Kazuki Yamada dirigiert das City of Birminghan Orchestra, für das einst Simon Rattle den Taktstock schwang.
City of Birminghan Orchestra in der Kölner PhilharmonieSimon Rattles Erbe in der vierten Generation
Das Wunder von Birmingham ereignete sich vor mehr als 40 Jahren: 1980 berief das Orchester der mittelenglischen Stadt einen 25-jährigen Nachwuchsdirigenten zum Chef, der den Provinzklangkörper innerhalb weniger Jahre in die Weltelite hievte. Sein Name: Simon Rattle.
Rattles Nachfolger in der vierten Generation ist seit April 2023 der Japaner Kazuki Yamada. Wieder einmal entschied sich das City of Birmingham Symphony Orchestra für einen künstlerischen Leiter, der in der Szene zuvor ein weitgehend unbeschriebenes Blatt war. Als Musikdirektor in Monte Carlo hatte er in den vorangegangenen sieben Jahren eher am Rande der europäischen Orchesterlandschaft gewirkt.
Kazuki Yamada dirigiert das Meisterkonzert in der Kölner Philharmonie
Wie Rattle kommt Yamada vom Schlagzeug her, und das konnte man beim Meisterkonzert in der Philharmonie auch durchaus hören. Timing ist für den 45-Jährigen das wichtigste Gestaltungsmittel. Schon in der Kopfsatz-Exposition von Beethovens Violinkonzert variierte er ständig das Tempo, setzte die Phrasen mit auffällig großen Zäsuren voneinander ab. Die musiksprachliche Innovationskraft des Werkes interessierte ihn offensichtlich mehr als die Regelmetrik der Wiener Klassik - was man kritisieren kann, aber akzeptieren muss, zumal Yamada seine Entscheidungen mit größter Klarheit traf und das Orchester ihm dabei hochkonzentriert folgte.
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An künstlerischer Entschlusskraft ließ es auch die junge spanische Geigerin María Dueñas nicht fehlen. Ihr sehr eigener, heller, zuweilen etwas zwirniger Ton war durchaus Geschmackssache; er passte aber zu einer Musizierweise, die nicht auf Sound und große Geste angelegt war, sondern auf Wendigkeit und Formulierungsschärfe. Die 22-Jährige spielte durchgehend auf einem hohen Energielevel, so auch bei der selbstkomponierten Zugabe: Ihre „Hommage an Beethoven“ zitierte ausgiebig aus den Violinwerken des Titanen, entfaltete aber am Ende einen virtuosen Furor, der eher nach Paganini klang.
Berlioz „Symphonie fantastique“ steht auf dem Programm
Mit der Symphonie fantastique von Hector Berlioz stand nach der Pause ein Werk auf den Pulten, das in seiner Bravour und Farbintensität für die Briten ein wahres Festmahl darstellte. Der Maestro dirigierte das lange Stück auswendig und nutzte die unverstellte Kommunikation mit seinen Musikern, um jedes Detail messerscharf abzubilden. Durch weit ausschwingende Pizzicati und das machtvolle Pedal der Kontrabässe gelangen immer wieder beeindruckende Raumwirkungen. Der Schlusssatz wurde zum Hexenkessel und instrumentalen Totaltheater: Die Holzbläser trieben das Wanderthema der Sinfonie, die „Idée fixe“, zu infernalischem Lachen, die Streicher droschen ungehemmt mit dem Bogenholz auf die Saiten ein.
Dabei ging es Kazuki Yamada durchaus nicht um billige Oberflächenreize, sondern um eine pointierte Werkdarstellung, wie sie der Avantgarde des Jahres 1830 angemessen ist. Und weil sich das enthusiastische Publikum danach kaum beruhigen ließ, gab es als zündenden Kehraus noch die Farandole aus Bizets „L’Arlesienne“.