Im Kontrapunkt-Konzert mit der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz holte Dirigent Michael Francis eine von Mahler bearbeitete Version der Eroica auf die Kölner Bühne.
Kölner PhilharmonieBeethoven mit doppelter Bläserbesetzung
Merkwürdiger Fall: Heutzutage verbindet man Deutlichkeit und Prägnanz in der Darstellung des klassischen sinfonischen Repertoires vor allem mit einer reduzierten Orchesterstärke. Paavo Järvis Beethoven-Aufnahmen mit der Kammerphilharmonie Bremen haben diesbezüglich Maßstäbe gesetzt.
Gustav Mahler wollte seinerzeit ebenfalls „deutlich“ sein, ging aber im Zuge seiner aufführungspraktischen Einrichtung der Beethoven-Sinfonien einen gänzlich anderen Weg: Er verdoppelte die Bläserbesetzungen und sorgte damit für eine wahrlich spektakuläre Opulenz des Apparats.
Kontrapunkt-Konzert mit Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz und Dirigent Michael Francis
Diesen selten gehörten Beethoven à la Mahler bekam das Publikum jetzt anhand der Eroica im philharmonischen Kontrapunkt-Konzert mit der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter ihrem Chefdirigenten Michael Francis zu hören. Eine interessante Begegnung, die wieder einmal deutlich machte, wie sich Klangästhetik und musikalischer Geschmack im Lauf der Jahrzehnte und Jahrhunderte ändern.
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Tatsächlich greift Mahler die Partitur als solche nirgendwo an, aber dennoch lässt die durch die Bläserverstärkung verschobene Balance gleichsam ein anderes Werk entstehen – und das, obwohl der Bearbeiter differenziert vorgeht und die Verdopplungen längst nicht immer praktiziert. Aber wenn das geschieht, merkt man es sofort. Sechs Hörner stehend im Trio des Scherzo (wie übrigens auch im Finale von Mahlers erster Sinfonie gefordert) – das haut schon rein.
Pianist Joseph Moog spielt in Köln Beethovens viertes Klavierkonzert
Nämliches gilt für die „türkische“ Variation des Finales. Im langsamen Satz verschärft die Bläserabteilung (Klarinetten mit nach vorne gerichtetem Schalltrichter) den militärischen Hautgout des Ganzen – bis hin zu einer etwas ordinären oder doch so wirkenden Gewaltsamkeit. Und das „Poco Andante“ des vierten Satzes klingt schon massiv nach „Tannhäuser“. Immer möchte man Beethoven so wohl nicht hören, aber auch dank der spieltechnisch auf gutem Niveau angesiedelten, druckvoll-spannungsgeladenen, teils schmerzscharfen Interpretation der Gäste war das ein eindrucksvolles Erlebnis.
Begonnen hatte der Nachmittag mit Beethovens originalem vierten Klavierkonzert, dessen Solopart Joseph Moog eine souveräne Deutung zuteilwerden ließ, mit großem leuchtenden Ton, natürlich-selbstverständlicher Virtuosität (die sehr gewinnend auch in der Zugabe mit Liszts Valse-Impromptu zur Geltung kam) sowie vitaler Phrasierung und rhythmischer Profilierung. Freilich: So richtig leise kam er nicht, der verhangene Solo-Beginn des Konzerts, von dem – als einer „Musik vor der Musik“ – ja nun gerade bei diesem Werk vieles bis alles abhängt. Auch die Verzögerung am Phrasenende konnte nicht bewirken, dass hier wie anderswo eine wichtige Werkfarbe ein bisschen unterbelichtet blieb: die der lyrischen Versenkung.