ihre Doku „El Cacique“ deutschlandweit in Tropenhäusern gezeigt. „Wir versuchen für jeden Film den geeigneten Ort zu finden, um die Zuschauer auf dieser Ebene Teil der Geschichte werden zu lassen“, sagt Markus Lenz, Regisseur von „El Cacique“ und Mitglied von Dokomotive Plattform. „Eigentlich suchen wir immer nach einem Moment, in dem sich die nicht-filmische Realität mit der filmischen verschmilzt. Der Raum ist eine Verlängerung der Leinwand.“
Dokomotive Plattform versucht mehr Liebe für den Dokumentarfilm zu wecken
Unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen haben sie auch einen Film in einem Saal des Kölner Landgerichts gezeigt. Der Film handelte von der Resozialisierung eines Straftäters, wie Lenz erklärt. „Leute mussten durch eine Sicherheitsschleuse rein, das kennt man ja vom Flughafen. Das macht was mit den Menschen. Sie werden in ein anderes, unbekanntes Ambiente eingeführt. Sie können den Film dann auf einer anderen Ebene wahrnehmen.“
Die Initiative bemüht sich, dem Dokumentarfilm mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Im Gegensatz zu schnelllebigen Reportagen arbeite ein Dokumentarfilm mit größerem zeitlichen Aufwand und könne mit mehr Einfühlungsvermögen ganz andere Geschichten erzählen, so Stefan Höh. „Das ist unser alltägliches Brot, nicht nur die Kamera draufzuhalten, sondern auch Beziehungen zu unseren Protagonist:innen aufzubauen. Ein respektvolles Miteinander auf Augenhöhe ist für uns Dokumentarfilmer ganz wichtig.“
Die Mitglieder von electronic ID denken Musik multimedial
Die zweite ausgezeichnete „Junge Initiative“ ist eine Gründung von Musikstudenten aus Köln und Essen. electronic ID versteht sich als Plattform für die Zusammenarbeit junger Musikerinnen und Musiker, die sich mit ihrer Gegenwart auseinandersetzen. Daher spielen sie zeitgenössische Kompositionen des 21. Jahrhunderts. Zu ihren Themen zählen Identität und der Umgang mit einer sich verändernden Medienlandschaft.
Die Mitglieder des Ensembles hätten durchaus noch erlebt, wie es ist, kein Handy zu haben, so Felix Knoblauch von electronic ID. „Die Generation, die nach uns kommt, konsumiert digitale Medien wie Leitungswasser - völlig unhinterfragt. Sie kriegen auch nicht das Rüstzeug vermittelt, um distanziert und kritisch damit umzugehen. Die Generation unserer Eltern ist oft in einem Verteufelungsmodus unterwegs gewesen. Wir stehen ein bisschen dazwischen.“
Das Ensemble arbeitet auch mit künstlicher Intelligenz
Entsprechend offen zeigen sich ihre Werke gegenüber den technischen Entwicklungen. In ihren Inszenierungen vermischen sie Musik mit digitalen und multimedialen Elementen. „Das greift super eng ineinander und erschafft eine zusätzliche Bedeutungsebene für das Gesamtkunstwerk.“ Ein Beispiel dafür war ihr Musiktheater „Transparence“ in der Ehrenfelder Rufffactory: Vor den Musizierenden standen Leinwände, die sie als digitale Projektionen zeigten. Die Musiker sind dann nur noch im Digitalen sichtbar, in einem Hochkant-Format, das an Instagram-Reels erinnert.
Die Gruppe experimentierte für die Aufführung auch mit KI. „Das Libretto wurde von ChatGPT geschrieben.“ Die vielfältigen Möglichkeiten der KI sind Reflexionspunkt für Knoblauch. Auch für die Welt der Musik könnte K.I. immer relevanter werden, doch wie weit ist sie schon auf diesem Feld? Auffällig war der Versuch einer K.I. des Handyherstellers Huawei, Schuberts Unvollendete zu Ende zu komponieren. „Es gibt einen Test, den man online machen kann. Da werden einem 10 Choräle vorgespielt und man soll antippen, was von Bach ist und was von der K.I.“ Tatsächlich habe Knoblauch im Test alles richtig gewählt, das läge aber vor allem daran, dass die K.I.-Choräle zu streng nach der Form gebaut seien. Bachs Kompositionen würden auch davon profitieren, dass der Komponist die Schönheit eines Regelbruches erkannte.
Die Jury begründete ihre Auszeichnung für electronic ID mit ihrem Gespür für den Puls der Zeit: „Statt Medien nur als Übertragungswege zu betrachten, nutzt electronic ID sie als integralen Bestandteil ihrer Kunst. Mit der Vielfalt und den individuellen Talenten seiner Mitglieder schafft das Ensemble Kunst und Musikprojekte, die den Geist unserer Zeit widerspiegeln und zum Nachdenken anregen.“