Das belgische Vokalensemble Vox Luminis um Dirigent Lionel Meunier brachte Bekanntes und fast Unbekanntes auf die Bühne der Kölner Philharmonie. Bei aller Professionalität sind zwei Defizite aufgefallen.
Kölner PhilharmonieBach und sein unbekannter Vorgänger
Dirigieren aus der der hinteren Reihe – kann das gut gehen? Offensichtlich, denn der französische Dirigent Lionel Meunier hielt, als Mitglied der Bassgruppe, mit sparsamen Gesten nicht nur das von ihm gegründete belgische Vokalensemble Vox Luminis zusammen. Vielmehr gelang, im engen Blickkontakt mit dem Konzertmeister Péter Barczi, auch die Koordination mit dem begleitenden Freiburger Barockorchester vorzüglich. Das will etwas heißen, denn das finale „Sicut erat in principio“ in Bachs Magnificat etwa muss im rhythmischen Zusammenklang hundertprozentig „sitzen“, wenn die festlich-beschwingte Brillanz dieser Musik ohne Einbußen herüberkommen soll.
Die Gäste musizierten in der Kölner Philharmonie mit den schönen und leider nur selten zu hörenden Einlagesätzen (unter anderem einer Choralbearbeitung von „Vom Himmel hoch, da komm ich her“), die das wunderbare Werk zu einer auch äußerlich erkennbaren Weihnachtsmusik machen.
Bachs Vorgänger als Leipziger Thomaskantor im Programm
Dem im Prinzip sehr Bekannten war nahezu Unbekanntes vorausgegangen. Zu Beginn erklangen die Kantate „Uns ist ein Kind geboren“ und das Magnificat (!) von Johann Kuhnau (1660-1722), der selbst Musikexperten nur noch dadurch geläufig ist, dass er Bachs Vorgänger im Amt des Leipziger Thomaskantors war. Damit ist er – ausweislich der aufgeführten Werke – entschieden zu schlecht bedient. Und immerhin firmierte die Kantate lange als Produkt des Nachfolgers im einschlägigen BWV-Verzeichnis.
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Gleich ihre instrumentale Einleitung mit zündendem Vordersatz und Fortspinnung mittels Quintfallsequenz zeigt Kuhnau auf der Höhe des damals aktuellen italienischen Concerto-Prinzips. Das früher entstandene Magnificat lässt noch die Nähe zur norddeutschen Buxtehude-Sphäre erkennen, aber auch hier überzeugt Kuhnau mit gediegenem Kontrapunkt, melodisch gut ausgestatteten Soloarien und glänzender Entfaltung des orchestralen Ornats (Pauken und Trompeten, Oboen, Blockflöten).
„Vox Luminis“ mit zwei Defiziten
Vox Luminis verbreitete tatsächlich in bester kammerchorischer Professionalität und selbstverständlicher Vertrautheit mit dem barocken Idiom ein hell leuchtendes Stimmenlicht, unterfüttert vom bewährten kernigen Sound der Freiburger. Zwei Defizite sind dennoch zu vermerken: Die etwa 15 Choristen (der Chor-Alt war mit Counters besetzt) bilden eine überaus homogene, in der gemeinsamen Performance allzeit hochpräsente Formation – nur die artikulatorische Präsenz und Textverständlichkeit lassen zuweilen zu wünschen übrig. Besonders auffallend war das ausgerechnet in der Zugabe, dem Chorsatz aus der h-Moll-Messe, den Bach einmal auf den Text „Gratias agimus“ und am Schluss als „Dona nobis pacem“ platziert. Konnte man diesmal genau hören, welche Version gewählt worden war?
Weiterhin taugen die Chorsänger leider – ein altes Manko der Aufführungspraxis, auch zum Beispiel in Gardiners Monteverdi Choir – nicht durchweg als Solisten in Rezitativen und Arien. Das klang sicher alles sehr schön und gediegen, aber es fehlte immer wieder einfach an Power, Fülle und der erforderlichen gestischen Eindringlichkeit.